„Es ist mein Ziel, den Malkasten zu einem Ort zu machen, an dem das Gespräch im Mittelpunkt steht und unterschiedliche künstlerische Positionen aufeinandertreffen.”
Christoph Westermeier, 1. Vorsitzender des Künstlervereins Malkasten,im Gespräch mit Thomas Majevszki
Guten Morgen Christoph, bitte erzähle uns etwas von Dir und von Deinem künstlerischen Hintergrund.
Mein Name ist Christoph Westermeier. Ich bin dieses Jahr 40 Jahre alt geworden und habe mir gedacht, dass das genau das richtige Alter ist, um neue Herausforderungen anzugehen. Ich bin bereits seit zwei Jahren im Vorstand und habe mit Melanie Richter eine wunderbare Kollegin an meiner Seite, die als 2. Vorsitzende agiert. Es ist mir sehr wichtig, in einem Team zu arbeiten, das harmoniert. Melanie und ich sind beide Künstler und decken in unseren künstlerischen Ausbildungen verschiedene Bereiche der Kunst ab. Ich arbeite vorwiegend mit Fotografie. Ich bin jedoch kein klassischer Fotograf, sondern ein bildender Künstler, der von 2004 bis 2010 an der Kunstakademie studiert hat. Mein Studium habe ich bei Thomas Ruff begonnen und von ihm gelernt, wie sich die Fotografie vom Analogen zum Digitalen wandelt und sich dabei selbst hinterfragt. Dieses kritische Hinterfragen des Mediums hat mich stark geprägt.
Meinen Abschluss habe ich dann bei Christopher Williams gemacht und arbeite seither als bildender Künstler in Düsseldorf. Nach einem zweijährigen Postgraduiertenstudium in Amsterdam wusste ich nicht genau, wohin ich wollte. Doch dann erhielt ich den Förderpreis des Landes NRW, was einer Einladung gleichkam, nach Düsseldorf zurückzukehren und mich hier voll einzubringen. Daraufhin erhielt ich auch den Förderpreis der Stadt, was meine Entscheidung, hierher zurückzukehren, bestätigte. Seit 2018 bin ich Mitglied des Malkastens, war jedoch eher passiv. Doch durch die lebhaften Diskussionen und Auseinandersetzungen um den Malkasten, der einen großen sozialen und künstlerischen Beitrag zur Stadtgesellschaft in Düsseldorf leistet, wurde mein Engagement stärker. So wurde ich in den Vorstand gewählt und bin nun seit einem Monat und ein paar Wochen 1. Vorsitzender.
Der Malkasten wurde immer sehr stark von den jeweiligen Vorsitzenden geprägt. Lange Zeit war es Robert Hartmann, danach gab es unter Tony Cragg eine Neuausrichtung von Schwerpunkten und Aktivitäten. Was hast Du für die Zukunft des Malkastens geplant? Was soll passieren?
Der Malkasten ist 175 Jahre alt. Wir sind uns unserer Geschichte bewusst, schauen aber nach vorne und wollen mit dem Wissen um die Geschichte die Zukunft gestalten, indem wir der Gegenwart Raum geben. Der Malkasten wurde 75 Jahre nach der Kunstakademie gegründet. Dies war kein zufälliges Datum, sondern wurde bewusst gewählt. Im 19. Jahrhundert, 75 Jahre nachdem die Akademie eine der führenden Akademien wurde, brauchten die Kunstschaffenden einen Ort, an dem mehr als nur das Zeigen von Kunst stattfinden kann – ein Ort des sozialen Miteinanders und des interaktiven Austauschs.
So wurde der Malkasten gegründet, mit der historischen Verantwortung, mit der Akademie und den Künsten zusammenzuarbeiten und als Bindeglied in die Stadtgesellschaft zu fungieren. Nicht nur durch Ausstellungen, sondern durch Veranstaltungen, Diskussionsrunden und Begegnungsmomente, bei denen Künstler:innen jeglicher Altersgruppe, diverser Medien und künstlerischer Hierarchie miteinander reden und kommunizieren können. Es ist mein Ziel, den Malkasten zu einem Ort zu machen, an dem das Gespräch im Mittelpunkt steht und unterschiedliche künstlerische Positionen aufeinandertreffen. Ich bin stolz darauf, dass wir in den letzten Jahren den Anteil der studentischen Mitglieder deutlich gesteigert haben. Das ist besonders, weil Studierende normalerweise andere Prioritäten haben. Wir haben es geschafft, dass sie den Malkasten als interessant empfinden und aktiv teilnehmen. Auch viele Mitglieder, die in den letzten Jahren ausgetreten sind, sind nun wieder zurückgekommen. Diese gemeinsame Kraft der bildenden Künste möchte ich nutzen, um als Bindeglied in die Stadtgesellschaft zu wirken.
