„Mit meiner Fotografie möchte ich mich mitteilen, genauso wie mit meinen Gerichten“
Wolfgang Sohn kocht und talkt mit …
Fabio Borquez, Photopraph und Architekt
Hey Fabio, was kochen wir heute?
Das heutige Menü besteht aus argentinischen Empanadas (das argentinisches Nationalgericht) mit Fleischfüllung und einer speziellen Sauce namens „Chimichurri“.
Wenn wir von einer argentinischen Spezialität sprechen, hast du das Rezept dann von deiner Mama?
Dieses Gericht ist eines der beliebtesten Gerichte in Argentinien und variiert von Provinz zu Provinz. In diesem Fall folge ich dem Rezept meiner Mutter aus ihrem Kochbuch, das sie geschrieben hat, als ich noch ein Kind war. Heute kann sie leider nicht mehr kochen, aber diese Rezepte sind in der Familie geblieben. Obwohl sie persönlich die Empanadas nicht mehr machen kann, hilft sie meinem Vater immer noch, die „Repulgue“ (den Rand) zu verschließen. Das macht man mit dem Daumen und bedarf einiger Fingerfertigkeit.
Du bist ein leidenschaftlicher Fotograf und auch ein leidenschaftlicher Koch. Gibt es nach deiner Meinung Verbindungen?
Natürlich! Ich glaube, dass Leidenschaft viele Facetten haben kann. Entweder man ist leidenschaftlich oder man ist es nicht. Die Welt der Fotografie ist von Kreativität geprägt. Um gute Fotos zu machen, braucht man nicht zwangsläufig die beste Kamera, und um gut zu kochen nicht unbedingt den teuersten Topf. Es ist eher von Bedeutung, dabei sensibel und geduldig zu sein und den Mut zu haben, Risiken einzugehen. Mit meiner Fotografie möchte ich mich mitteilen, genauso wie mit meinen Gerichten.
Was meinst du, bist du ein besserer Koch oder Photograph?
Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, was ich gut mache und was nicht. Aber alles, was ich tue, versuche ich mit größtmöglicher Leidenschaft zu machen.
Gut, die Frage war nicht ganz ernst gemeint. Du belegst mit deiner Fotografie ein bestimmtes Genre. Wie ist das passiert und stimmt das überhaupt?
Den eigenen Stil zu finden, ist eines der schwierigsten Dinge – sei es in der Fotografie, in der Küche oder bei irgendeiner anderen Aufgabe. Ich sage immer, dass der einzige Unterschied zwischen etwas Gewöhnlichem („ordinary“) und etwas Außergewöhnlichem („extraordinary“) nur das „Extra“ ist, das gleichzeitig etwas Berüchtigtes, Immaterielles ist, aber das die Arbeit dann in dem jeweiligen Fall anders macht. Weil ich mehrere Bücher überAktfotografie mit verschiedenen Verlagshäusern herausgebracht habe, haben die Leute mich ganz schnell in der Schublade für Aktfotografen platziert. Ich glaube jedoch, dass meine fotografische Arbeit viel mehr, als nur nackte Haut umfasst.
Du bist in Buenos Aires groß geworden und hast Architektur studiert. Was ist passiert, dass du nach Deutschland gekommen bist?
Ich habe immer meine lateinamerikanische Seele ausgelebt, so temperamentvoll und völlig impulsiv. Eines Tages traf ich in Miami ein Mädchen mitten im Meer und sagte ihr nach zehn Minuten, dass ich sie heiraten werde. Es stellte sich heraus, dass sie Deutsche ist. Also bin ich einen Monat später bereits nach Deutschland gereist. Nach drei Jahren haben wir geheiratet, dies ist jetzt 22 Jahren her. Am Anfang war es für mich sehr schwierig, mich an das Wetter zu gewöhnen. Mir wurde auch schnell klar, dass hier niemand auf mich gewartet hatte und dass es nicht einfach wird, einen Platz in dieser Gesellschaft zu finden. Aber meine Grundeinstellung ist: Wenn du auf dem Boden liegst, musst du nur aufstehen – einmal, hundertmal, so oft wie nötig. Willen war immer ein entscheidender Faktor in meinem Leben. Wenn ich etwas will, werde ich gegen alle Widrigkeiten kämpfen und nicht aufhören, bis ich es bekomme.
