„Oper für die Zukunft denken“
Interview mit Alexandra Stampler-Brown, Geschäftsführerin der Deutschen Oper am Rhein
Von Dr. Susanne Altweger
Düsseldorf diskutiert über Um- oder Neubau des Opernhauses. Welche Anforderungen wird es erfüllen müssen? Wie sieht die Oper der Zukunft aus – in 20 Jahren?
Mit diesen Themen befassen wir uns natürlich intensiv. Wir fragen uns, wie wird das Publikum sein, aus welcher Gesellschaft heraus kommt es zu uns, was erwartet es? Wir haben schon vor langer Zeit damit begonnen, das Opernhaus als offenes Kulturangebot zu etablieren, das für die unterschiedlichsten Bedürfnisse etwas im Programm hat: Für geübte Opernbesucher genauso wie für Leute, die einfach mal etwas Neues ausprobieren möchten, für Kinder und Jugendliche genauso wie für Erwachsene. Sollte die Entscheidung zugunsten eines Neubaus fallen, kann die Architektur durchaus helfen, Schwellenängste abzubauen. Die alten Musentempel des 18. und 19. Jahrhunderts hatten einen vollkommen anderen Zweck und gesellschaftlichen Auftrag. Die neuen Häuser, wie die in Oslo, Kopenhagen oder Athen, öffnen sich einem breiteren Publikum, erlauben, ja fordern geradezu vielfältige Nutzung und stellen auch tagsüber eine Verbindung zu den Bürgerinnen und Bürgern her. Durch ein vielfältiges Angebot an kleineren Formaten, zum Beispiel bei einem „making of“ können Schaffensprozesse miterlebt werden. Diese Vorbilder ermöglichen es, sozioökonomische Prozesse vorausschauen.
Binden Sie auch Zukunftsforscher ein? Manchmal liegen diese ja völlig daneben.
Nun, sie geben sehr gute Denkanstöße. Ich war zum Beispiel im Dezember in Glasgow bei einer Konferenz für digitales Marketing. Eine dänische Zukunftsforscherin befasste sich mit der modernen Gesellschaft. Eine ihrer wichtigsten Fragen war: „Wie gehen arbeitende junge Menschen mit ihrer Freizeit um?“ Informationsaustausch und Kommunikation verändern sich im digitalen Zeitalter bekanntlich kontinuierlich und massiv. Spannend für uns ist die Gefühlswelt. Da können wir wirklich punkten. Das Live-Erlebnis in einer Gemeinschaft ist durch nichts zu toppen! Sich einem Musikerlebnis hinzugeben, das schafft innere Ruhe. Bei Wagner kann man das Handy getrost für fünf Stunden offline lassen. Das wirkt wie ein Befreiungsschlag. Und im Anschluss an die Vorstellung die Eindrücke mit Freunden abzugleichen, darüber zu diskutieren ist ganz wunderbar.
Haben Sie dazu schon konkrete Vorstellungen?
Das ist ein ganzes Bündel. Wir arbeiten an vielen Ansätzen gleichzeitig. Das wichtigste ist, wie gesagt, die Überwindung der Schwellenangst: Das Gebäude muss einladend wirken. Zweitens: Bei der Programmgestaltung sind Spielplan, Stilrichtungen und Abwechslung bestimmende Kriterien. Unser Vorteil ist auch künftig der Repertoirebetrieb. Wir bieten immerhin etwa 30 verschiedene Operntitel pro Spielzeit. Dazu kommt noch das Ballett mit einer eigenen Fangruppe. Drittens: Es gibt Lebenszyklen. Das sollte uns die Zukunftsangst nehmen. Es kommen immer junge Menschen nach, die vom Opernvirus infiziert werden. Umfassend haben Preisgestaltung und Programmpolitik einen großen Einfluss. Der Freundeskreis und unsere Sponsoren begleiten uns auf diesem Weg.
Sie sind sehr optimistisch bezüglich neuer Opernliebhaber?
Ja, wir nehmen auch hier unseren Bildungsauftrag ernst und verfolgen seit vielen Jahren konsequent unseren pädagogischen Ansatz, schon Kinder für die Oper zu begeistern. Wir merken sehr deutlich, dass in den Schulen immer weniger musische Bildung angeboten wird. Diese Lücke gilt es zu schließen. Dafür hat Professor Christoph Meyer als Intendant sehr erfolgreich die Kinder- und Jugendsparte an der Deutschen Oper am Rhein etabliert. In jeder Spielzeit steht eine Neuproduktion für junges Publikum auf der großen Bühne, und ein Team von inzwischen drei Musiktheaterpädagoginnen entwickelt größere und kleinere Projekte zur Vermittlung von Oper und Ballett. Notgedrungen verlegen wir viele kleinere Veranstaltungen ins Foyer, aber das ist im Grunde kein ansprechender Raum für kleine Kinder. Mit anderen Räumlichkeiten würden sich auch hier mehr Chancen bieten. Wir könnten unsere langjährigen Erfahrungen erweitern und ausbauen. Schon jetzt besagt unsere Statistik, dass wir pro Spielzeit zwischen 30.000 und 35.000 junge Menschen erreichen. Das ist beachtlich und macht uns stolz.