„Kunst bedeutet, etwas Neues zu finden, das dann zum Trend wird."
Es gab eine Zeit, in der der Malkasten relativ lange in einem Dornröschenschlaf verharrte, aus dem er seinerzeit von Klaus Rinke geweckt wurde. Er schaffte es, viele Studenten und junge Leute anzuziehen, was den Start einer spannenden Zeit mit vielen interessanten Veranstaltungen und Diskussionen markierte. Was genau stellst Du Dir vor, um diesen Erfolg zu wiederholen?
Mit dem Künstlerkeller, der lange Zeit wegen baulicher Mängel nicht zugänglich war, haben wir einen wunderschönen Ort für Veranstaltungen. Dort können wir verschiedenste Aktivitäten durchführen. Ich sehe darin die Möglichkeit, den Geist der Akademie zu beleben und diesen Ort für deren Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Meinst Du die ehemalige Beuys-Bar oder die großen Kellerräume?
Ich meine den großen Keller, denn die ehemalige Beuys-Bar hat einige Probleme mit dem Brandschutz. Aber das sehe ich eher als einen internen Vereinsmoment, den man reaktivieren muss. Wir haben das Malkastenforum, das Ende des Jahres eröffnet wird. Es wird mit einer Ausstellung von Thomas Ruff eingeweiht und stellt damit auch eine signifikante Veränderung dar. Der Malkasten wird enorm erweitert, weil wir einen großen Ausstellungsraum, einen Seminarraum und ein Clubraum haben werden, in denen sich die Mitglieder treffen und austauschen können. Es gibt Arbeitsgruppen, in denen Vorstandsmitglieder wie Sebastian Riemer und Melanie Richter Konzepte entwickeln.
Wir haben zudem den großartigen Park und das Jacobihaus, das bereits aus seinem Dornröschenschlaf erwacht ist. Letztes Jahr haben wir die Jubiläen der Kunstakademie (250 Jahre) und des Malkasten (175 Jahre) genutzt, um diese enge Verbindung durch drei Ausstellungen zu zeigen. Eine Veranstaltung, die ich hervorheben möchte, war „Don’t you fear the void“, eine Ausstellung, die die feministische Geschichte der Akademie erzählt hat. Sechs Studierende haben da Aufbauarbeit geleistet und ihre künstlerischen Forschungen im Malkasten präsentiert. Der Malkasten war ein Austragungsort für etwas, das in der Akademie passierte. Das Jacobihaus war den ganzen Oktober über rappelvoll, so sehr, dass die Leute fast aus dem Fenster gefallen sind.
Diese Möglichkeit des Jacobihauses, den Studierenden einen Raum zu bieten, in dem sie sich außerhalb institutioneller Mauern bewegen können, wird auch von anderen Vorstandsmitgliedern wie Evamaria Schaller, die lange an der Akademie unterrichtet hat und Performances organisiert, stark vorangetrieben. Sebastian Riemer sorgt dafür, dass sich unsere älteren Mitglieder, die nicht mehr an der Akademie studieren, nicht ausgegrenzt fühlen. Deshalb bieten wir ein generationsübergreifendes Programm an, das sich in der Bar im Lido, der Vitrine im Hentrich Haus und dem großartigen Videoprogramm von Myriam Thyes, sowie in anderen Veranstaltungen im Jacobihaus und dem neuen Malkastenforum widerspiegelt. Im November wird das Forum eröffnet und wir zeigen dort die Leuchtturmprojekte, die den Malkasten ausmachen. Die Ausstellung meines ehemaligen Professors Thomas Ruff zu eröffnen, ist für mich als Künstler eine große Freude. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Ausstellung wurde schon von Tony Cragg kuratiert, und ich bin ihm dankbar, dass er mich so gut eingearbeitet und mir einen gut funktionierenden Verein überlassen hat.
