21. November 2017In 2017/4

„Wichtig ist der Ausbau menschlicher Kontakte“

Interview mit Dr. Alexander Schröder-Frerkes


von Siegmar Rothstein

Sie sind seit etwa zehn Jahren Chairman der Amerikanischen Handelskammer (Amcham) der NRW Abteilung. Welche Aufgaben hat Amcham? Welche Ziele werden verfolgt?

Amcham ist die zweitälteste bilaterale Handelskammer der Welt. Sie ist seit 115 Jahren in Deutschland und vertritt in erster Linie die Interessen der amerikanischen Unternehmen in Deutschland. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Aufgabenspektrum erweitert. Amcham sieht nun auch ihre Aufgabe in der Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen im wirtschaftlichen Bereich. Wichtig ist der Ausbau der menschlichen Kontakte. Hierzu haben die vielen amerikanischen Soldaten beigetragen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland stationiert waren. Sie gingen in die USA zurück und haben sehr positiv über Deutschland berichtet. Nachdem die Soldaten nicht mehr in Deutschland sind, pflegen wir den Austausch von Schülern, Studenten und auch Berufstätigen.

Das Magazin Economist sieht in Amcham den effektivsten Lobbyisten in Brüssel. Wie wird diese Handelskammer tätig?

Dieses Kompliment ist neu für mich, freut mich aber. Amcham in Deutschland fördert an sich nur die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Aber auch die anderen Staaten Europas haben bilaterale Beziehungen zu Amerika. Wir haben uns entschlossen, die Aktivitäten aller Amchams in Europa zu bündeln, um gemeinsam im europäischen Bereich aktiv zu werden. Hierbei haben wir offenbar einen guten Eindruck gemacht. Die überwiegende Gesetzgebung kommt schließlich aus Brüssel und wird in den Einzelstaaten lediglich umgesetzt.

Hat die Wahl des amerikanischen Präsidenten Donald Trump Auswirkungen auf die Arbeit der Amerikanischen Handelskammer in Düsseldorf?

Das Verhalten des amerikanischen Präsidenten ist ungewöhnlich, es entspricht nicht unserer politischen Kultur. Die Stimmung ist daher nicht besonders gut und es ist schwierig, sich für amerikanische Belange einzusetzen. Amcham macht sich daher Sorgen über das Aufschaukeln von Konflikten. Die AmCham bekommt jetzt auch viel positives Feedback. Wir sehen uns bestärkt in der Einschätzung, dass gerade in Zeiten, in denen es auf der politischen Ebene schwerer wird, die Aufgabe der Wirtschafts- und Gesellschaftsinstitutionen umso wichtiger wird.

Schadet die Politik Donald Trumps bestimmten Unternehmen in Deutschland, vielleicht auch solchen in Düsseldorf? 

Die Absicht, amerikanische Schutzzölle zu erheben, wird offenbar zur Zeit nicht verfolgt. Das ist auch mein gegenwärtiger Kenntnisstand. Die Einführung eines Schutzzolls (Border Tax) hätte auch den USA geschadet. Er macht auch amerikanische Waren teurer. Die Überlegung, eigene Unternehmen dadurch zu schützen, dass man ausländische Konkurrenz draußen hält, funktioniert nicht. Dazu sind die Unternehmen international zu stark miteinander verflochten. Border Tax oder andere protektionistische Maßnahmen wären für Deutschland als Exportland eine Katastrophe. Sie würden auch Düsseldorfer Unternehmen betreffen. Bisher ist aber außer verbalen Attacken nichts geschehen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA sind hervorragend.

Die Amerikanische Handelskammer gehört zu den Befürwortern eines transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP). Gibt es noch eine Chance, die Länder der Europäischen Union und der USA zu einer Freihandelszone zu vereinen? Warum konnte man sich nicht einigen?

