Von Düsseldorf nach Pommern – Unser Leben in Polen
In Danzig, Gdynia und auf dem Gut Jawory
von Malgorzata und Gregorz Bartosiewicz
Wir leben dort, wo andere Urlaub machen: an der Ostsee und auf einem ehemaligen Rittergut auf dem Land. Die Luft hier ist sauber und gut und die Böden sind unbelastet von Düngemitteln und Pestiziden – richtige Ökoqualität.
Geboren in Danzig wollte ich nach dem Abitur eine Ausbildung im Ausland machen und ging nach London. Dort lernte ich meine Frau Maggie – ebenfalls in Danzig geboren – kennen, die damals in Düsseldorf als Erzieherin arbeitete. Nach einigem Hin und Her zog ich ebenfalls nach Düsseldorf. Wir heirateten und ich machte mich nach einer weiteren Ausbildung mit einem Stuckateur-Betrieb selbständig. Hier wurde auch unser Sohn Jimmy geboren und wir hatten gut zu tun.
1989 erfolgte der politische Umbruch durch den Sturz des Kommunismus in Polen. Das Land musste total neu aufgebaut werden. Ein großes Problem war, dass in all den Jahren sehr viele gut ausgebildete Menschen Polen verlassen hatten. Die anderen kannten jahrzehntelang nur die kommunistische Wirtschaft. Maggie und ich fühlten eine Art Herausforderung und auch Verpflichtung, sich jetzt für die Heimat einzusetzen. Unsere Eltern lebten noch dort und fragten „Wollt ihr nicht zurück kommen?“
Info: Pommern Region im Nordosten Deutschlands und im Nordwesten Polens, die von der Ostseeküste und deren vorgelagerten Inseln von knapp 50 Kilometer bis zu fast 200 Kilometer weit ins Binnenland reicht. Der Name Pommern ist die eingedeutschte Form von „Pomorje“ und ist slawischer Herkunft: „po more“ – „am Meer“. Pommern hat eine wechselvolle Geschichte. 1990 erfolgte mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag die endgültige vertragliche Anerkennung der deutsch-polnischen Oder-Neiße-Grenze und somit auch die Zugehörigkeit Hinterpommerns zu Polen. |
Wir fuhren also durch das schöne Land Pommern im Norden von Polen und sahen die Möglichkeiten, die sich auftaten. Mit unseren Erfahrungen und dem Wissen aus Deutschland konnten wir etwas bewegen. In Gesprächen mit Freunden und Bekannten bekamen wir viele Hinweise. So entschlossen wir uns 2001 zum Umzug.
Das Haus in Düsseldorf konnten wir gut verkaufen und bauten für uns zuerst ein neues Heim in Gdynia (Gdingen), der Hafenstadt an der Danziger Bucht. Während des Zweiten Weltkriegs war das damals Gotenhafen genannte Gdingen bedeutender Stützpunkt der deutschen Kriegsmarine und wurde durch britische und US-amerikanische Luftangriffe erheblich zerstört. Heute bildet es mit der bekannten Hansestadt Gdańsk (Danzig) und dem berühmten alten Seebad Sopot (Zoppot) eine aufstrebende Wirtschaftsregion. Gdynia ist eine moderne Stadt, die internationalen Anschluss gefunden hat.
Danzig wurde nach dem Krieg mit großem Aufwand vorbildlich wieder aufgebaut und ist Ziel vieler Touristen und Kreuzfahrtschiffe. Berühmte Sehenswürdigkeiten laden zur Besichtigung ein, wie beispielsweise die St. Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt, das berühmte Krantor, das früher mit menschlicher Kraft im Laufrad angetrieben wurde (bekanntestes Wahrzeichen der Stadt), das Bernsteinmuseum mit außergewöhnlichen Objekten und seit der Fußball-EM 2012 die Arena (im Volksmund Bernstein genannt) sowie die Frauengasse mit ihren schmalen und reich geschmückten Bürgerhäusern. Auch der Kurort Zoppot glänzt wieder mit seinem Grandhotel, dem Casino und internationalen Sportveranstaltungen.
Unser Interesse galt aber dem Land. Hier gibt es noch viele der alten Güter, die während der kommunistischen Herrschaft nicht mehr richtig bewirtschaftet wurden. Durch Bekannte wurden wir auf Jawory aufmerksam: 375 Hektar groß mit Landwirtschaftsflächen, Wiesen, Wald und Seen sowie einem sehr großen alten Herrenhaus von 1880.
