»Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen« Uecker – Hafis – Goethe
Anlässlich Günther Ueckers 90. Geburtstag zeigt das Goethe Museum bis zum 15. November eine Sonderausstellung
Poesie kann so kraftvoll sein, dass sie andere Künstler fast zwangsläufig zu eigenen Werken inspiriert, und das über geografische, historische und kulturelle Grenzen hinweg. Wenn Günther Uecker sagt: »Sobald ich lese, muss ich auch malen« und Goethe erklärt: »Ich musste mich dagegen produktiv verhalten, weil ich sonst vor der mächtigen Erscheinung nicht hätte bestehen können«, so beziehen sich beide auf dasselbe Werk. Beide, der Weimarer Klassiker und der ZERO-Künstler, konnten sich der schöpferischen Energie der Gedichte aus dem Diwan(der Sammlung) des persischen Poeten Hafis (auch: Hafez) aus dem 14. Jahrhundert nicht entziehen. Vielmehr geriet der eine wie der andere durch die Lektüre in einen Schaffensrausch.
So entstanden der West-östliche Divan, die größte Gedichtsammlung Goethes, und 200 Jahre später Ueckers Huldigung an Hafez, ein Zyklus von 42 Druckgrafiken, darunter neben Siebdrucken auch Sand- und Prägedrucke. Angeregt vom Bilderreichtum der über 650 Jahre alten Gedichte des persischen Poeten, führt Uecker seine weit ausschwingende Handschrift mit leuchtenden Pinselmalereien in einem temperamentvollen Tanz zusammen.
Die Sonderausstellung zeigt Ueckers Huldigung und Goethes Divan im Erstdruck und in ausgewählten Originalhandschriften, aber auch die Gedichtsammlung von Hafis, die beide inspirierte, und Arbeiten aus Ueckers umfangreichem, aber bisher weniger bekannten bibliophilen Werk. Damit schlägt die Schau eine Brücke zwischen den Jahrhunderten und führt den Blick vom Orient zum Okzident sowie mit einer filmischen Dokumentation über Ueckers Ausstellungsreise in den Iran auch zurück von West nach Ost.
Seit 2016 reist Ueckers Grafikzyklus durch alle Teile des Irans, wo er bisher achtmal Station gemacht: in Schiras, Teheran, Isfahan, Kerman, Maschhad, Rascht, Buschehr und auf der Insel Kisch. An jedem dieser Orte haben sich bekannte einheimische Künstlerinnen und Künstler von Ueckers Huldigung an Hafez inspirieren lassen und je ein Exponat zu der Ausstellung beigetragen. Durch diese außergewöhnliche Zusammenarbeit ist die Ausstellung während ihrer Reise durch den Iran stetig gewachsen und hat sich zu einem Projekt der Völkerverständigung entwickelt.
Titelfoto: Günther Uecker bei der Ausstellungseröffnung unter Coronabedingungen.
© Fotos: Evelin Theisen
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