Tony Cragg ist weiterhin im Vorstand. Der gesamte Vorstand setzt sich wie folgt zusammen: Ich bin 1. Vorsitzender, Melanie Richter ist 2. Vorsitzende und im Verein sind immer fünf Künstler aktiv. Zu diesen gehören Sebastian Riemer, der neu im Vorstand ist und als Fotograf arbeitet, Evamaria Schaller, eine Performancekünstlerin, und Myriam Thyes, eine Videokünstlerin, die bereits im letzten Vorstand aktiv war. Diese Kontinuität ist wichtig für uns. Zudem haben wir Harald Klingelhöller, der viele Jahre als Professor in Karlsruhe tätig war und somit viel Erfahrung in Gremienarbeit mitbringt. Tony Cragg muss nicht vorgestellt werden; er war die letzten zwei Jahre erster Vorsitzender und ist international renommiert. Wenn man den Vorstand betrachtet, sieht man, dass alle künstlerischen Disziplinen vertreten sind. Wir decken ein breites Spektrum ab, von einem 40-jährigen Vorsitzenden – ich bin der jüngste in der Geschichte des Vereins – bis hin zu erfahrenen und emeritierten Professoren. Zum Vorstand gehören auch noch unser Justiziar Gisbert Schnurbusch, Josef Ingenillem (Schatzmeister), unser Hausvogt Axel Walger und der Gartenvogt Jörg Baumann. Das ist es, was den Malkasten ausmacht.
Wie Du bereits erwähnt hast, bieten die Räume, der Park und das gesamte Umfeld eine Vielzahl an Möglichkeiten. Der Ort war auch immer sehr wichtig für die Musikszene. Welche Rolle oder welchen Platz würdest du zukünftig Gattungen wie Literatur, Musik und angrenzenden Bereichen wie Ballett und Tanz einräumen?
Die spartenübergreifenden Kunstveranstaltungen sind natürlich ein wichtiger Bestandteil des Malkastens. Mit der Wiedereröffnung des Künstlerkellers im großen Haus gibt es eine wunderschöne Tanzfläche und damit die Möglichkeit, elektronischer Musik eine Bühne zu bieten. Im Theatersaal können klassische Gesangsdarbietungen stattfinden. Unter Tony Cragg haben wir bereits mit Literaturveranstaltungen begonnen, es gab Gespräche und Lecture Performances, und Künstler:innen aus dem Ausland, die in Nordrhein-Westfalen ausstellten, bekamen die Gelegenheit, hier über ihre Arbeiten zu sprechen. Man kann dabei auch unkonventionell sein.
Ich kam durch die WG/3ZI/K/BAR von Markus Ambach und Birgit Jensen zum Malkasten, die diese WG über zehn Jahre lang betrieben haben, während ich an der Akademie war. Für mich bedeutete Malkasten damals, einmal im Monat ins Jacobihaus zu gehen, schräge japanische Punkgruppen zu erleben und Vorträge über Autobahnschilder zu hören. Das alles gehört zur Kunst dazu. Die WG/3ZI/K/BAR kann man nicht kopieren oder neu beleben, das war einzigartig. Aber man kann den Spirit, den Künstler:innen entfalten, greifen und beleben, und das ist dann spartenübergreifend. Wir sind ein Verein mit einer 175-jährigen Tradition und Verankerung im Bürgertum. In einem der Bücher des letztjährigen Nobelpreisträgers Jon Fosse wird dies auch erwähnt. Er lässt in einem seiner Bücher den Malkasten als Ort auftauchen, womit er auch in der Literaturgeschichte mittlerweile mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde.
Jetzt ist Düsseldorf ja nicht nur regional, auch überregional, teilweise sogar international ein Begriff. Düsseldorf steht dabei für unter anderem Fotografie, aber eben auch, wie von Dir gerade erwähnt, elektronische Musik. Beide haben nicht wirklich einen Ort, an dem man regelmäßig und kontinuierlich Veranstaltungen durchführen kann. Siehst Du den Malkasten vielleicht auch hier in der Verantwortung?
Ich sehe da eine Verantwortung. Bei der Musik stoßen wir jedoch an Grenzen, da wir in einer wohlhabenden Nachbarschaft liegen, die auf Ruhe bedacht ist. Auch bei der Nutzung des Künstlerkellers können wir nicht völlig frei agieren, sondern müssen mit Lido, unserem Pächter, kooperieren und die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen. Wir müssen die Balance halten zwischen den verschiedenen Interessen. Aber dass es einen Ort geben muss, an dem Musik stattfindet, ist klar. Ebenso braucht die Fotografie einen Ort für den Diskurs. Das sehe ich als erster Vorsitzender so, weil ich mit dem Medium arbeite und unser neues Vorstandsmitglied Sebastian Riemer ebenso. Kurz nach unserer Wahl konnten wir eine Ausstellung im Rahmen von Düsseldorf photo+ eröffnen, die Fotografie aus ganz neuen Perspektiven zeigte. Wir haben Künstler aus ganz Europa eingeladen, wodurch deutlich wird, dass Fotografie mehr ist als nur die Düsseldorfer Schule. Sie ist diverser und komplexer, was uns zu thematisieren wichtig ist.
