10. November 2017In 2017/4

„Das Leben ist für mich ein großer Spielplatz“

Interview mit der Schauspielerin und Sängerin Isabel Varell


von Dr.Susan Tuchel

Geboren wurden Sie als Isabel Wehrmann. Aber diesen Namen tauschten Sie schon sehr früh gegen den wohlklingenden Künstlernamen Isabel Varell ein. Wann wussten Sie, dass Sie Künstlerin werden wollten?

Meine Stimme habe ich selbst als Talent und Berufung erkannt. Als ich meinen ersten Auftritt in einem Tanzlokal an der Ostsee hatte, da ist irgendetwas in und mit mir geschehen. Ich bekam auf einmal eine besondere Aufmerksamkeit und Anerkennung. Von diesem Zeitpunkt an hatte ich nur noch das Ziel vor Augen, auf die Bühne zu kommen.

Das hat dann ja auch funktioniert. Mit 19 Jahren wurden Sie Dritte bei einem Nachwuchswettbewerb von Radio Luxemburg, mit 23 Jahren wurde Ihnen die „Goldene Europa“ als beste Nachwuchssängerin verliehen. Der Produzent Jack White wurde auf Sie aufmerksam. Aber Ihren Weg machten Sie ganz alleine, mit mittlerer Reife und ohne Rückendeckung durch das Elternhaus.

Ja, meine Jugend war alles andere als toll. Ich wurde streng erzogen, war ein Scheidungskind und habe die Schule als Ventil benutzt, was zur Folge hatte, dass ich vom Goethe- und vom Luisengymnasium flog.

Warum?

Ich habe als Mutprobe geklaut und eine Schultoilette mit Toilettenpapier verstopft und angezündet. Beim Versuch, das Feuer zu löschen, lief natürlich alles über.

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Sie haben Ihre Geschichte aufgeschrieben und sind mit Ihrem Buch „Mittlere Reife – aus meinem Leben“, das 2016 im Piper-Verlag erschienen ist, gleich auf der Spiegel-Bestsellerliste gelandet. Sie schreiben sehr offen und beschönigen nichts. Wie wurden Sie dann trotzdem die, die Sie heute sind, nämlich eine bekannte Sängerin, Schauspielerin, Komödiantin, Moderatorin und Autorin?

Ich habe Gesangsunterricht genommen, wann immer ich ihn mir leisten konnte und habe gekellnert, bis ich von der Musik leben konnte. Ich bin Autodidaktin und habe mich auf der Bühne mit Learning by doing nach vorne gebracht. Nicht, dass ich diesen Weg unbedingt empfehlen würde, aber in meinem Fall hat es gepasst. Ich war einfach immer offen und neugierig auf die Welt und das Leben ist für mich ein Spielplatz, also der Platz, auf dem ich ausgelassen sein kann und machen kann, was ich möchte.

Und das ist vor allem zu singen oder doch eher zu schauspielern?

Beides und außerdem schreibe ich alle meine Songtexte selber, weshalb ich mich lieber als Liedermacherin denn als Schlagersängerin bezeichne. Meine Themen in meinen Liedern sind auch andere als die in den Schlagern üblichen und meine Musik ist auch eine andere. Zum Ausdruck kommt das in meinen Lyricals, in denen ich auf meiner Deutschland-Lesereise aus meinem Leben erzähle, aus meinem Buch lese und singe.

Sie waren zwei Jahre mit Drafi Deutscher verheiratet. 2015 heirateten Sie den bekannten TV-Regisseur Pit Weyrich, den Sie aber schon eine halbe Ewigkeit kennen. Wann wurde daraus mehr?

Ich kannte ihn schon als ganz jungen Regisseur Anfang der 1980er-Jahre, da fand ich ihn auch schon auffällig toll als Mann. So richtig kennengelernt habe ich ihn dann bei Florian Silbereisen in einer Musikshow im Jahr 2008, und da hat es dann bei uns beiden gefunkt.

Ihre Kindheit haben Sie in Düsseldorf verbracht, dann haben Sie vier Jahre in München gelebt, fünf Jahre in Hamburg, heute leben Sie mit Ihrem Mann in Köln. Welches ist Ihre Heimatstadt, wo sind Ihre Lieblingsplätze?

