PETER SCHWICKERATH
SKULPTUR, VOM RHEIN ZUM SÜDATLANTIK

Arten von Stahl wechseln sich ab, Edelstahl, Cortenstahl, Walzstahl und vielfach industriell gefertigte T-Träger. Die Oberflächeneffekte sind materialbedingt glänzend silbern, rostbraun, gelegentlich auch mit Patina versehen. Einige neuere Arbeiten leuchten in warmem rot oder gelb – hier verbirgt die deckende Pulverfarbe die Eigenschaften des Materials und eventuelle Spuren des Prozesses.

„Das spielende Auseinandersetzen mit der Form ist wichtig, das ist gleich, ob groß oder klein. Das Haptische, das Gefühl für das Material bekommt man wenn man damit arbeitet. Die Masse, das Gewicht spielt auch eine erhebliche Rolle, und die Summe der Farbe,“ erklärt Peter Schwickerath.

Wohlbemerkt handelt es sich um ein Material von ausschlaggebender Masse und Gewicht, das unter extremen Konditionen und Höchsttemperaturen bearbeitet wird. Wo je nach Größe Werke gern zwischen zwei und zwanzig Tonnen wiegen.

„Wie kriege ich es spannend,“ ist die selbstgestellte Frage die im Raum wiederhallt und man in den Werken beantwortet sieht. Mit ansteckender Begeisterung zieht Peter Schwickerath uns in den Bann der Potentiale dreidimensionaler Objekte und deren Komposition.

„Nach Möglichkeit entsteht alles aus einem Stück, oft ein quadratisches Stück.”

So ist der Großteil der Kompositionen auf eine einzelne Grundform zurückzuführen: Die ursprüngliche Form einer Stahlbramme kann man als zweidimensional betrachten; durch den künstlerischen Eingriff aber öffnet, dreht oder wendet sie sich und die Dimensionen vermehren sich.

„Wie mache ich aus einer Fläche einen Körper; der Körper entsteht durch Auffaltung, Schlitzung, Trennung, Drehung, Knickung, Ausschneiden, Einsetzen, Aufsetzen, Durchdringen.”

Die gezielten Interventionen kreieren Dynamik und Spannung zwischen den einzelnen Teilen die eine neue Form als Eines, ein kompositionales neues Ganzes darstellen, ihren Bezug zur Grundform aber nicht verloren haben. Sobald man dieses Prinzip verstanden hat lässt einen der Drang zum Mitspielen nicht mehr los. Bewusst oder unterbewusst sucht man die Originalform zu erkennen und beginnt das Werk somit auf mehreren Ebenen zu erfahren.

„Es hat eine gewisse formale Strenge, die man eingehen kann aber nicht eingehen muss. Für mich ist sie wichtig, weil man theoretisch mit Stahl fast alles machen kann. Ich habe mich dann überwiegend auf das Quadrat als Ausgangsbasis beschränkt und die Zylinder- und Kreisform als geometrische Grundform.“

Einbezogen in die Komposition ist aber oftmals nicht nur das materiell Dargestellte sondern auch sein Gegenteil, der Hohlraum. Durch präzise Fräsungen werden aus zwei Säulen – die vormals eine waren – drei. Die dritte, ‘imaginäre’ die die ersten beiden schneidet oder durchdringt, ist sichtbar gemacht durch seine Konturen eingeschnitten in die anderen und genauso präsent.

„Es ist ein Spiel der Formen gegeneinander. Man muss sich damit auseinandersetzen. Das ist eine sinnliche Angelegenheit, Stahl ist sehr sinnlich, man muss es fühlen. Das Interessanteste und Spannendste ist mit den einfachsten Mitteln zu arbeiten. Am Liebsten arbeite ich in massivem Material.“

Manche kleinere Arbeiten, die immerhin eine Spanne von 1–2 Metern haben mögen, sind Modelle für größere Werke, die dann 12 oder 20 Meter hoch sein können. Dabei gibt die Perfektion der Balance und die Spannung im Feld oft das Gefühl einer serenen Schwerelosigkeit, als sei das Werk getragen von unsichtbaren Kräften.

„Bis 1 ½ Tonnen kann ich alles bei mir im Atelier machen, darüber hinaus brauche ich eine Fabrik mit großen Glühöfen; bei zwei oder 15 Tonnen braucht man einen Kran um die Teile zu bewegen. Zur Bearbeitung kommt der Stahl weißglühend aus dem Ofen und man hat maximal 1 ½ Stunden um damit zu arbeiten, bevor er auf 800 Grad abgekühlt ist – zu ‚kalt’ um noch verformt werden zu können.“

Peter Schwickerath vergleicht den Formungsprozess von 20 Tonnen Stahl der in Glühöfen erhitzt wird und dann mit 20.000 Tonnen schweren Pressen gepresst wird, mit Kuchen backen. Parallele Prinzipien, verschiedene Dimensionen. Man spürt wie der Prozess ihm zu Eigen geworden ist.

Zu dem Thema infiniten Möglichkeiten gesellt sich das Thema der Endlosigkeit. Zeit und Zeitlosigkeit, Unvergänglichkeit kommen ins Spiel. Ein fünfzig Jahre junges Werk verbringt gerade ein paar seiner Jugendjahre im persönlichen Skulpturengarten des Künstlers. „Die überdauern uns die nächsten 500 Jahre…“ Dazu kommt der Aspekt Öffentlichkeit. Viele Peter Schwickeraths Arbeiten stehen im öffentlichen Raum. So teilt er seine Kunst mit möglichst vielen von uns, heute und in Zukunft.

