18. Oktober 2016In 2016/4

„Ein großer Vorteil ist, dass die Start-up-Szene Düsseldorfs noch überschaubar ist“

Interview mit dem Unternehmer Mohammadi Akhabach


von Christian Theisen

Herr Akhabach, neulich haben sie 2.500 Briefe an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei geschrieben und sich für deren Arbeit bedankt. Wie kam es dazu?

Anstoß war ein Erlebnis mit einer Polizeistreife während einer Fahrt ins Büro. Der Kontakt mit der Beamtin war sehr freundlich und angenehm. Für mich wurde darin deutlich, dass die Polizisten hierzulande ihre Pflichtensehr vorurteilsfrei wahrnehmen und wirklich Gutes für die Bürger tun. Dafür wollte ich mich einfach dankbar zeigen. Deshalb habe ich einen Brief geschrieben und diesen an rund 2.500 Dienststellen versandt. Persönlich unterschrieben übrigens.

Es gab viel positive Resonanz, auch wegen Ihres nordafrikanischen Hintergrunds. Gab es auch negative Reaktionen?

Nein! Ich kann mir auch nicht vorstellen, von wem die hätten kommen sollen. Von Nordafrikanern…?

Ihre Familie kam vor vielen Jahren aus Marokko nach Deutschland. Sie haben hier in Deutschland dann aus eigener Kraft erfolgreiche Unternehmen gegründet und Geschäftsmodelle entwickelt. Inzwischen sind Sie ein gefragter Investor und Experte. Inwieweit profitiert Deutschland von Biographien wie der Ihren und welche Schlüsse kann man daraus ziehen?

Ganz allgemein profitiert Deutschland von jedem Menschen, der eigene Ideen hat, diese in die Tat umsetzt und Wachstum erzeugt. Das hat zunächst mal nichts mit der Herkunft zu tun. Wenn es Ihnen aber speziell um diesen Faktor geht, dann möchte ich es folgender maßen ausdrücken, und ich hoffe, das klingt jetzt nicht nach dem alten „Vom Tellerwäscher zum Millionär-Lied“: Ich glaube, ich konnte zeigen, dass man trotz schwierigerer Startbedingungen mit Einsatz und Kreativität viele Pläne verwirklichen und Erfolg haben kann. In aller Bescheidenheit hoffe ich, dass so eine Biographie An sporn für Menschen jeder Herkunft sein kann. Vielleicht besonders für jene, die aus Familien mit dem sogenannten „Migrationshintergrund“ stammen. Es geht, man muss es halt wagen. Und übrigens: Ich war nie Tellerwäscher!

Ihre Unternehmensgründungen wie zum Beispiel Lieferheld und Book-a-Tiger sind über Deutschland hinaus bekannt und immer wieder in der Presse. Ihre Deutsche Seniorenwerbung hingegen ist eher unauffällig, obwohl ebenfalls sehr erfolgreich. Was macht unternehmerisch mehr Spaß?

Spaß machen beide Unternehmensfelder, glauben Sie mir. In allem, was wir machen, arbeiten wir schließlich mit dem Faktor Zukunft. Bei den Internet-gestützten Firmen ist es spannend, die Potenziale des Mediums mit- und weiterzuentwickeln. Bei der Seniorenwerbung liegt der Reiz in der stetig wachsenden Zielgruppe. Und die unternehmerischen Herausforderungen sind letztlich überall die gleichen: Potenziale entdecken, Chancen ergreifen, Mut haben. Mir fällt es schwer, einem unserer Unternehmen in Bezug auf solche Anforderungen den Vorzug zu geben.

Mohammadi Akhabach, , „Ein großer Vorteil ist, dass die Start-up-Szene Düsseldorfs noch überschaubar ist“

Senioren sind nicht nur aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland eine interessante Zielgruppe. Sie ist mobil, kaufkräftig und konsumorientiert. Welche Potentiale sehen Sie in der Zukunft?

Ich glaube, wir bewegen uns hier in einem wirklichen Wachstumsmarkt. Das Schöne ist: Es wird immer mehr ältere Menschen geben, die sich nicht alt fühlen – und es eigentlich auch nicht sind. Meine Prognose ist: Sie werden einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für sich selbst nutzen, statt das Geld an Nachkommen zu verteilen. Einfach, um schöne Dinge zu genießen oder zu erleben, für die während des Erwerbslebens keine Zeit war. Wenn wir dieser Zielgruppe die richtigen Angebote in Punkto Freizeit, Genuss, Gesundheit machen, mache ich mir um unseren Erfolg keine Sorgen.

Berlin ist nicht mehr länger Europas Start-up-Metropole Nummer 1. Gleichzeitig versuchen Städte wie Hamburg und Düsseldorf verstärkt, eine Start-up-freundliche Infrastruktur und Unternehmenskultur zu schaffen. Was sind Ihrer Meinung nach die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Unterfangens?

Das ist natürlich ein langer Weg, auf dem Düsseldorf eher am Anfang steht und Hamburg vielleicht schon ein paar Schritte zurückgelegt hat. Aber Düsseldorf muss nicht verzagen. Wichtig ist erstmal, dass die Stadt die Potenziale der Start-up-Economy erkannt hat. Und ein paar Pluspunkte gibt´s ja auch: Düsseldorf liegt nah am Ruhrgebiet und seinen Universitäten, wo sich viel Kreativpotenzial und Internationalität ballt. Auch zu den Niederlanden und nach Belgien – wo es virulente Szenen gibt – ist es nicht weit. Klar, die Einhörner hausen immer noch in Berlin, auch weil die Hauptstadt per se mehr Anziehungs- und daraus folgend Strahlkraft besitzt. Aber unsere Region holt auf, dessen bin ich mir sicher.

