20. Februar 2017In 2017/1

„Herzkrankheiten sind in Deutschland die häufigste Todesursache“

Gespräch mit Prof. Dr. Paul-Reiner Körfer, Herzchirurg am Evangelischen Klinikum Niederrhein in Duisburg


von Dr. Paul Breuer

„Für mich gibt es nichts Schöneres, als am Herzen zu operieren“, meinte Prof. Dr. Paul-Reiner Körfer in unserem Gespräch im DJournal 4-2016 und dass er sozusagen mit Herzblut Herzchirurg sei. „Herzkrankheiten sind in Deutschland die häufigste Todesursache. 50.000 Menschen mit Herzinsuffizienz im Endstadium, allein davon 10.000 in NRW, stehen weniger als 300 Spenderherzen für eine Transplantation gegenüber“, so Prof. Körfer. 

Es verwundert eigentlich nicht (oder schon?), dass der südafrikanische Herzchirurg Christiaan Barnard erst vor 50 Jahren die erste Herztransplantation vorgenommen hat. Dies möge der fehlenden technologischen Möglichkeit geschuldet sein. Aber auch ethische Bedenken haben den Fortschritt nicht unbedingt beschleunigt – bis heute. Der erste Patient, dem Barnard 1967 ein Herz transplantierte, überlebte 18 Tage. Der zweite Patient kurz danach schon 18 Monate. Durchschnittlich überlebten die ersten 100 Patienten allerdings nur 29 Tage. Barnard gelang 1974 eine erste, sogenannte „Huckepack“-Herzoperation. Er erbrachte dabei den Beweis, dass in der Brust des Menschen zwei Herzen gleichzeitig schlagen können – neben dem kranken auch ein von einem Organspender implantiertes Herz. 

Kunstherz 1, , „Herzkrankheiten sind in Deutschland die häufigste Todesursache"

Prof. Dr. Paul-Reiner Körfer, einer der erfahrensten Herzchirurgen Deutschlands mit über 30.000 Operationen am Herzen, nahm die Herausforderung an. Mit welcher Leidenschaft der über 1,90 Meter große Mediziner das als Lebensaufgabe versteht, zeigt seine beeindruckende Vita. Über den aktuellen Stand der Kunstherztechnologie spricht er gerne: „Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme lautet der Oberbegriff für alle Kunstherz- Systeme, die den Blutkreislauf unterstützen oder ersetzen“, erklärt er. Das nach ihm benannte ‚ReinHeart‘- Kunstherz kann ein Spenderherz aber noch nicht auf unbegrenzte Zeit ersetzen. Fünf Jahre soll es zunächst halten. Das kleinste und mit weniger als 800 Gramm leichteste Kunstherz der Welt befindet sich in der Testphase im Helmholz Institut, Aachen. Ein Team aus Ingenieuren und Naturwissenschaftlern am Institut für Angewandte Medizintechnik der Rheinisch-Westfälischen TH, zusammen mit Prof. Dr. Körfer und Prof. Dr. Gero Tenderich und seinem Team am Evangelischen Klinikum Niederrhein forschen zurzeit an einem Kunstherzen mit geräuschlosem Antrieb und dem Verzicht auf Schläuche durch die Haut.

Reinheart

„Wenn alles gut läuft, soll das ‚Rein- Heart‘ 2019/20 erstmals einem Menschen implantiert werden. Mit Ausnahme eines in den USA entwickelten Kunstherzens sind alle bisherigen zu groß und zu schwer, um vollimplantiert zu werden. Diese Patienten müssen einen lauten Antrieb am Körper mit sich tragen, der über fingerdicke Schläuche mit dem implantieren Herzen verbunden ist. Das Infektionsrisiko ist hierbei leider nicht zu unterschätzen“, so Prof. Körfer. „Der Patient trägt eine externe Energieversorgung (Batterie), wobei die Energie drahtlos über Magnetspulen (Induktion) übertragen wird. Die aufgeladene Batterie ermöglicht das Ablegen der externen Versorgungseinheit. Dadurch erreicht der Patient einen hohen Grad an Mobilität.“ 