1942 in Düsseldorf geboren – als achtes Kind von neun mit sieben Schwestern – kam der junge Mann zur Kunst via einem Maschinenbaupraktikum in Berlin. Rückkehrend studierte er 1964 Bildhauerei an der Folkwang-Schule in Essen bevor er zur Düsseldorfer Kunstakademie unter Norbert Kricke wechselte. 1968 war er bereits freischaffender Künstler mit eigener Familie. Am Rande der Ruhrgebiets war und ist Düsseldorf mit Stahl gut verbunden, heute noch liegt das Stahlzentrum Europas in Duisburg.

Im Laufe seiner umfangreichen Karriere hat Peter Schwickerath neben seinem eigenen Werk innovative und großformatige Initiativen organisiert um Kunst der Gesellschaft nahe zu bringen. So rief er 1980 „Das ambulante Museum I und II, Kunst in Unternehmen“ ins Leben: „In diesem Rahmen brauchte der Betrachter nicht ins Museum zu gehen, sondern das Museum kam zu ihm an den Arbeitsplatz und somit die Kunst aus dem behüteten musealen Raum in die selbstverständliche Umwelt des Alltags.“

1988, zur 700 Jahr Feier Düsseldorfs organisierte Peter Schwickerath die Ausstellung „Kunstachse – Skulptur D-88” – die mehr als 40 Kunstobjekte auf einer 1.5 km lange Achse zwischen Kunsthalle, Kunstsammlung NRW, Kunstakademie, Kunstmuseum und Kunstpalast platzierte.

Die größte Konzentration Peter Schwickeraths Werke außerhalb Deutschlands finden wir heutzutage in seiner zweiten Heimat Uruguay. Die Folgenden aber sind in Düsseldorf und zählen zu Wahrzeichen der Stadt.

PETER SCHWICKERATH SKULPTUR VOM RHEIN ZUM SUeDATLANTIK 1, , PETER SCHWICKERATH SKULPTUR, VOM RHEIN ZUM SÜDATLANTIK 1

Oberkassel Rheinwiesen:
Durchdringung 78, (1978)

Dieses Werk war im Rahmen der Winterausstellung 1978 (heute Grosse Düsseldorfer) ausgestellt, worauf der Ankauf durch die Stadt Düsseldorf folgte. Peter Schwickerath konnte sich den perfekten Standort in der Nähe der Oberkasseler Brücke selbst aussuchen. Seither neigen sich vor dem Hintergrund des endlos ströhmenden Rheins zwei silber glänzende Edelstahlzylinder mit konkaven Aushöhlungen diagonal zueinander. Doch sind es nicht zwei sondern drei: die diagonal geschnittenen Hohlräume in den beiden bereits diagonal positionierten Zylindern beschreiben exakt die Form eines 3. Zylinders derselben Größe.

PETER SCHWICKERATH SKULPTUR VOM RHEIN ZUM SUeDATLANTIK 4, , PETER SCHWICKERATH SKULPTUR, VOM RHEIN ZUM SÜDATLANTIK 4

Nordpark : Knickung (1978)

Durch das kaltverformte ‘Knicken’ im ca. 25 Grad Winkel einer Seite wird das zweidimensionale dreimensional. Der Kurs der Linie ändert sich und das Rechteck wird trapezförmig, obgleich es ein Rechteck bleibt und der Schatten je nach Einstrahlung geradlinig verläuft als sei nichts passiert.

PETER SCHWICKERATH SKULPTUR VOM RHEIN ZUM SUeDATLANTIK 2, , PETER SCHWICKERATH SKULPTUR, VOM RHEIN ZUM SÜDATLANTIK 2

Kaiserpfalz in Kaiserswerth: Im Kontext (2014)

Geschnitten aus einer einzigen Stahlbramme entfalten sich die begehbaren Bögen und die liegende Platte aus der Grundform eines einzigen Rechtecks.

PETER SCHWICKERATH SKULPTUR VOM RHEIN ZUM SUeDATLANTIK 3, , PETER SCHWICKERATH SKULPTUR, VOM RHEIN ZUM SÜDATLANTIK 3

Lantz’scher Park:
Dreiteilige Vertikale II (2014)

Ein T-Träger in drei Teile geteilt, die Teile ineinandergesteckt und miteinander verschweißt, ragt graziös dem Himmel entgegen.

Zeitlos, frei, unbeschwert und selbstverständlich räkelt sich die „Dreiteilige Vertikale II” vor uns nach oben. Einmal drei T-Träger oder dreimal ein T-Träger, 7 m hoch.

„Ausschlaggebend für meine Entscheidung, die Arbeit zu realisieren, ist das spielerisch überraschende Moment – trotz aller formalen und rationalen Begründungen wie Material und technische Umsetzung. Wichtig ist für mich, den Betrachter spielerisch mitzunehmen.“

Peter Schwickerath kam mitten im Krieg am 2. November, Allerseelen, zur Welt. Dieses Jahr 2024 sind es sechzig Jahre dass er durch sein Werk Präsenz, Beständigkeit, Dauerhaftigkeit, Solidität, Aeternität, Balance, Sinnlichkeit, Spannung und Ruhe, Elementare Existenz und infinite Möglichkeiten spielerisch in klare physische Form bringt und anschaulich greifbar, sinnlich fühlbar macht.

 

Uscha Pohl

Die nächste Solo Ausstellung Peter Schwickerath eröffnet am 9. Juli 2024 bei Beck & Eggeling  — Bilker Straße 4-6 40213 Düsseldorf

„Stahl Konkret” Peter Schwickerath in der Carlernst Kürten-Stiftung in Unna : 12. Mai 2024 – 15. September 2024 

Von Düsseldorf die geographisch naheliegendsten öffentlichen Werke sind „Stahldurchdringung massiv”, 2022, Herne, Skulpturenpark Flottmann, und „Doppelfaltung fuer Unna”, 1989, Unicampus Unna.

www.peterschwickerath.de