2. Dezember 2016In 2016/4

„Die Oper ist eine Kunst, für die man alles geben und alles haben muss“

Interview mit den Opernsängern Adela Zaharia und Bogdan Taloş


von Dr. Susan Tuchel

Welche Rolle spielte die Musik in Ihrem Elternhaus?

Zaharia: Ich war in unserer Familie das erste von vier Kindern, das ein Instrument lernen wollte. Es war ein Kindertraum von mir, Musikerin zu werden. Ich ging aufs Musikgymnasium, wo ich intensiv Klavier spielte und im Chor sang. An der Musikhochschule erhielt ich die Ausbildung zur Sängerin. Klavier spiele ich auch heute noch. Wir haben uns gerade eines gekauft.

Taloş: Meine Mutter war Violinistin und Musiklehrerin. Wie Adela habe ich mit sechs Jahren angefangen Klavier zu spielen, mich in der Schule aber eher mit Mathematik und den technischen Fächern beschäftigt. Im Studium – ich begann mit Musik auf Lehramt und sang lange im Philharmonischen Chor – habe ich gemerkt, dass ich auch eine solistische Laufbahn einschlagen kann.

Sie wurden beide in Rumänien geboren. Je nachdem, welche Route man um den Naturpark herum wählt, liegen 270 oder 350 Kilometer zwischen Ihren Geburtsorten. Wie und wo haben Sie sich kennengelernt?

Zaharia: Wir haben die staatliche Musikakademie in Cluj-Napoca besucht, eine Akademie mit einer langen Tradition, die 1919 gegründet und nach dem rumänischen Komponisten Gheorghe Dima benannt ist. Dort haben wir zusammen Donizettis „Don Pasquale“ auf die Bühne gebracht, freundeten uns an und vor sechs Jahren wurde mehr daraus. Wir haben übrigens einige Kollegen aus der rumänischen Projektgruppe hier im Düsseldorfer Opernensemble wiedergetroffen.

Taloş: In Deutschland waren wir auch vorher schon hin und wieder, wenn wir mit dem Chor auf Tournee waren. 2012 kam dann der Düsseldorfer Generalintendant Christoph Meyer nach Rumänien, um an unserer Musikakademie junge Talente zu hören. Er wollte uns schon damals engagieren, aber da hatten wir die Verträge für die Komische Oper Berlin schon in der Tasche. Als wir nach Deutschland kamen, sprachen wir übrigens beide kein Wort Deutsch, aber das hat sich schnell geändert.

Und dann ging es doch noch mit Christoph Meyer, der Deutschen Oper am Rhein und Ihnen weiter?

Taloş: Für das Ensemble wurde ein Bass gesucht. Ich habe vorgesungen und bekam einen festen Vertrag. Eine Stelle für eine Sopranistin war da aber gerade nicht vakant. Wir suchten uns trotzdem eine Wohnung in der Nähe der Oper und Adela pendelte zwischen Berlin und Düsseldorf. Und dann hat es ein Jahr später auch bei ihr mit einem festen Engagement geklappt.

Zaharia: Für uns ist das Engagement an der Rheinoper ein wichtiger Karriereschritt. Düsseldorf ist ein sehr guter Ort, das Repertoire ist groß und wir haben wirklich Top-Sänger im Ensemble.

Haben Sie schon Lieblingsplätze in Düsseldorf für sich entdeckt?

Zaharia: Ja, wir gehen gerne an der Rheinpromenade spazieren und wir lieben die kleinen, historischen Orte wie Kaiserswerth.

Wie hat man sich den Alltag eines Opernpaares vorzustellen? Reicht man sich mit einer kleinen Arie den Kaffee über den Tisch?