Werden Sie von der Politik in die Diskussion einbezogen? Theorie ist eines, Sie haben die praktische Erfahrung.
Ja durchaus. Es gibt ein gutes Miteinander und voneinander Lernen. Alle können ihre Ideen einbringen und ich hoffe, dass die Überlegungen weiter ein Gemeinschaftsprojekt bleiben. Man kann nach dem dialogischen Prinzip innovative Skizzen vortragen. Nutzer und Macher sitzen letztlich in einem Boot.
Beziehen Sie auch das Publikum mit ein?
Und ob! Es ist uns gelungen, zum Frühjahr die Ausstellung über Opernhäuser „Neue Oper – viel Theater?“ an unser Haus zu holen. Sie wurde letztes Jahr in Frankfurt gezeigt, kommt Anfang Mai zu uns und bleibt mehr man darüber weiß, desto besser kann man mitreden. Publikumsdiskussionen sind geplant.
Die Oper und ihr weiteres bauliches Schicksal liegen dem Düsseldorfer Publikum sehr am Herzen. Es ist stolz, ein Premiumhaus zu haben.
Ja wir haben wirklich viel positiven Zuspruch. Mit den möglichen Veränderungen entstünde auch in akustischer Hinsicht eine Riesenchance für Düsseldorf als Kulturstadt. Unser Generalmusikdirektor Axel Kober hat erst vor kurzem in einem Interview auf die Probleme hingewiesen. Es ist nicht einfach für die Musiker, wenn sie oft piano und pianissimo spielen müssen, um die Sänger nicht zu übertrumpfen. Man merkt einfach, dass dieses Theater ursprünglich als Sprechtheater und nicht als Musiktheater konzipiert war.
Falls wir in Düsseldorf ein neues Opernhaus bekommen sollten, gibt es Pläne die Fresken zu erhalten oder zu integrieren?
Soweit sind wir noch nicht. Das käme sicher sehr auf den Stil an, ob alte Teile integrierbar wären. Grundsätzlich finde ich es interessant, alte Elemente in Neuem zu erhalten. Das könnte etwas vom alten Flair mitnehmen.
Bevor Sie nach Düsseldorf kamen, waren Sie am Stadttheater Klagenfurt, das ist ein Mehrspartenbetrieb in einer kleinen Stadt. Wie haben Sie den Wechsel an die Oper am Rhein erlebt?
Natürlich haben wir in Düsseldorf ein anderes Volumen. In Klagenfurt habe ich aber schon umfassende Erfahrungen über Produktionsprozesse und -abläufe erfahren, die mir hier sehr geholfen haben. Wir haben als Landestheater das ganze Bundesland Kärnten bedient. Angenehm war, dass bis auf den Kostümfundus alles unter einem Dach war, die Proben, die produzierenden Werkstätten und so weiter. Ich war immer hautnah dran und konnte die Entstehungsprozesse miterleben. Hier haben wir viel mehr Standorte, vieles ist ausgelagert. Und die Zusammenarbeit mit Duisburg ist natürlich ein einmaliges Phänomen. Zwei große Städte und Opernhäuser, das ist eine große Herausforderung, die ich gerne annehme.
Sie haben eine Doppelbegabung. Sie haben Geige studiert. Wie kam es zum Wirtschaftsstudium?
Ich habe Musik und Jura parallel studiert, das ging wunderbar. Das Wirtschaftsstudium mit dem Fokus Kulturmanagement habe ich nach der juristischen Karriere darauf gesetzt. Es hat einfach gepasst. Ich habe bei einem ganz kleinen Theater angefangen und alles von der Pike auf gelernt. Das Schöne an diesem Beruf ist das Endresultat. Ich liebe es in einer Premiere zu sitzen.
Letzte Frage: Wie wurden Sie gefunden?
Es hat sich einfach herumgesprochen. Die Intendanten sind untereinander gut vernetzt. Know-how ist das Eine, aber gerade in einer Doppelspitze ist es ebenso wichtig, dass die Chemie stimmt. Zwischen Generalintendant Professor Meyer und mir herrscht eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Kurzvita
Geboren in der Steiermark in Österreich. Jurastudium an der Universität Wien. Musikalische Ausbildung am Franz Schubert Konservatorium in Wien (Violine). 2001 bis 2011 Lebensmittelpunkt in Schottland. MBA in Kulturmanagement an der Queen Margaret University Edinburgh. Ab 2002 an diversen Theatern in Schottland als Generalmanagerin. 2011 bis 2013 Kaufmännische Direktorin am Stadttheater Klagenfurt. Seit 2014 Geschäftsführende Direktorin der Deutschen Oper am Rhein.
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