Der Malkasten ist durch unsere Arbeit natürlich interessanter für Fotografie geworden. In der Landeshauptstadt gibt es einen Stammtisch für Fotografie, bei dem sich Interessierte und Künstlerinnen und Künstler treffen. Dieser Stammtisch findet ungefähr einmal im Monat an wechselnden Orten statt. Bisher hat er einmal im Malkasten stattgefunden und ich möchte, dass dies häufiger geschieht. Der Malkasten sollte als Headquarter dienen und als wichtiger Partner im Diskurs über Fotografie in Düsseldorf agieren.
„Der Malkasten sollte als Headquarter dienen und als wichtiger Partner im Diskurs über Fotografie in Düsseldorf agieren."
Das klingt alles sehr spannend und ich glaube, die Stadt darf sich freuen auf das, was da noch kommt. Eine Frage noch zu Deiner Einschätzung: Düsseldorf im Kontext von Kunst, aber auch von elektronischer Musik und Fotografie, stand natürlich immer in Verbindung mit der Akademie. Die Akademie war einmal die wahrscheinlich bedeutendste Kunstakademie der Welt. Das hat sich ein bisschen geändert. Wie siehst Du die Entwicklung von Düsseldorf als Kunst- und Musikstadt in den letzten Jahren?
Das Besondere an Düsseldorf ist, dass die Stadt durch die Akademie 250 Jahre künstlerische Fluktuation erlebt hat. Das bedeutet, seit es die Akademie gibt, gibt es immer einen regen Zu- und Abzug von Künstlern. Das ist sehr wichtig, denn es ist nichts Statisches; wenn eine Person geht, bricht nicht das ganze System zusammen. Es funktioniert vielmehr dadurch, dass immer wieder neue Leute kommen und gehen.
Die Musik kommt aus der Akademie und wie eng sie miteinander verbunden sind, zeigt die Geschichte sehr deutlich. Ich unterrichte im O-Bereich der Akademie und merke, dass die Akademie nach wie vor international eine große Anziehungskraft hat. Die Akademie achtet darauf, nicht nur berühmte Namen als Professor:innen einzuladen, sondern legt auch Wert auf gute pädagogische Fähigkeiten. Sie verfolgt meiner Meinung nach einen klugen Mittelweg, indem sie renommierte internationale Künstler:innen mit guten pädagogischen Fähigkeiten kombiniert. Dadurch bietet die Akademie einen sehr interessanten Ausbildungsort für Kunst in der Mitte Europas.
Ich finde auch, dass die neue Rektorin, Donatella Fioretti, eine wirklich bewundernswerte Frau ist, die einen tollen Job macht und viel Weitsicht zeigt. Deshalb glaube ich, dass die Zukunft der Akademie sehr vielversprechend ist. An der Akademie wird auch die Avantgarde verhandelt, was bedeutet, dass man manchmal Dinge tut, die nicht leicht konsumierbar oder verständlich sind, weil sie irritieren und neu sind. Das führt retrospektiv zu dem, was die Kunst voranbringt. Man muss langfristig denken und darf nicht nur aktuellen Trends folgen. Kunst bedeutet, etwas Neues zu finden, das dann zum Trend wird. Dieser Anspruch sollte bestehen und die Akademie nimmt in meinen Augen diese Vorreiterrolle ein.
Düsseldorf eignet sich auch hervorragend als Stadt dafür. Wir sind die Landeshauptstadt und stehen in engem europäischen Austausch mit Städten wie Brüssel und Amsterdam, die beide nur zwei Stunden entfernt sind – und Berlin, das sechs Stunden entfernt ist. Ich verbringe mehr Zeit in Brüssel als in Berlin, weil es näher und interessanter ist. Paris ist auch näher als Berlin und das zeigt genau, wo Düsseldorfs Zukunft liegt und welche Aufgaben Düsseldorf hat. Ich habe in New York mitbekommen, dass die Leute natürlich alle Berlin kennen. Aber Rheinland und Düsseldorf sind keine Fremdwörter. Es ist nach wie vor ein sehr, sehr attraktiver Ausbildungsort und ein Ort, an dem zeitgenössische Kunst verhandelt wird.