Ganz klar Düsseldorf, auch mit meinem Wahlwohnort schwanke ich innerlich sehr zwischen Düsseldorf und Köln. Als Jugendliche war ich natürlich viel und gerne in der Altstadt, aber auch auf dem Trimm-dich-Pfad im Grafenberger Wald. Heute liebe ich vor allem das Rheinufer und die Kö, weil ich finde, dass keine andere Stadt –außer Paris – eine solche Prachtstraße hat.

René Heinersdorff kennen Sie schon sehr lange und waren 2012 auch schon einmal im Theater an der Kö. In dieser Spielzeit standen Sie bis Ende November in der Komödie „Sommerabend“ von Gabriel Barylli auf der Bühne. Wer das nun verpasst hat?

Den lade ich ganz herzlich ein, ins Theater im Rathaus nach Essen zu kommen, auch ein Heinersdorff-Boulevardtheater. Premiere ist am 24. Mai 2018 und gespielt wird die Komödie dann bis zum 24. Juni.

Woran arbeiten Sie aktuell, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen?

Ich schreibe gerade die Songs für mein nächstes Album und beschäftige mich gedanklich auch schon mit meinem zweiten Buch. Denn das erste war ein so großer Erfolg, damit hatte ich einfach nicht gerechnet. Es gehört zu den größten Meilensteinen in meiner bisherigen Laufbahn. Die Beschäftigung mit meiner Vergangenheit hatte auf mich eine sehr reinigende, geradezu therapeutische Wirkung. Ich habe damals vieles aufgeschrieben, was ich noch nicht veröffentlich habe. Hinzu kommen meine Lesungen in ganz Deutschland sowie meine Musical-Tournee mit „Hairspray“ in Deutschland und in der Schweiz. Und ab Januar kommen noch regelmäßige Dreharbeiten für eine neue Serie dazu.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Auszeiten aus, wie bekommen Sie die vielbeschworene Work-Life-Balance hin?

Mein einziger Ausgleich ist der Laufsport. Ich jogge mehrmals in der Woche und bin auch sehr stolz, insgesamt acht Marathons gelaufen zu sein, davon einer in New York, einer in Venedig und die anderen in Berlin, Hamburg und Köln.

Der Dienst am Mitmenschen, spielt er für Sie eine Rolle?

Ich habe mich immer sozial engagiert. Ich unterstütze die Aidshilfe und die Aidsstiftung und habe drei Jahre ehrenamtlich als Sterbebegleitung für Aidskranke gearbeitet. Das Ehrenamt gehört für mich zum Leben dazu und das werde ich auch wieder intensiver betreiben, wenn ich mehr Zeit habe als aktuell.


Kurzvita

Isabel VarellIsabel Varell wurde 1961 am linken Niederrhein in Kempen geboren, zog als Kind mit ihrer Mutter nach Düsseldorf. Mit 13 Jahren hatte sie ihren ersten Auftritt bei einem Talentwettbewerb. 1980 wurde sie Dritte unter 6.000 Teilnehmern bei einem Nachwuchswettbewerb von Radio Luxemburg und Musikproduzent Jack White wurde auf das junge Talent aufmerksam. 1984 erhielt Varell für ihren Song „Verträumt“ die „Goldene Europa“ als beste Nachwuchssängerin. Ein Jahr später startete sie mit Titelsong und Hauptrolle ihre Schauspielkarriere in dem ARD-Zehnteiler „Das Rätsel der Sandbank“. Drafi Deutscher komponierte für sie den Titel „Melodie d’amour“ und produzierte ihre Singles „Indestructible Love“ und „Geh’ nicht vorbei“. Hauptrollen in Musicals folgten in den 1990er-Jahren. Als Andrea Weiler sorgte sie in der ARD-Serie „Rote Rosen“ für hohe Einschaltquoten. 2016 kam ihre Autobiographie „Mittlere Reife – aus meinem Leben“ auf den Markt und landete prompt auf der Spiegel-Bestsellerliste. Bis Ende November war sie in „Sommerabend“ im Theater an der Kö zu sehen. In Düsseldorf ist sie vom 18. bis 20. April 2018 im Musical „Hairspray“ im Capitol-Theater zu sehen und zu hören.


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