„Ich will einfach malen, ich mag das.“
Ana Behnke, Akiko Stiebeling und Steffen Mischke im Gespräch mit Thomas Majeveszki, Foto: Steffen Mischke
Max Hölter, alias Max Pimpernelli hat von 2011 bis 2016 an der TU Dortmund bei Jan Kolata und von 2014 bis 2020 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Andreas Schulze studiert. Zwischen 2014 und 2023 beteiligte sich Max an zahlreichen Gruppenausstellungen, darunter vor allem auch Gemeinschaftsausstellungen mit Steffen Mischke, mit dem er seit 2015 das Künstler-Duo „Gebrüder Pimpernelli“ bildete. 2020 gewann er mit dem Bild „dancing clown“ den 74. Bergischen Kunstpreis, für den er sich in seiner handschriftlichen Typografie mit folgenden Worten bewarb: „Ich will einfach malen und, wenn möglich, auch die Kohle. Und ich will einfach daran glauben, dass man auch noch nur mit Bildern überzeugen kann.“ Nach zwei Aufenthaltsstipendien im Jahre 2021, die er in Bad Kreuznach und Altena verbrachte, stellte Max im August 2022 für den ansässigen Kunstverein in Soest aus. Im April 2023 startete er in seiner Wohngemeinschaft in Düsseldorf-Oberbilk die Ausstellungsreihe „Kunstraum im Klo“, den weltkleinsten Off-Raum für Kunst. Max hat sich am 4. Juli 2023 das Leben genommen.
Thomas Majevszki: Liebe Akiko, Liebe Ana, Lieber Steffen – über wen reden wir heute? Über Max Pimpernelli oder über Max Hölter?
Ana Behnke: Max Pimpernelli ist ein Pseudonym von Max Hölter in einer bestimmten Periode. Bei dem Namen „Pimpernelli“ hat Max sich auch immer so ein bisschen lustig über die Ernsthaftigkeit des Kunstbetriebs gemacht.
Ich kenne ihn als Gewinner des Bergischen Kunstpreises als Max Hölter.
Steffen Mischke: Ja, Bei der ersten Bewerbung hatte er sich so beworben, aber bei der zweiten schon als Max Pimpernelli. Damit bewegte er sich ein bisschen auf einer humoristischen Metaebene, auch malerisch. „Was heißt es, Künstler zu sein?“, was er ja auch bei seiner Abschlussarbeit an der Akademie zum Thema „Jobcenter“ thematisiert hat. A.B.: Genau, bei dieser Arbeit in Buchform gibt es ein paar Bilder zum Thema „Arbeitsamt“ und „Jobcenter“. Das bewegt sich oft auf einer Ebene der Lächerlichkeit.
Akiko Stiebeling: Sein plötzlicher Tod hat diese Ausstellung bitter nötig werden lassen. Als wir dem künstlerischen Nachlass gegenüberstanden, wurde uns nochmal mehr bewusst, dass sich seine Malerei durch eine außergewöhnliche Qualität und Intensität auszeichnet und unbedingt gezeigt werden muss.
S.M.: Immer, wenn ich ihn im Atelier besucht habe, war ich total überrascht von seiner gesamten Herangehensweise, von seinen malerischen Entscheidungen, von den Figuren inmitten des ganzen Chaos und seinen immer neuen Bilderfindungen. Solange ich ihn kannte, überraschte er mich mit seinen Bildern.
S.M.: Das stimmt, aber damit hatte er dann erst später angefangen. Er kam eigentlich aus der akademischen, figurativen Malerei. Also als ich ihn kennenlernte, war Oskar Kokoschka einer seiner Lieblingskünstler. Das hatte sich dann aber sehr geändert.
S.M.: Oh ja, Max arbeitete sehr frei. Max war ja malerisch und visuell komplett rücksichtslos. Dass etwas malerisch nicht ging, gab es für ihn nicht.
A.B.: Als ich damals schon Max´ Bilder gesehen habe, dachte ich, okay, diese Person bewegt sich irgendwie in einem Raum, wo nichts sicher ist, also wo niemand irgendeine Theorie umsetzt oder sich auf irgendeine Technik festlegt. Er hat sich immer in einem unsicheren Raum bewegt, sowohl psychologisch als auch in der Malerei.
S.M.: Ich erinnere mich auch daran, wie er früher die Farben angemischt hat, die dann von der Leinwand runter gefallen sind. Er hat einfach Pigment mit Kleister gemischt, oder mit Bindemittel.
