„Im Boulevard kann ich machen, was ich will“
Interview mit dem Schauspieler Jaques Breuer
von Dr. Susan Tuchel
Sie stammen aus einer alten Schauspieler- und Künstlerdynastie. Ihr Urgroßvater war Opernsänger und Taufpate von Siegfried Wagner, dem Sohn von Richard und Cosima Wagner. Ihr Großvater Siegfried war an der Seite von Joseph Cotten und Orson Welles in „Der dritte Mann“ zu sehen. Was war mit Ihren Eltern?
Mein Vater Siegfried Breuer junior hat in „Die Deutschmeister“ mit der jungen Romy Schneider gespielt. Er war laufend auf Tournee. Meine Mutter, eine Französin, hat nach meiner Geburt zwar nicht mehr geschauspielert, aber trotzdem lebten mein Bruder Pascal und ich in einem Künstlerhaushalt und mussten uns dauernd auf etwas Neues einstellen. Auf Erziehung und feste Regeln haben meine Eltern nicht unbedingt den Fokus gelegt, auch die Ehe war problematisch. Die Folge war, dass ich Schwierigkeiten in der Schule bekam. Ich wollte möglichst schnell raus aus der Familie, arbeiten und mein eigenes Geld verdienen. Mein Vater hat mir dann geholfen, dass ich mit 16 Jahren die Aufnahmeprüfung bei der Otto-Falckenberg-Schule schaffte. Ab da fing mein Leben an: Ich konnte die Einöde von Erdinger Moos hinter mir lassen, in München leben und schauspielern – das, was ich immer wollte. Ich hatte die besten Lehrer und stand schon als Schauspielschüler in Brechts „Die Gewehre der Frau Carrar“ an den Münchener Kammerspielen auf der Bühne. Dann wurde ich Ensemblemitglied beim Bayerischen Staatsschauspiel, da war ich dann das Nesthäkchen.
Und Ihre Karriere beim Film?
Ich hatte schon als Kind des Öfteren vor der Kamera gestanden, das erste Mal mit sechs Jahren. Und immer wenn ich konnte, habe ich meinen Vater begleitet und viele Schauspieler kennengelernt, darunter auch O.W. Fischer. Dann ist der Filmproduzent Helmut Ringelmann auf mich aufmerksam geworden. Ringelmann war in Göttingen der Privatassistent meines Großvaters und hat mir bei meiner Fernsehkarriere geholfen.
Und für welche Karriere schlägt Ihr Herz?
Ich liebe Theater und Film, aber es sind sehr unterschiedliche Welten. Beim Film liebe ich die Art, wie man einen Film macht. Ich mag die Studioatmosphäre. Allerdings hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Man produziert heute unter großem Zeitdruck und muss wie eine Maschine funktionieren, das liegt mir nicht. Ich mache lieber kleine, feine Sachen wie beim Boulevard. Da kann ich machen, was ich will und das fordert mich. Boulevardtheater zu spielen ist technisch das Schwierigste, was es gibt. Und wenn es funktioniert und das Publikum begeistert ist, gibt mir das die größte Befriedigung.
Wie kamen Sie ans Theater an der Kö und seit wann kennen Sie René Heinersdorff?
Wir haben in den 80ern „Derricks“ zusammen gedreht. Wir spielten damals beide suspekte Verdächtige. Ich bewundere René als Schauspieler und dafür, dass ihm mittlerweile beim Boulevard keiner mehr das Wasser reicht. Mit dem Theater an der Kö fühle ich mich sehr verbunden und habe bereits drei Stücke dort gespielt. Das Stück „Funny Money“ ist beim Publikum so gut angekommen, dass René überlegt, es nächstes Jahr im Theater im Rathaus in Essen aufzuführen.
Haben Sie im Laufe der Jahre Lieblingsorte in Düsseldorf für sich entdeckt?
Auch wenn ich mit Leib und Seele Bayer bin, mag ich Düsseldorf sehr. Mit meiner Hündin Pipa, die im Frühjahr mit mir zusammen in der Künstlerwohnung auf der Hohe Straße gewohnt hat, habe ich immer neue Ecken entdeckt. Ich bin gerne die Kö entlanggeschlendert oder bin an den Rhein gegangen. Bei diesen Erkundungstouren habe ich meistens Hörbücher im Ohr, weil ich mich als Synchronsprecher immer wieder mit Filmen und Literatur beschäftige.