Und wie bist du als Architekt dann zur Fotografie gekommen?
In Argentinien hatte ich bereits während meines Architekturstudiums angefangen zu fotografieren. Als ich schon Architekt war, hatte ich ein paar Stipendien, mit denen ich die Welt kennenlernte. Dann wurde mir schnell klar: Das ist es, was ich tun möchte! Reisen! Die Architekturfotografie bezahlte mir viele Reisen. Nachdem ich einen Fotowettbewerb gewonnen hatte, fing ich an selber an meine Fotografie zu glauben. In diesem Moment begann ich die Arbeit als Architekt mehr und mehr zu verlassen und konzentrierte mich auf das Fotografieren. Sieben Jahre später drehte sich mein Leben in Miami dann vollends um 180 Grad. Und da bin ich auch noch heute.
Du bist in Deutschland als Photograph sehr erfolgreich und hast in diesem Monat zum Beispiel drei Titelseiten bekannter Photomagazine. Nimmt man dich in deiner Heimat als Photograph, sozusagen als Botschafter der argentinischen Fotografie, wahr?
Ich denke, meine Arbeit ist in meinem Land bekannt. Es ist schwer zu sagen, wo ich hingehöre, wenn man bedenkt, dass ich seit 20 Jahren hier lebe. Die Anerkennung ist ein Kompliment, aber ich weiß sehr genau, dass der ganze Ruhm nur ein Trugbild und etwas Vergängliches ist.
Ich freue mich total, jetzt deine Spezialitäten zu probieren. Hast du auch einen besonderen Rotwein dazu?
Klar! ich habe eine Auswahl an Rotweinen in meinem Weinkeller, die meisten davon Argentinier. Zu unserem heutigen Anlass ein Malbec „Alamos“ von Catena zapata.
Kurzvita
Fabio Borquez wurde am 26. Dezember 1964 in Buenos Aires, Argentinien, geboren. Hier studierte er Kunst und Architektur. Er gewann verschiedene Stipendien für Indien, Kolumbien sowie Deutschland und machte sich auf seinen Reisen das Fotografieren zu eigen, um die Welt in Bildern festzuhalten. Ein Bild, das einen sprachlos macht, lässt sich kaum mit Worten beschreiben: Das ist die Wirkung der Fotos von Fabio Borquez. Sie lassen den Betrachter verstummen – wegen ihrer Pracht und ihrer Unverblümtheit. Wegen der bühnenbildm..igen Inszenierung eines mittelalterlichen Schlosses oder der Schlichtheit eines Ackers in Europa. Borquez Fotos beunruhigen. Sie sind unbequem, wühlen auf. Seine Körper führen den Blick weg von der bloßen Nacktheit und bringen den Betrachter dazu, sich zu fragen, was hinter dieser Orgie aus Licht und Schatten steckt. Auch die „nicht Nackten“ rütteln auf: Sie entblößen die Zerbrechlichkeit der Seele, die so viel schwieriger darzustellen ist, als die des Körpers. www.fabio-borquez.com @fabioborquez (instagram)
Rezept/Zutaten für circa 30 Stück
|
Ähnliche Beiträge
„Satire soll ja nicht Wirklichkeit einfach nur beschreiben, sie muss sich positionieren“
Interview mit Jacques Tilly, Bildhauer, Kommunikationsdesigner und…
STARTUPS: Immobye – die neue Generation Makler Wie das ImmobilienTech-Startup Immobye den Markt aufmischen will
Ein Gespräch mit Timon Gottschalk und Marco Kunzmann
„Wir stellen in erster Linie zeitgenössische Kunst aus“
Interview mit Beate Düsterberg, Goldschmiedemeisterin, Kunst-Kuratorin
„Die staatlichen Hilfen für Soloselbstständige gehen an uns Schauspielern total vorbei“
Interview mit Leslie Malton, Schauspielerin und 1. Vorsitzende des Bundesverbandes…
„Unser Miteinander steht auf dem Prüfstand“
Interview mit Alfons Labisch, Mediziner und Medizinhistoriker