S.M.: Also formell hast du es ja vorhin schon erläutert, ein freier, rücksichtsloser Umgang mit Stilen, Farben, Materialien, Übermalungen, Einarbeitung etc. Auch die Bildaufteilung im Sinne von Komposition spielte beim ihm nicht wirklich eine Rolle. Regeln sind einfach nicht vorhanden und es funktioniert trotzdem alles.
A.B.: Inhaltlich stellen sich mir bei seinen Arbeiten sehr viele Fragen. Also ich empfinde die Bilder inhaltlich voller Sexualität und Männlichkeit in einem künstlerischen Kontext. Also man fragt sich, ist das die Rolle, die dieser Künstler in dieser Welt erfüllen muss, obwohl das aber eigentlich nicht mehr toleriert wird. Max hat darauf sehr gut reagiert, indem er sich damit auseinandergesetzt und mit sich selbst in den verschiedenen Rollen experimentiert hat. Das Gehirn muss dabei ausgeschaltet werden, glaube ich, und das wirklich intuitive, unüberlegte Experimentieren bis hin zum Suchen einer totalen künstlerischen Intuition, die nicht vom Verstand gelenkt wird, ist dann das Ziel. Es scheint bei ihm auch alles mit einem Verlorensein im Männlichkeitsbegriff zu tun zu haben.
S.M.: Ich habe mit ihm zusammen gewohnt und habe häufig erlebt, wie Banalitäten ihn teilweise aus der Bahn geworfen haben und er nur noch am Grübeln war und dann auch nicht gemalt hat und dann irgendwann wieder angefangen hat zu malen, um diese Sachen zu verarbeiten.
A.B.: In einer Art männlicher Aggression. Konkret zum Beispiel dieses Bild von Max und seiner Freundin Nine mit Teilen von ihrer Telefonnummer. Es ist auch eine Überschreitung von Privatsphäre. Aber ich sehe vor allem männliche Figuren, die irgendwie nebeneinander leben, irgendwie alleine sind. Ich finde, Max war sehr, sehr einsam in der Art, wie er seine Probleme verarbeitet hat. Er war ein sehr geselliger Typ und dabei die ganze Zeit einsam.
S.M.: Ja, er kannte unfassbar viele Leute und war trotzdem die ganze Zeit dabei einsam.
A.B.: Ich habe auch das Gefühl, dass Max jemand war, der einen totalen Overload hatte von so vielen Dingen, die auf ihn einprasselten. Er hat ja auch sehr viel gelesen, sich auch intensiv mit Philosophie auseinandergesetzt, mit dem Kunstbegriff. Was ist ein Künstler, was ist der Sinn eines Künstlers und bis hin zum Sinn des Lebens. Er hat versucht, das alles irgendwie in seiner Kunst zu verarbeiten. Und hat es dann vielleicht auch nicht wirklich geschafft.
A.S.: Ich glaube ganz klar durch die Menschen, die Max gekannt haben. Auch wir sind jetzt dabei, weitere Ausstellungen zu planen und seinen künstlerischen Nachlass dadurch weiter zu erhalten und zu verbreiten. Wir sind dabei auch im ständigen Austausch mit den Eltern. Wir alle sind überzeugt, dass möglichst viele Menschen Max’ Arbeiten sehen sollten.
A.B.: Also ich empfinde seine Bilder als einen ganz spezifischen Ausdruck einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort, an der Akademie. Dieser Kontext ist aber auch ein Kontext, den es so nicht mehr geben wird. Somit sind seine Arbeiten auch ein Zeitdokument in einer sehr, sehr emotionalen Form. Er hat den Zeitgeist erfasst und das mit größter Emotionalität.
A.S.: Es wird einen Katalog geben bzw. ein Werkverzeichnis. Daran arbeiten wir jetzt gerade. Wir haben Termine mit dem Kulturamt und bewerben uns gerade für die eine Förderung. Und wir sind immer wieder mit Leuten aus der Kunstwelt in Kontakt und schauen uns nach einem weiteren Ausstellungsraum um. Wir sind auch in Kontakt mit Galerien, mit der Politik, Förderern usw. Also wir sind jetzt sehr aktiv, aber wohin das noch genau führt, werden wir sehen.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Kontakt der Nachlassverwaltung: retrospektivemax@gmail.com
Fotos: Akiko Stiebeling, Thomas Majevszki. Felix Adam