Auf die Frage „Und wenn kein geeignetes Spenderherz gefunden wird?“ entgegnet er „Dann soll das ‚ReinHeart‘-Kunstherz eine Alternative zur Transplantation darstellen“ und ergänzt: „Die Phase der akuten Tierversuche wurde erfolgreich abgeschlossen. Aktuell laufen chronische Tierversuche. Das sind Versuchszeiten bis zu einer Woche. In zweitägigen Versuchen an Kälbern bewies die Pumpeneinheit bereits eine einwandfreie Funktion und Verträglichkeit mit dem lebenden Organismus.“ 

Die aktuelle Situation: Durch den akuten Mangel an Spenderherzen wächst die Warteliste. Viele Patienten sterben wegen einer Wartezeit von bis zu 24 Monaten. Eine echte Alternative für Patienten mit einer schweren Herzsuffizienz gibt es nicht, da vollständige Kunstherzen aktuell nur für die Überbrückung bis zur Transplantation ausgelegt sind. Das voll implantierbare Kunstherz aber kann nach der Explantation des natürlichen, schwerkranken Herzens die Funktion so lange übernehmen, bis sich ein gesundes Spenderherz findet. Es funktioniert wartungsfrei und kann über viele Jahre im Körper des Patienten schlagen. Das würde einen Durchbruch für die lebensrettende Therapie der schwerstkranken Herzpatienten bedeuten. 

Prof. Dr. Körfer und die eigens gegründete ReinHeart TAH (Total Artificial Heart) GmbH mit Prof. Dr. Ing. Ulrich Steinseifer und Dr. Ing. Thomas Finocciaro könnten nach erfolgreichem Projektverlauf die klinischen Studien in nächster Zeit übernehmen. Das setzt allerdings voraus, dass finanzielle Mittel von der EU bereitgestellt werden. Die Landesmittel reichen bei weitem nicht aus, um das hochqualifizierte Personal zu halten. Engagierte private Sponsoren unterstützen bisher zu einem nicht unerheblichen Teil dieses erfolgversprechende Projekt. 

Es ist eigentlich schwer nachzuvollziehen, dass sich nicht ausreichend Investoren finden, um diese faszinierende und bisher sehr erfolgreiche Entwicklung schneller zum Erfolg zu führen. Was wir in Deutschland benötigen, ist mehr Wagniskapital – ähnlich wie in den USA. Die Risikoabwägung von Investoren in erfolgversprechende Startups dauert hier leider noch viel zu lange. Dabei könnten mehr als 100.000 voll implantierbare Kunstherzen jährlich eingesetzt werden, wie eine Untersuchung der französischen Firma Carmat beziffert. Der Wettlauf zum voll implantierbaren Herzen in den USA und hier in Europa ist im vollen Gange. Noch dürfte ReinHeart die Nase vorn haben. Mehr qualifizierte Mitarbeiter müssten zusätzlich eingestellt werden, damit der Vorsprung aufrechterhalten werden kann. 

„Ich hoffe auf ein baldiges Ende der Testphase mit Kälbern, um dann möglichst zeitnah eine europäische Zulassung des Kunstherzens zu erwirken“, meint Prof. Dr. Körfer. Es ist ihm zu wünschen. Der erste Schritt zur Erfüllung seines visionären Traumes wäre damit getan.


Kurzvita

Paul-Reiner KörferPaul-Reiner Körfer war von 1984 bis Ende Januar 2009 Ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrums NRW, Bad Oeynhausen sowie Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie an der Ruhr-Universität Bochum. Zusammen mit seinem langjährigen Oberarzt G. Tenderich und einigen Mitarbeitern aus seiner Zeit in Bad Oeynhausen möchte Prof. Körfer das Spektrum des Herzzentrums Duisburg um die Möglichkeit der Kunstherzversorgung und Transplantation erweitern.


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