25. Februar 2019In 2019/1

„Heinrich Heine – liebenswert, unbequem und nötiger denn je“

Interview mit Heinrich Heil, stellvertretender Direktor des Heinrich-Heine-Instituts Düsseldorf


von Dr. Paul Breuer

Heinrich Heil ist stellvertretender Direktor des Heinrich-Heine-Instituts. Er sieht nicht nur aus wie ein Intellektueller, er ist auch einer. Ruhe und Gelassenheit strahlt der Philosoph aus, wie ein Zen-Gelehrter. Er begegnet seinem Gegenüber mit auffälliger Freundlichkeit. Hört konzentriert zu, antwortet bedächtig und wohl formuliert mit leiser Stimme. Er ist mit einer Asiatin verheiratet, die klassischen Tanz studiert hat. Man fragt sich, ob diese Ruhe, die er ausstrahlt, eine geschickte Tarnung ist. Denn kaum steht Heil auf der Bühne, um über Themen der Literatur oder Kunst zu referieren, verwandelt er sich in einen „sprechenden“ Musiker, mal piano, mal forte, spricht wie Goethes Mephisto, explosiv, um sein Publikum voll in seinen Bann zu ziehen.
Heinrich Heil hat im In- und Ausland Ausstellungen kuratiert, an Hochschulen doziert, Essays und Bücher publiziert und im Büro 01 als Referent für Kultur bei gleich drei Oberbürgermeistern gearbeitet. Seit fast zwei Jahren trägt er als stellv. Direktor Mitverantwortung im Heine-Institut. Man darf gespannt sein, wie er zusammen mit der Direktorin Dr. Sabine Brenner-Wilczek das Institut mit den vielen interessanten Originaldokumenten, Bildern, Skulpturen und Möbeln, den Düsseldorfer Bürgern und den vielen auswärtigen Besuchern näher bringen möchte.

Düsseldorf ist sehr bekannt für seine Museen der bildenden Künste. Das Heinrich-Heine-Institut ist vielen heimischen Bürgern und internationalen Besuchern als Muse-um eher unbekannt. Wie kann der Marketing-Fokus mehr auf das Heinrich-Heine-Museum, auf den Dichter Heinrich Heine, Kind der Stadt Düsseldorf und Namensgeber der Heinrich-Heine-Universität, gerichtet werden?

Das will wohl erwogen und bedacht sein. Es ist nicht damit getan, den Internetauftritt des Instituts etwas aufzuhübschen und mit Blick auf ein jüngeres Publikum flotter zu gestalten. Man darf bei solchen Maßnahmen die inhaltliche Tiefe nicht aus den Augen verlieren und ängstlich im Seichten fischen, nur weil man glaubt, auf dem Weg in tiefere Gewässer zu viele mögliche Interessenten zu verlieren. Das wird Heine und seinem Werk nicht gerecht. Meine Erfahrung lehrt mich, es liegt wesentlich an der ansprechenden Vermittlung der Inhalte. 

Für mich ist ein Leben ohne Kunst und Literatur nicht vorstellbar. Im wahrsten Sinne des Wortes sind es für mich Lebensmittel. Und wenn es gelingt, dies inhaltlich zu vermitteln, dann findet man Mitstreiter. Ich denke da an eine erhellende Stelle aus Dantes Göttlicher Komödie, die ich jetzt nur aus dem Gedächtnis inhaltlich wiedergeben kann: Voller Erwartung bittet Dante seinen scharfsinnigen Begleiter Vergil, ihm endlich die Nahrung zu geben, für die er ihm so unwiderstehlich den Appetit bereitet habe. Was nun das Marketing angeht: Es ist an der Zeit, mit Heine für Düsseldorf Werbung zu machen. Frankfurt mit Goethe und Bonn mit Beethoven machen es vor. Und wir hier in Düsseldorf nehmen unseren Heine noch nicht wirklich bei der Hand. Es ist überfällig, Heines Fahne ganz oben auf dem Flaggschiff der Stadt zu hissen und ihn für das weltoffene Düsseldorf werben zu lassen. Hier müssen wir uns zusammensetzen. Und ich denke mit solchen Überlegungen laufe ich offene Türen ein. Man muss nur endlich Nägel mit Köpfen machen.

