Mein Leben in Dhaka, Bangladesch
„Abenteuer wollten wir, Abenteuer bekamen wir„
von Jürgen Laske
Bangladesch kennt man aus den deutschen Medien eigentlich nur als Katastrophenland – eines der ärmsten Länder der Welt, überbevölkert und viel zu dicht besiedelt, verdreckt, das Trinkwasser mit Arsen belastet, einstürzende Fabriken, Überschwemmungen, verheerende Brände, Armut, überfüllte Fähren, chaotischer Verkehr, Korruption und politische Willkür. Seit August 2012 nennen wir dieses verrückte Land unsere neue Heimat.
Gut, ganz unbedarft sind wir nicht hierher gekommen. Immerhin leben, arbeiten und reisen wir nun schon seit fast 19 Jahren kreuz und quer durch Asien. Die Abenteuerlust und der Beruf meiner Frau als Bekleidungsingenieurin haben uns schon 1995 aus Deutschland nach Asien geführt. Wir waren fünf Jahre in Indonesien, dann sieben Jahre in Shanghai, für zwei Jahre in Hong Kong und danach für weitere fünf Jahre wieder in Shanghai bevor uns ein neuer Arbeitgeber als sogenannte Expat-Familie mit dem Auftrag, ein Einkaufsbüro für Textilien aufzubauen, nach Dhaka/Bangladesh schickte.
Info: Bangladesch Staat in Südasien. Er grenzt im Süden an den Golf von Bengalen, im Südosten an Myanmar und wird sonst von fünf indischen Bundesstaaten umschlossen. Er nimmt den östlichen Teil der historischen Region Bengalen ein, der 1947 aufgrund der muslimischen Bevölkerungsmehrheit bei der Teilung Britisch-Indiens unter der Bezeichnung „Ostpakistan“ zum östlichen Landesteil Pakistans wurde. 1971 erlangte Ostpakistan infolge des Bangladesch-Krieges unter dem Namen Bangladesch seine Unabhängigkeit. Hauptstadt ist Dhaka – mit schätzungsweise 15 Millionen Einwohnern eine der am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt. |
Die Herausforderungen sind groß: Zwei Teenager auf eine internationale Schule schicken, Umzug samt Hund organisieren, Büro aufbauen, Mitarbeiter einstellen, Freundeskreis aufbauen, sich selbst organisieren und immer wieder selbst motivieren, damit der Frust über die allfälligen Probleme, die ausufernde Bürokratie und die täglichen kleinen Schwierigkeiten nicht überhand nimmt.
Deswegen bin ich – eigentlich studierter Informatiker – schon recht früh einer weiteren Berufung gefolgt und wurde als mitreisender Ehemann nicht nur freiberuflicher IT-Berater, sondern auch Yogalehrer. Und nach dem vierten Umzug und Karriereknick machte ich mich endgültig selbstständig und betreibe nun aus der Ferne einen Webshop für Yogakleidung in Deutschland.
Warum denn nun Bangladesch? Nach vielen Jahren Aufenthalt in China waren wir bereit für einen Wechsel, für neue Herausforderungen und wir wollten auch wieder etwas mehr „Abenteuer“ wagen. Bangladesch hat momentan ein gewaltiges Wachstumspotential. Es herrscht eine interessante „Goldgräber-Stimmung“. Die Menschen sind begierig auf Wachstum und Entwicklung. Mit unserer Vita und Erfahrung sind wir durchaus gerüstet, in diesem extremen Land bestehen zu können. Für Berufsanfänger oder absolute Novizen ist es nichts und man braucht schon ein gehörig gerütteltes Maß Kraft an Seele, Körper und Geist, um mit den Umständen zurecht zu kommen.
Abenteuer wollten wir, Abenteuer bekamen wir: Schon mal Wasser aus der Steckdose kommen sehen? Schon mal drei Stunden im Dauerstau für zwölf Kilometer gestanden und das als „normal“ empfunden? Sechs Stromausfälle pro Tag als „relativ stabile Stromversorgung“ tituliert?
Recht schnell merkten wir, dass das Schaffen von Oasen der Erholung eine große Notwendigkeit ist. Unser Zuhause ist eine solche Oase. Wir hatten das Glück, ein Haus mit Garten anmieten zu können, eine Seltenheit in der dichtbesiedelten Kapitale. Dank unserer mitgebrachten Möbel haben wir es uns schön eingerichtet und laden auch recht oft Freunde zu uns ein. In den fast 20 Jahren Leben und Arbeiten in Asien haben wir viele schöne Möbelstücke gesammelt – zum Beispiel eine wunderschöne Truhe aus indonesischem Tigerwood, ein Bett aus Teakholz oder einen großen Esstisch aus Mahagoni. Dazu kommen viele Bilder, Statuen, Thangka’s, Buddha-Statuen und nicht zu vergessen unsere Fotos.