Zaharia (lacht): Nein, wir singen beide überhaupt nicht zu Hause, das wäre auch viel zu laut und wir wollen die Nachbarn nicht stören. Wir üben in der Oper. Hier haben wir musikalische Proben mit den Pianisten. Bei neuen Produktionen sind wir oftmals den ganzen Tag vor Ort oder kommen zwei bis drei Mal am Tag hierhin, um zu proben. Manche Proben finden auf der Bühne in Düsseldorf statt, zu anderen fahren wir nach Duisburg. Das kommt ganz darauf an.

Wie pflegen Sie als Profis Ihre Stimme? Gibt es ein Geheimrezept, die Stimmbänder zu „schmieren“?

Taloş: Es klingt profan, aber am besten ist es viel Wasser zu trinken und ausreichend zu schlafen. Ansonsten muss man halt im Training bleiben. Wenn man zwei bis drei Tage nicht geübt hat, dann spürt man das. Und unsere Stimme hat auch sehr viel mit unserem Körper zu tun. Ich kann nicht gut singen, wenn ich mich nicht gut fühle, auch wenn es „nur“ eine kleine Magenverstimmung ist.

Zaharia: Das trifft natürlich vor allem auf die schweren Partien zu. Wenn ich die Lucia in Donizettis Oper singe, dann stehe und singe ich fast eineinhalb Stunden durchgehend auf der Bühne. Zum Ausgleich gehe ich ins Fitnessstudio oder mache Yoga. Und wenn wir zwei bis drei Wochen im Jahr Urlaub in Rumänien machen, dann lasse ich die Stimme ruhen.

Was machen Sie, wenn Sie mal nicht zu Proben oder zu Auftritten müssen?

Taloş: Die Oper ist eine Kunst, für die man alles geben und alles haben muss. In den Ruhephasen ist es deshalb wichtig, sich wirklich zu erholen, um den Akku wieder aufzuladen. Aber wir gehen auch gern ins Kino, treffen unsere Freunde und Kollegen und haben unsere Lieblingskneipen in der Altstadt.

Finden Sie denn bei so vielen Abendterminen noch die Zeit für sich zu kochen?

Zaharia: Wir kochen hin und wieder, auch rumänisch, gehen aber auch gern koreanisch oder asiatisch essen. Wenn wir unsere Familien in Rumänien besuchen, müssen wir uns an die fleischhaltige und deftige Küche erst wieder gewöhnen.

Würden Sie gerne an der Metropolitan in New York singen oder an der Mailänder Scala, also da, wo die Stars ihre Ritterschläge bekommen?

Zaharia: Es ist schon so, dass wir der Karriere folgen. Aber dazu, das Leben eines Stars, einer Diva zu führen, muss man schon geboren sein. Ich genieße das Vertrauen, das man hier in Düsseldorf in mich setzt. Im Ensemble bin ich viel flexibler, kann in neuen Rollen debütieren und mehrere Partien parallel singen. Ich freue mich sehr, dass ich hier als Konstanze in der „Entführung aus dem Serail“ und als „Lucia di Lammermoor“ debütieren konnte. Das einzige, was ich manchmal ein bisschen vermisse, ist es als Konzertsopranistin aufzutreten. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich im Moment tue. Und was kommt wird man sehen. BT (mit kleinem Augenzwinkern): Ich bin als Bass noch sehr jung, meine Stimme darf noch reifen. Die großen dramatischen Partien meines Fachs – etwa Filippo in „Don Carlo“ oder Wotan in der „Walküre“ – liegen noch vor mir. Momentan bin ich auf Bass-Partien wie Leporello in „Don Giovanni“, Raimondo in „Lucia di Lammermoor“ oder Fasolt in Wagners „Rheingold“ spezialisiert.

Lucia di Lammermoor, , „Die Oper ist eine Kunst, für die man alles geben und alles haben muss“
Lucia di Lammermoor

Sieht man Sie auch als Paar auf der Bühne?