Der Name Institut klingt wie ein Haus der Geisteswissenschaften und nicht nach einem Museum, das allen Besuchern offensteht. Wäre eine Namensänderung in ein Heinrich-Heine-Museum mit entsprechender Forschungseinrichtung nicht sinnvoll?

Nein. Eine Akzentverschiebung in Form einer Umkehrung der Gewichte halte ich für falsch. Und dies entspricht auch nicht unserem Auftrag und Selbstverständnis. Die Besonderheit herauszustellen, dass wir weltweit das einzige Heine-Museum beherbergen und dies werbend zu exponieren, sollten wir allerdings forcierter betreiben. Unweit vom Heine-Institut auf der anderen Seite der Bilker Straße befindet sich das sogenannte Schumann-Haus, in dem Robert und Clara Schumann mit ihren Kindern über mehrere Jahre gelebt haben. In nächster Zeit wird das Gebäude grundsaniert und zu einem Museum ausgebaut. Der Stadtrat hat dies mit breiter Mehrheit beschlossen. Und dank eines herausragenden bürgerlichen Engagements konnten über den Förderverein Schumann-Haus beträchtliche Mittel zusätzlich für die Ausstattung des Museums eingespielt werden.

Im Dreiklang von Heinrich-Heine-Institut und Museum, Schumann-Museum und dem ebenfalls in der Bilker Straße gelegenen Kammerkonzertsaal Palais Wittgenstein wollen wir die ‚Straße der Romantik und Revolution‘ ausrufen und in Szene setzen. Hier sehe ich eine große Chance, neue Akzente zu setzen, auch im Hinblick auf das dann mögliche Zusammenspiel der beiden Museen – Heine und Schumann – vor Ort. Frau Dr. Brenner-Wilczek und ich arbeiten aktuell intensiv an einem übergreifenden Konzept.

Info:
HEINRICH-HEINE-INSTITUT

Wer weiß schon, wie leicht Düsseldorfs Dichter und Journalist Heinrich Heine (1797-1856) in den Räumen des Heinrich-Heine-Instituts in Düsseldorfs Bilker Straße 12-14 zu finden ist? Neben der Forschungsstätte und dem Archiv beheimatet das Heine-Institut ein Museum, das mit seinen ausgewählten Sonderausstellungen von sich reden macht. Die Dauerausstellung vermittelt eine Einführung in das Leben und Wirken des Dichters. Im Institut werden fast 70 Prozent der weltweit vorhandenen Heine-Autographen und weitere Dokumente sowie Originalhandschriften archiviert und ausgestellt. Heine war schon im 19. Jahrhundert international bekannt und gilt als der bedeutendste deutsche Dichter zwischen Romantik und Realismus.
Öffnungszeiten: Di.-Fr. 11-17 Uhr, Sa. 13-17 Uhr, So. 11-17 Uhr.

Düsseldorf hat sich viele Jahre bis 1988 gestritten und schwergetan, die Universität nach Heinrich Heine zu benennen. Wie ist das zu erklären?

Was die beschämende Debatte betrifft, habe ich dafür nur ein Kopfschütteln übrig. Die Zeiten haben sich, Heine sei Dank, geändert. Und doch stimmt es mich nachdenklich, im Gespräch bei Empfängen, Vernissagen oder ähnlichen Gelegenheiten immer wieder auf Menschen zu treffen, die ohne rot zu werden, von sich sagen: „Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich war noch nie im Heinrich-Heine-Institut.“

Selbstverständlich kennen alle Düsseldorfer die Heinrich-Heine-Allee mit ihrer zentralen U-Bahnstation. Ein Knoten-punkt des öffentlichen Nahverkehrs, durch den jeden Tag zehntausende Menschen hasten. Was aber wissen sie von Heine? Der ein oder die andere hat vielleicht schon einmal davon gehört, dass der Text des Liedes von der Loreley aus seiner Feder stammt. Das ist herzlich wenig und sollte sich ändern.

Und an diesem Ort bietet sich eine gute Gelegenheit, Abhilfe zu schaffen. Mein Vorschlag geht in Richtung Rhein-bahn, gemeinsam die U-Bahnstation Heinrich-Heine-Allee zu einem Begegnungsort mit dem Dichter zu gestalten. Auf den Screens und Schautafeln beispielsweise neben Werbung und Wettermeldungen könnten Einspielungen mit Heine Bonmots eingeblendet werden. Anregend frech, zum Schmunzeln sind die und zum Weitererzählen. Ich gebe ein charmantes Beispiel:

„Himmlisch war‘s, wenn ich bezwang

Meine sündige Begier,

Aber wenn‘s mir nicht gelang,

Hatt‘ ich doch ein groß Pläsier“

Lassen wir den Geist Heines ober- und unterirdisch in der Stadt vibrieren. Er wird nicht nur die Düsseldorfer, sondern auch die vielen Pendler und ausländischen Gäste anregend vergnüglich, tiefsinnig und aufgeklärt durch den Tag führen.