Sie sind wegen Ihrer Unternehmensbeteiligungen oft in Berlin und kennen die dortige Szene. Welche Schwerpunkte könnte Düsseldorf setzen, um sich von Berlin und anderen Start-up-Hubs abzusetzen?

Ein großer Vorteil dieser Stadt ist, dass die Start-up-Szene noch überschaubar ist. Das heißt auch: Der Zugang zu Kapital und öffentlichen Dienstleistungen, etwa zur Wirtschaftsförderung der Stadt, sollte leichter sein. Hier wirst du eben noch nicht an jeder Ecke durch die Konkurrenz weggebissen. Das sollten sich gerade junge Entrepreneurs aus dem Ruhrgebiet durch den Kopf gehen lassen. Wenn Sie weg wollen aus dem Ruhrgebiet – muss es dann immer Berlin sein? Nein, meine ich. Düsseldorf hat viel Geld, ist deutlich wohlhabender als Berlin. Das eröffnet Chancen für Neuansiedlungen kleiner, virulenter Ideenschmieden. Wenn die Szene erst mal ihre kritische Größe erreicht hat – das heißt: in Berlin und Hamburg als Konkurrenz wahrgenommen wird – dann wird die Stadt quasi magnetisch für weitere Gründer.

Welche Ratschläge können Sie jungen Unternehmern oder denen, die es werden möchten, geben?

Man sollte sich ein paar Fragen stellen und diese so ehrlich wie möglich beantworten. Nämlich: Taugt die Idee für die Marktdurchdringung, ist sie gut? Erwische ich den richtigen Zeitpunkt für den Markteintritt? Gibt es überhaupt einen Markt, ist er groß genug? Das alles wird in einem guten Business-Plan sowieso abgefragt, insofern kommt man daran nicht vorbei. Wichtiger ist vielleicht: Man sollte so sehr für seine Idee brennen, dass andere – vor allem Kapitalgeber – das Leuchten wahrnehmen. Dann sollte man mit dem Geld dieser Leute oder Gesellschaften gewissenhaft und rechtschaffen umgehen. Okay, auch eine Selbstverständlichkeit… Wenn´s geht, sollte man sich doppelt so viel Kapital besorgen, wie man braucht – das schafft Luft fürs Überleben in der Anfangsphase. Letztlich muss man fokussiert bleiben und die richtigen Leute als Mitstreiter finden. Alles nicht ganz leicht, schon klar. Aber wichtig!

Gibt es aktuelle Projekte, über die Sie etwas verraten können? Vielleicht das nächste Einhorn – diesmal aus Düsseldorf?

Ich bin Unternehmer, weil es mir Spaß macht, etwas zu unternehmen, also gibt es natürlich neue Pläne und Projekte. Darüber reden? Nein, das geht noch nicht. Deshalb auch „sorry“ an dieser Stelle: Ich kann zurzeit noch nicht bestätigen, dass wir in Düsseldorf starten. Aber dass wir über die Stadt als Standort intensiv nachdenken, sollte nach unserem Gespräch – so hoffe ich – deutlich geworden sein.


Kurzvita

Mohammadi AkhabachMohammadi Akhabach wurde 1979 als Sohn von Kaufleuten in Marokko geboren. Nach seiner Ausbildung zum Werbekaufmann absolvierte er ein Studium der Kommunikationswissenschaften und verspürte schon während erster beruflicher Tätigkeiten den Drang, Dinge des täglichen Bedarfs und durch Kommunikation und Services das Leben der Menschen einfacher zu gestalten. 2001-2003 Projektleiter bei der Firma Ulm Marken Promotion in Lüdenscheid. 2003-2005 Key Account Manager bei der Deutschen Hochschulwerbung in Düsseldorf. Dort mitverantwortlich für die Einführung des Studententarifs o2 Genion in Deutschland. 2005-2007 Projektleiter für Sonderthemen außerhalb des Printgeschäfts im UNICUM-Verlag 2007 Gründung eines sozialen Netzwerks für Vereine (zusammen mit den Ruhrnachrichten als strategischem Investor). 2009 Gründung der Agentur ‚Beziehungsweise GmbH’ (Neuss), Spezialist für Zielgruppen- und Dialogmarketing. 2010 Gründung der ‚Deutsche Seniorenwerbung’ (DSW; Neuss), Spezialist im Bereich der Zielgruppenansprache 50plus, die mit ihrem Sampling-Produkt Glückstüte® bekannt geworden ist. 2010 Mitgründer des Online-Services ‚Lieferheld’, dort Geschäftsführender Gesellschafter für Marketing und Sales. Seit 2012 Investitionen in verschiedene Start-ups, z.B. ‚rent-a-guide GmbH’, ‚Fanzeit GmbH’, ‚bookatiger.com’ und Gründer der ‚Österreichischen Seniorenwerbung GmbH’. Durch seinen Sitz in verschiedenen Gremien zur Unterstützung junger Start-ups profitieren Nachwuchstalente immer wieder von der Expertise und dem Netzwerk des erfolgreichen Unternehmers.


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