„Fortuna wird in 10 Jahren ein etablierter Bundesligist sein“
Interview mit Paul Jäger, Vorstand Finanzen bei Fortuna Düsseldorf
von Björn Merse und Christian Theisen
Sie sind erst spät zum Fußball gekommen. Ihre erste Sportart war immer Hockey, gefolgt von Tennis. Wie sind sie zu Fortuna gekommen?
Ich bin schon ganz früh Fortuna-Fan gewesen. Meine Erinnerung setzt 1964 ein, da habe ich schon Spiele mit meinem Vater besucht. Unvergessen ist der erste Aufstieg der Fortuna in die Bundesliga 66, dazu die WM in England. Unser erster Sieg in der Bundesliga direkt im ersten Spiel damals beim amtierenden Europameister BVB in Dortmund. In der 92. Minute schoss Pitter Meyer das 2:1 für uns. Und dann diese unglückliche Niederlage unserer Nationalmannschaft in Wembley gegen England. Diese beiden Ereignisse haben aus mir endgültig einen Fußballverrückten gemacht. Hinzu kam, dass Onkel Matthes (Mauritz) mein Nachbar war und mich öfter einmal in der Kindheit zu den Spielen der Fortuna mitnahm.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann im Bereich Hockey aktiv zu werden, damit dieser Sport noch beliebter und wirtschaftlich erfolgreicher in Deutschland wird?
Hockey hat sich für mich durch den Kunstrasen ein wenig entfremdet. Das ist eine andere Sportart geworden! Physische Voraussetzungen haben an Wichtigkeit gewonnen, die Technik kommt mir oft zu kurz. Pakistanis und Inder waren zu meiner Zeit tolle Techniker. Durch die neuen, mit dem Kunstrasen verbundenen Anforderungen, sind sie hinten runter gefallen. Grundsätzlich könnte Hockey aus meiner Sicht im Indoor-Bereich, also im Hallenhockey, in Deutschland die Nr. 1 werden. Aber dies wurde nie angestrebt. Dazu ist Feldhockey zu wichtig, weil olympisch. Eine ähnliche Begeisterung, wie es das Feldhockey in Holland entfacht, sollte allerdings auch in Deutschland möglich sein. Dazu müssten die Vereine, vor allem die Bundesligisten, wahrscheinlich in eine bessere Infrastruktur investieren. Tribünen in unmittelbarer Nähe zum Platz, das wäre gut für die Stimmung. Und VIP-Bereiche – da gibt es sicherlich eine interessierte Zielgruppe. Die Hockeyvereine benötigen zusätzliche Einnahmequellen für ihren Etat.
Fortuna hat gerade Anfang der 2000er-Jahre einen starken sportlichen Abstieg hingelegt. Man war sogar viertklassig und trotzdem sind Sie dabei geblieben. Gab es keine Angebote von anderen höherklassigen Vereinen?
Oh doch, ich hatte zwischendurch immer mal Angebote von anderen Vereinen – unter anderem zu Rüssmanns Zeiten von Gladbach – und Rostock war zu deren Bundesligazeiten auch einmal ein Thema. Aber ich leiste mir den Luxus, mein Hobby Fortuna zum Beruf gemacht zu haben und deshalb bin ich nicht käuflich. Hundertprozentige Identifikation geht nur bei Fortuna – hier bin ich zu Hause, hier ist mein Verein, einmal Fortune, immer Fortune! Und Düsseldorfer mit Leidenschaft bin ich nebenbei auch!
Wie ist es Fortuna gelungen, die Mitgliederzahlen von 2.250 im Jahr 2006 auf 24.000 aktuell zu steigern?
Durch unsere Mitgliederkampagne, die vorsieht, dass jeden Monat Gewinne für Neumitglieder ausgelobt werden, die man nicht kaufen kann. Diese Idee war die Seele des Ganzen und wird auch noch heute durch Claudia Beckers mit Engagement und Leidenschaft umgesetzt. Dazu kamen dann verstärkende Maßnahmen, wie die Möglichkeit des Beitritts über eine Online-Mitgliedschaft oder der zwischenzeitliche Aufstieg in die Bundesliga. Insgesamt eine Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht zu Ende ist!
Kann man die Bundesligazeit in den 90er-Jahren eigentlich überhaupt noch mit Ihrer aktuellen Arbeit vergleichen oder liegen da Welten zwischen?
Als ich 1989 angefangen habe, hatte ich eine Festangestellte und eine Azubi! Der Fußball hat sich in den letzten 25 Jahren unglaublich entwickelt! Mittlerweile sind alle 36 Vereine der DFL mittelständische Unternehmen. Die Fortuna hat in der 2. Bundesliga einen Umsatz von ca. 30 Millionen Euro und verfügt insgesamt – ohne angestellte Fußballspieler und Trainer – über 50 Mitarbeiter.