Sollte nicht für Schulen dieser Stadt und im näheren Umkreis ein Heinrich-Heine-Tag eingeführt werden, um Schüler über die Bedeutung Heinrich Heines aufzuklären und Zeitgeschichtliches vor Ort zu erzählen? 

Vorschläge, Heine eine Plattform einzuräumen, sind immer willkommen. Ich bin jedoch kein Freund von Eintagsfliegen. Und halte es mit Heine, der stets auf ein „Geltendmachen“ pocht und auf ein beharrliches Insistieren bei der Verwirklichung von Ansprüchen abzielt. Darum meine Forderung: Heine und sein Werk müssen sich exponiert in den Lehrplänen an unseren Schulen wiederfinden.

Und natürlich bedarf es hierfür engagierter Lehrer und den Willen, sich der Mühe zu unterwerfen, die Lehrpläne entsprechend stofflich individuell zu gestalten. Das ist wohl auch möglich und umsetzbar, wie man mir aus schulischen Kreisen berichtet. Nun sind unsere Erfahrungen im Institut mit Schulprojekten positiv, und es ist mir ein besonderes Anliegen, hier die Projekte mit der Joseph Beuys Gesamtschule hervorzuheben. Mit Vergnügen denke ich an wochenlange Proben zu einer Musik- Tanz- und Literaturperformance mit den Schülern und ihrer Lehrerin zurück. Dem Prozess bis zur Aufführung mit seinen Höhen und Tiefen messe ich dabei einen noch höheren Erfahrungswert bei, als den glücklichen Momenten während und nach der Vorstellung.

Heine macht es seinen Lesern nicht leicht, ist oft unbequem und doch liebenswert?

Liebenswert unbequem ist er, und das macht ihn so außerordentlich. Heine sitzt nicht zwischen, sondern steht aufrecht zwischen allen Stühlen. Und Heine nutzt die Chance, ein Unbequemer zu sein. Ein Meisterspötter, der den Finger in die Wunde legt. Nicht als Zweifler, sondern als scharfsinniger Beobachter und Kritiker tritt er auf. Und er hält mit seiner harschen Kritik nicht hinter dem Berg, sondern drückt heftig auf die Stellen, wo es wirklich wehtut. Goethe, der geschmeidige Diplomat, ist da sicherlich einfacher im Umgang und auch deshalb den Frankfurtern ein liebenswerter Sohn der Stadt, in dessen Licht man sich gerne sonnt. Nun, mir liegt der Querdenker Heine mehr. Unbequem nennt er die Dinge beim Namen und solche wie ihn haben wir bitter nötig. Und sein prometheischer Zorn – wie Prometheus ist Heine ein Menschenfreund – gepaart mit seiner Lebenslust machen ihn zu einem liebenswert Unbequemen.

Was würde Heinrich Heine, Ihrer Ansicht nach, uns heute mitteilen wollen, würde er noch leben?

Wozu der Konjunktiv? Heine lebt. Er hat seinen enormen Anspruch an uns weitergegeben, und es liegt an uns, ihm Geltung zu verschaffen. „Geltendmachen ist die Revolution.“ Ein wiederkehrendes Grundmotiv Heines, und er hat dabei als unverbesserlicher Humanist und Kämpfer für die Menschenrechte in erster Linie das Recht auf Selbstverwirklichung im Sinn. 

Ich folge ihm darin leichten Fußes und stoße in seinem Werk auf erstaunliche Anregungen, das Geltendmachen forciert in Angriff zu nehmen. 

Erst kürzlich habe ich Heine als Kunstkritiker für mich entdeckt und in diesem Geiste eine Ausstellung mit Markus Lüpertz konzipiert, die auf große Resonanz gestoßen ist. Darin liegen Ansätze, einer altehrwürdigen Institution frischen Wind zuzuführen. Und der Boréas, der damit vollen Backen pustet und bläst, heißt Heinrich H.


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