Zaharia: Wir sind auf der Bühne zum Beispiel in „Lucia di Lammermoor“ zusammen zu sehen, da bin ich anfangs ein noch schüchternes Mädchen, das schon bald von düsteren Vorahnungen heimgesucht wird und als verliebte Frau am Dilemma von Liebe und Pflicht im Wahnsinn zerbricht. Bogdan spielt in diesem Stück den Pfarrer. Wir treten auch in anderen Opern wie der „Zauberflöte“ oder „Don Giovanni“ zusammen auf – aber eben nie als Liebespaar. Darüber scherzen die Kollegen sogar schon.

Für diejenigen, die Silvester noch nichts vorhaben: Sie, Frau Zaharia, sind auch beim großen Silvester-Konzert zusammen mit der erstklassigen Riege von Solisten mit dabei, begleitet von den Düsseldorfer Symphonikern. Und im Januar steht Rimski-Korsakows „Der goldene Hahn“ als Wiederaufnahme auf dem Programm. Da singen Sie die Königin von Schemacha. Keine ganz leichte Partie.

Zaharia: Gesanglich könnte man sie schon fast halsbrecherisch nennen und hinzu kommt, dass es meine erste Partie auf Russisch ist.

Wie tief tauchen Sie in Ihre Rollen ein?

Zaharia: Lange bevor die szenischen Proben beginnen, beschäftigen wir uns mit der musikalischen Gestaltung der Rolle. Wir entwickeln eine enge Beziehung zur Figur, beschäftigen uns beispielsweise mit der literarischen Vorlage und mit dem historischen Kontext, in dem das Stück spielt. Nur wenn wir genau nachvollziehen können, was die Figur antreibt und auf welche Umstände sie reagiert, können wir sie glaubhaft interpretieren.

Taloş: Mit dem Regisseur und den Kollegen entwickeln wir die Rolle dann szenisch weiter. Das, was wir schließlich auf der Bühne präsentieren, ist das Ergebnis vieler Ideen und Einflüsse, mit denen man sich im Laufe der Proben auseinandersetzt.


Kurzvita

Adela ZahariaAdela Zaharia ist Sopranistin (Jahrgang 1987) und stammt aus Arad/ Rumänien und studierte an der renommierten Musikakademie „Gheorghe Dima“ in Cluj. 2012 gewann sie den internationalen Gesangswettbewerb „Hariclea Darclée“ in ihrem Heimatland. Von 2012 bis 2014 war sie im Opernstudio der Komischen Oper Berlin engagiert. Seit der Spielzeit 2015/16 gehört sie zum Ensemble der Deutschen Oper am Rhein. Hier war sie bislang u. a. als Lucia di Lammermoor (Donizetti), Konstanze (Mozart „Die Entführung aus dem Serail“) und Schneekönigin in der Uraufführung von Marius Felix Langes gleichnamiger Familienoper zu sehen. Im Sommer gastierte sie als Pamina im Gran Theatre del Liceu in Barcelona. In dieser Spielzeit ist sie auf den Bühnen in Düsseldorf und Duisburg erstmals als Königin von Schemacha (Rimski-Korsakow „Der goldene Hahn“) und Donna Anna (Mozart „Don Giovanni“) zu erleben.


Bogdan TalosBogdan Taloş ist Bass (Jahrgang 1982) und stammt aus Zalaŭ in Rumänien. Er studierte an der Musikakademie „Gheorghe Dima“ in Cluj, besuchte Meisterkurse bei Marius Vlad, Sally Burgess sowie Mariana Nicolesco und ist Preisträger des internationalen Gesangwettbewerbs „Hariclea Darclée“. Seine berufliche Laufbahn begann er an den Opernhäusern in Cluj-Napoca und Craiova. Zusammen mit Adela Zaharia war er im Opernstudio der Komischen Oper Berlin engagiert, bevor er 2014/15 Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein wurde. In Düsseldorf und Duisburg singt Bogdan Taloş in dieser Spielzeit u. a. Sarastro (Mozart „Die Zauberflöte“, Leporello („Mozart „Don Giovanni“), Raimondo (Donizetti „Lucia di Lammermoor“) und Fasolt (Wagner „Das Rheingold“).


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