Sie sind einer der gefragtesten Synchronsprecher Deutschlands. Sie waren die deutsche Stimme von John C. Reilly im Kinofilm „Der Gott des Gemetzels“ und haben Viggo Mortensen in „Greenbook“ Ihre Stimme geliehen. Was bedeutet Synchronsprechen für Sie?
Das ist eine ganz besondere Art, in Literatur oder Filme einzutauchen. Ich suche immer nach Möglichkeiten, die Besonderheiten der Sprache auch in der Synchronisation rüberzubringen. Das fällt natürlich leichter, wenn es sich um englische und französische Filme handelt, aber ich habe auch schon chinesische und iranische Filme synchronisiert. Auch diese Filme möchte ich begreifen – das ist eine sehr gute schauspielerische Übung.
Sie haben einen französischen Vornamen, Ihre Mutter kommt aus der Normandie, gibt es dazu eine schöne Geschichte?
Meine Mutter hatte im Krieg als Krankenschwester in einem Lazarett gearbeitet und ist dann mit einem deutschen Arzt nach Deutschland gegangen. Um nicht als Kollaborateurin in Verdacht zu geraten, hat sie alle Brücken zu ihrer Familie abgebrochen. Vor 15 Jahren rief mich eine Frau an und sagte: „Ich bin Deine Tante.“ Sie hatte meinen Namen im Abspann eines Films gesehen und weil ich meiner Mutter so ähnlich sehe, hat sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich zu finden. Seitdem habe ich eine riesige Verwandtschaft in Paris und Rouen. Meine Tanten und 25 Cousinen und Cousins haben mich aufgenommen wie einen verlorenen Sohn.
Wofür engagieren Sie sich?
Für ein Ende der Massentierhaltung. Ich gehe auf Umweltschutz- und Greenpeace-Demos und unterstütze Hannes Jaenicke immer wieder bei seinen Umweltaktivitäten. Ich bin Mitglied bei Sea Shepherd, denn als Segler weiß ich sehr genau, wie es um den Fischbestand unserer Meere bestellt ist.
Was kommt nach „Schein oder Nichtschein“, wo Sie noch bis Ende Juni in der Komödie in Frankfurt zu sehen sind?
Danach geht es mit „1984“ auf Deutschlandtournee. Außerdem reise ich viel, um mir anzuschauen, wohin ich mich nach meinem letzten Bühnenauftritt zurückziehen möchte. Mein derzeitiger Auswanderungsfavorit ist die Algarve im Süden Portugals.
Kurzvita
Bereits mit 16 Jahren bestand der Österreicher Jaques Breuer (Jahrgang 1956) die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Otto-Falckenberg-Schule in München. Mit 18 Jahren war er das jüngste Ensemblemitglied im Residenztheater, dem Münchener „Resi“. Zu der klassischen Schauspielkarriere kam schnell die Filmkarriere hinzu. Bekannt wurde Breuer 1979 durch den ZDF-Abenteuer-Mehrteiler „Mathias Sandorf“. Danach folgte Rolle auf Rolle. Breuer spielte in 24 „Derricks“ und in 20 „Siskas“ mit, außerdem war er in zahlreichen TV-Serien wie „Der Alte“, „Ein Fall für zwei“, „Weißblaue Geschichten“ und im „Tatort“ zu sehen. Er spielte klassische Hauptrollen am Theater und tourt mit Musicals und Boulevard durch Deutschland und Österreich. Breuers zweite Profession ist das Synchronsprechen. Zu seinen bekanntesten Sprecherrollen gehören die des Aragorn (Viggo Mortensen) in der „Herr der Ringe“-Trilogie. Von 2012 bis 2015 lieh er Stephen Dillane als Stannis Baratheon in „Games of Thrones“ seine Stimme. Im Frühjahr war er in der turbulenten Komödie „Funny Money“ im Theater an der Kö zu sehen. Bis Ende Juni steht Breuer mit dem Stück „Schein oder Nichtschein“ in der Komödie in Frankfurt auf der Bühne.
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