Es gibt Anzeichen, dass diese Freihandelszone noch nicht gestorben ist, jedenfalls hat sie der amerikanische Präsident bisher nicht für tot erklärt. Er will lediglich neu verhandeln. Man glaubt aber nicht, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren gelingt. An sich müsste es zu einer solchen Freihandelszone kommen. Obwohl Deutschland am meisten von TTIP profitieren würde, hat es maßgeblich zum Scheitern beigetragen. Das ist absurd, denn für uns als Exportland ist es äußerst wichtig, dass wir Zugang zu den Märkten und verlässliche Industriestandards haben. Amerika hat einen sehr großen Binnenmarkt, es ist nicht so sehr wie wir auf Exporte angewiesen. Angefangen von der Diskussion über das Chlorhühnchen bis zu Bedenken, dass amerikanische Konzerne die Demokratie in Deutschland geradezu gefährden, haben die Deutschen ablehnend und falsch argumentiert. Sie haben sich gegen den beabsichtigten Investitionsschutz gewehrt, obwohl er in vielen anderen Abkommen enthalten ist. Sie haben die Schiedsklauseln abgelehnt, obwohl sie im Einzelfall viel praktischer und kostengünstiger als Gerichtsentscheidungen sind. Schließlich entstand eine ablehnende Grundstimmung und die Politik hat sich der negativen Argumentation angeschlossen. Das ist äußerst bedauerlich, da Freihandel in der Vergangenheit stets zu wirtschaftlichem Wohlstand der beteiligten Länder geführt hat.

Zwar war das Verhältnis zwischen den amerikanischen Präsidenten und den deutschen Bundeskanzlern in der Vergangenheit nicht immer frei von Spannung, gegenwärtig haben sich die Beziehungen aber erheblich verschlechtert. Zahlreiche Beobachter halten sie sogar für zerrüttet. Gibt es Hoffnung auf Verbesserung oder bleibt die Situation mindestens so lange, wie Trump Präsident der USA ist?

Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten. Das Verhältnis auf der obersten politischen Ebene war schon besser. Wir müssen mit Donald Trump leben, er wurde demokratisch gewählt. Die gegenwärtige nicht erfreuliche Stimmung wird aber überbewertet. Entscheidend ist, dass das darunter liegende Geflecht von besonders guten wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen nicht beeinträchtigt ist.

Gelegentlich wird sogar befürchtet, dass Trump zu der an sich längst überwundenen amerikanischen Politik des Isolationismus zurück finden könnte. Teilen Sie solche Befürchtungen? Jedenfalls könnte es für Europa und natürlich auch für Deutschland nachteilig sein, wenn die USA uns den Rücken zukehren. Hätten sich die USA nach dem Ersten Weltkrieg nicht bewusst von europäischen Angelegenheiten abgewandt und sich stattdessen wie nach dem Zweiten Weltkrieg in die europäische Politik eingeschaltet, hätte Europa und vor allem Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wahrscheinlich eine bessere Entwicklung genommen.

Das kann ich nur unterstreichen. Jede Form von Isolationismus macht keinen Sinn. In den USA sehe ich diese Gefahr nicht. Sollte ein amerikanischer Präsident derartige Pläne haben, würde das amerikanische System der Gewaltenteilung, den Checks and Balances, diese durchkreuzen. Trotz der großen Machtfülle, die die Verfassung dem amerikanischen Präsidenten zubilligt, kann er die Politik nicht allein gestalten. Bereits im ersten Jahr der Präsidentschaft Trumps hat es Gegenbewegungen gegeben. So hat der Kongress die beabsichtigte Gesundheitsreform verhindert, die Gerichte haben die Abschottung gegen bestimmte Einwanderer eingeschränkt und bestimmte Städte halten sich noch an das vereinbarte Klimaabkommen, obwohl der amerikanische Präsident den Austritt erklärt hat.