Da Bangladesh als islamisch-fundamentalistischer Staat den Alkoholkonsum verboten hat, ist es einigermaßen schwierig, abends zum Essen ein Glas Bier oder Wein zu trinken. Restaurants und Kneipen gibt es per se nicht, Alkohol gibt es nur in einigen wenigen und dafür extrem teuren 5-Sterne-Hotels. Und bei Preisen von acht Euro und mehr für eine Dose Bier vergeht einem der Durst schnell.
Einen Ausweg bieten die sogenannten Expat-Clubs. Es gibt in Dhaka rund zehn davon. Diese Oasen der westlichen Lebenskultur werden meist in Zusammenarbeit mit einer Botschaft betrieben und stehen den jeweiligen Mitglieds-Nationalitäten zur Verfügung, wie beispielsweise der American, Canadian, Australian oder auch Britsh Club. Es gibt auch einen Deutschen Club, der allerdings losgelöst von der Deutschen Botschaft auf privater Basis organisiert ist. Da Bedarf an professioneller Führung war, habe ich mich recht stark engagiert und wurde nun schon zum zweiten Mal als Präsident zum Vorstand des Betreibervereins gewählt.
Unsere 30 Mitarbeiter und ein recht starkes Managementteam zaubern hier leckeres Essen, betreiben einen Tennisplatz und Pool und sorgen für ausreichend Nachschub an Bier und Wein für unsere knapp 250 Mitglieder und viele Gäste. Dies ist nebenbei auch meine yogische ‚Seva‘, mein Dienst an der Allgemeinheit, da ich für mein Engagement nicht vergütet werde.
Es ist aber ein unheimlich befriedigendes Gefühl, wenn man sieht, wie sich zum Beispiel unsere Kinder auf eine „westlich-normale“ Freizeit-Oase freuen, lokale Mitarbeiter für ordentliche Arbeitsbedingungen dankbar sind und sich unsere Mitglieder von den Herausforderungen ihres Arbeitslebens bei gutem Essen und einem Bier entspannen können. Unsere neueste Errungenschaft ist ein holzgefeuerter Pizzaofen, ein absolutes Novum und Highlight hier in Dhaka.
Da Bangladesch nicht unbedingt auf dem Radar des Tourismus liegt, ist das Angebot an Hotels und Freizeitmöglichkeiten sehr beschränkt. Das Reisen hier ist noch sehr ursprünglich und teilweise auch beschwerlich. Kürzlich machte ich einen Trip in die Sundarbans, das größte zusammenhängende Mangrovengebiet der Erde, auf der Suche nach den letzten freilebenden Tigern. Weiter ging es mit einem altersschwachen Schaufelraddampfer durch das Mündungsdelta des Ganges und schließlich mit Wanderschuhen in die Chittagong Hill Tracts, das Grenzgebiet zwischen Bangladesch und Myanmar.
Wer Interesse an einer der letzten Grenzen der Erde hat, sollte sich unbedingt Bangladesch anschauen. Das Land hat deutlich mehr zu bieten, als nur negative Schlagzeilen in den deutschen Medien. Wir werden voraussichtlich noch einige Jährchen hier bleiben und uns bemühen, bei der Entwicklung dieses Landes unseren Beitrag zu leisten.
Kurzvita
Jürgen Laske wurde 1967 in Sigmaringen geboren, studierter Informatiker, ehemaliger IT-Manager, Romanautor, Hobbyfotograf, begeisterter MTB-, Motorrad- und Allrad-Fahrer, Weltreisender und Kundalini-Yogalehrer. Mit seiner Frau Christin (eine erfolgreiche Bekleidungsingeneurin), zwei Kindern (16 & 14 Jahre) sowie zwei Hunden lebt und arbeitet er seit 1995 in Asien, u.a. in Indonesien, Hong Kong, Shanghai und Bangladesch. Jürgen Laske hat sich 2007 selbstständig gemacht und betreibt einen webshop für Yogakleidung. Daneben ist er als Präsident im Deutschen Club in Dhaka aktiv und schreibt regelmäßig in seinem Blog (http://www.jlaske.de/wp-blog/) über das Leben einer Expat-Familie im Ausland.
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