Die landwirtschaftlichen Böden wurden so gut wie nicht genutzt und waren frei von chemischen Hilfsmitteln – also hervorragend für ökologischen Anbau von Bio-Produkten. Das Haus war ebenfalls jahrzehntelang nicht gepflegt oder renoviert worden. Es wurde damals zur Unterbringung von Übersiedlern aus Ostpolen genutzt, weil diese Gebiete nach dem Krieg an Russland fielen. Entsprechend war sein Zustand und bei einer Größe von rund 1.250 Quadratmetern Wohnfläche mit zwei Treppenhäusern eine kostenintensive Baustelle.
Trotzdem entschieden wir uns 2002 für Jawory, zu dem ein kleines Dorf mit 139 Einwohnern gehört. Zunächst waren wir Pächter und hofften auf einen schnellen Kaufvertrag, denn der polnische Staat musste die verstaatlichten Immobilien wieder privatisieren. Aber die Bürokratie ließ sich unendlich viel Zeit und die Preise stiegen unaufhörlich weiter. Das Paradoxe der Situation war, dass alle unsere eigenen Investitionen zur Verteuerung der Immobilie beitrugen.
Seit zwei Jahren sind wir nun Eigentümer und haben viel über die moderne Landwirtschaft gelernt. Der Beitritt zur EU hat uns sehr geholfen. Leider sind Arbeitskräfte auch hier Mangelware und das Wetter kann uns schnell einen Strich durch die Planung machen. Auch über die sehr ernsten Probleme in der Ukraine machen wir uns große Sorgen. Wenn es wieder mal bedrückend wird, hilft eine kleine Reise zu Freunden nach Düsseldorf – besonders Maggie liebt es sehr!
Neben dem Anbau von Dinkel und anderen Bio-Produkten ist auch die Tierhaltung interessant. Nach vielen Erfahrungen mit Schafen, Hühnern und Gänsen haben wir uns jetzt auf die Rinderzucht (Limousin-Rinder) spezialisiert. Bestes Futter, saubere Luft und ruhige Umgebung sorgen für erfolgreiche artgerechte Haltung der Tiere und damit für 1A-Qualität des Fleisches.
Daneben besitzen wir auch Pferde, denn so kann ich am besten alle Bereiche des Anwesens erreichen und nach dem Rechten sehen. Auch unser inzwischen 21 Jahre alter Sohn Jimmy verbringt seine Ferien hier, unterstützt mich tatkräftig und hat viel Freude daran. Während der Schulzeit und jetzt beim Studium an der Königlichen Technischen Hochschule Danzig muss er in Gdynia bleiben, wo er von den Großeltern betreut wird. Es sind zwar nur 100 Kilometer, aber keine Autobahnen, sondern alte Landchausseen mit herrlichem Baumbestand – das braucht seine Zeit. Er macht inzwischen seine eigenen Experimente und braut selbst ein gutes Bier! Nebenbei. Natürlich vermarktet er es auch für seine Zwecke.
Das große Herrenhaus aber wartet noch auf bessere Zeiten. Wir bewohnen nur einen Teil davon. Hier in Pommern gibt es viele solcher Güter mit wunderbaren alten Gebäuden. Manche haben zahlungskräftige Investoren gefunden und wurden zu romantischen Hotels mit traumhaftem Wellness-Angebot. Interessant sind auch die vielen Möglichkeiten hier zu wandern, Rad zu fahren oder in Seen zu baden. Fantastisch ist der Wildbestand – alle Wildarten und unzählige Vogelarten können beobachtet werden. Im Winter sind Skiwandern und Eislaufen möglich. Insgesamt wird die Erschließung der Region aber noch länger dauern.
Eine neue Möglichkeit der Beherbergung ist auch entstanden: Es gibt Alten- und Pflegeheime, wo den Patienten viel mehr Zeit gewidmet werden kann, weil es genug Personal gibt. Polnische Pflegekräfte haben einen sehr guten Ruf erworben und mancher Angehörige nimmt für den Besuch eine preiswerte Flugstunde nach Danzig gerne in Kauf, wenn eine liebevolle Pflege gesichert ist. Bei Demenzerkrankungen zum Beispiel wissen die Patienten sowieso nicht, wo sie sich genau befinden und das Wichtigste sind Ansprache (deutsch) und Zuwendung.
Soweit also das Abenteuer Heimat, auf das wir uns eingelassen haben. Die Reise war nicht weit – nur circa 1.000 Kilometer – aber es war eine andere Welt. Seitdem verschmelzen diese Welten immer mehr und die Gäste, die zu uns kommen, suchen das Besondere, Ursprüngliche. So kamen eines Tages auch Leute mit Kameras vom SWR- und MDR-Fernsehen, um authentische Berichte über das Land Pommern zu drehen und Zeugen der Vergangenheit zu suchen. Sie melden sich von Zeit zu Zeit wieder bei uns, weil sie die Entwicklung dokumentieren wollen. Vielleicht sehen Sie uns ja einmal im Fernsehen?
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