Inzwischen wird Trump auch von republikanischen Senatoren kritisiert. Der ehemalige republikanische Präsident Georg W. Bush hat in einer eindrucksvollen Rede mit Trump abgerechnet. Namhafte Psychiater und Psychologen haben vernichtende Urteile abgegeben. Wird der amerikanische Präsident noch lange Donald Trump heißen?

Charakter und Auftreten Donald Trumps wurden in den USA schon diskutiert, bevor er überhaupt Präsident wurde. Man glaubte auch nicht, dass er Präsident würde. Es ist schwierig die Dauer seiner Präsidentschaft vorherzusagen. Im nächsten Jahr gibt es in den USA Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus. Wenn dann die Demokraten gewinnen, wird es für Trump schwieriger. Gegenwärtig hat er theoretisch noch die Mehrheit, obwohl er sich von seiner Partei entfernt hat.

Es ist auch keineswegs ausgemacht, dass nach Trump alles besser wird. Sein möglicher Nachfolger, der jetzige Vizepräsident, ist in seinen Sichtweisen und politischen Visionen für uns sogar noch problematischer.

Deutschland verdankt den USA nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viel. Marshallplan, Überwindung der Berlinblockade, Unterstützung bei der Wiedervereinigung. Man kann den Eindruck gewinnen, dass dieses Verhalten der USA gänzlich vergessen wird, wenn Kritik, auch wenn sie im Hinblick auf geführte Kriege und die Nahostpolitik berechtigt ist, geradezu in Antiamerikanismus umschlägt.

Den wachsenden Antiamerikanismus kann ich leider nur bestätigen. In meiner Generation war man noch dankbar. Man muss nicht ewig dankbar sein, aber man sollte sich doch vergegenwärtigen, dass wir es gerade den Amerikanern zu verdanken haben, vom Nationalsozialismus befreit worden zu sein. Ohne den Marshallplan hätte sich Deutschland wirtschaftlich nach dem Zweiten Weltkrieg so schnell nicht erholt. Deshalb müssen wir jedoch nicht unterwürfig sein. Wir müssen aber nicht oberlehrerhaft jeden Fehler der USA sofort an den Pranger stellen.

Wir haben unterschiedliche Sichtweisen. Für uns ist es unverständlich, dass jeder in den USA Waffen besitzen kann, für Amerikaner ist es unverständlich, dass man auf deutschen Autobahnen 300 Stundenkilometer fahren kann. Uns sollte immer wieder bewusst sein, dass vor allem die Politik der USA nach dem Zweiten Weltkrieg die Einführung unserer rechtstaatlichen Demokratie mit ihrer Werteordnung möglich gemacht hat. Daher empfehle ich einen offenen, partnerschaftlichen Umgang auf Augenhöhe, um die gemeinsamen Werte wie Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung zu schützen und weiterzuentwickeln.


Kurzvita

Alexander Schröder-FrerkesAlexander Schröder-Frerkes wurde 1960 in Düsseldorf geboren. Nach Jurastudium, Promotion und einem ergänzenden Studium des internationalen Rechts an der katholischen Universität in Leuven mit LLM Abschluss, Tätigkeit bei einer Anwaltssozietät in Chicago. Dort begann sein großes Interesse für die USA und das Basketballspiel, er war mehrere Jahre Aufsichtsratsvorsitzender des Basketballvereins Düsseldorf Giants. Er ist Partner einer großen Anwaltskanzlei, 2007 bis 2014 war er dort Managing Partner, Mitglied des Global Management Commitees und Head der internationalen Corporate Practice Group. Er ist aktives Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Vereinigungen. Seit 2008 ist er Chairman der Amercan Chamber of Commerce (Abteilung NRW). 2001 wurde er in den Beirat des Flughafens Düsseldorf berufen. Er hält regelmäßig Vorträge und ist Autor mehrerer Buchveröffentlichungen. Für seine Verdienste um den Ausbau der deutsch-amerikanischen Beziehungen erhielt er 2010 das Bundesverdienstkreuz. Dr. Schröder-Frerkes wohnt in Meerbusch.


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