Können Sie anhand einiger Zahlen verdeutlichen, wie sich das Fußballgeschäft – insbesondere bei Fortuna – in den letzten 25 Jahren verändert hat?
Nun ja, damals gab es zum Beispiel nicht einmal einen Bereich wie Merchandising. heute haben wir als Zweitligist dort einen Umsatz von 2 Millionen Euro.
Die unglaubliche Entwicklung der TV-Erträge ist jedem bekannt! Zu Bundesligazeiten hatten wir damals einen Gesamtetat von 12 Millionen DM. Heute wäre dies ein Etat von 60 Millionen Euro.
Fortuna steht heute wirtschaftlich wieder gut da. Sie waren in guten und in schlechten Zeiten in der wirtschaftlichen Verantwortung. Was machen Sie heute anders als vor 15 Jahren?
Nicht ganz richtig! Ich war immer für die Zahlen verantwortlich. Aber es ist ein Unterschied, ob du weisungsgebundener Geschäftsführer bist und einem Finanzvorstand oder Schatzmeister zuarbeiten musst oder ob du Vorstand und damit Entscheider bist. Ich war schon einmal in den Jahren 1994 bis 1997 Vorstand und auch in dieser Zeit war die Finanzwelt bei der Fortuna in Ordnung. 1997 war ich als Vorstand nicht mehr gewünscht, weil die Fortuna aus der Bundesliga abgestiegen ist und eine neue Vorstandsmannschaft den Verein führen wollte. Die finanztechnischen Informationen waren damals wie heute vorhanden, die Prognosen bezüglich GuV und Liquidität waren nachweislich korrekt, aber die Maßnahmen, die vom jeweiligen Vorstand eingeleitet (oder nicht eingeleitet) wurden, um die Finanzen in Ordnung zu bringen oder in Ordnung zu halten, waren in meiner Zeit als weisungsgebundener Geschäftsführer nicht in meinem Sinne. Ich habe die ganzen Jahre über die Berichte für die Schatzmeister geschrieben und es wurde darin – vor allem nach den abgeschlossenen Verträgen mit der Sportwelt – immer von einer galoppierenden Verschlechterung des Minuskapitals gesprochen und dies wurde auch im Rahmen von Jahreshauptversammlungen verlesen. Keinen hat es gestört! Das finanzielle Desaster des Vereins war abzusehen und eine ganze Menge Leute sind sehenden Auges trotzdem und unbeirrt in die gleiche und falsche Richtung weiter marschiert. Aber, schauen wir in die Zukunft, denn alle früheren Verantwortlichen haben es gut mit dem Verein gemeint und ihr Bestes gegeben.
Waren Sie überrascht, als auf der gerade erst stattgefundenen Mitgliederversammlung ihr Aufsichtsratsvorsitzender Burchard von Arnim keine Mehrheit gefunden hat?
Ich habe mir abgewöhnt, mich im Fußball oder bei der Fortuna überraschen zu lassen. Niemand kann sagen, dass die Gremien der Fortuna – also Vorstand und Aufsichtsrat – in den letzten Jahren nicht erfolgreich und kontinuierlich gearbeitet hätten. Deshalb irritiert es mich ein wenig, dass der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter abgewählt wurden.
Eigentlich bringt Düsseldorf beste Standortbedingungen für einen erfolgreichen Fußballverein mit. Warum ist aus der Fortuna nie ein „Großer“ wie der BVB oder Bayern München geworden?
Wir haben aktuell seit mehreren Jahren zum ersten Mal die Möglichkeit, uns als Verein kontinuierlich und ohne Störfeuer aus den unterschiedlichsten Richtungen zu entwickeln. Dies haben wir genutzt und viele Weichen für eine tolle Zukunft des Vereins gestellt! Düsseldorf hat in der Tat beste Voraussetzungen für einen Fußballverein, und diese Voraussetzungen werden und wollen wir nutzen. Viele Vereine der Bundesliga sind zwar aufgrund unserer 10jährigen Abstinenz vom Lizenzfußball Lichtjahre von uns entfernt, aber wir holen überproportional auf.
Welche Vereine sind Benchmark für Fortuna in wirtschaftlicher Hinsicht?
Wir schauen immer, was die Konkurrenz besser macht: Welche Anstrengungen unternehmen andere Vereine bezüglich des Nachwuchsleistungszentrums? Mit welchem Etat planen sie für die Lizenzmannschaft? Wie sieht die Infrastruktur aus? Woher haben andere Vereine ihre Gelder? Es lohnt sich grundsätzlich immer, zum Branchenführer nach München zu schauen. Aber im Ergebnis muss jeder Verein seinen eigenen Weg finden.
Die Diskussion um sogenannte Retortenvereine, wie Hoffenheim oder RB Leipzig ist ja in aller Munde. Wie stehen Sie dazu? Ist dieser Weg überhaupt noch aufzuhalten?
Hoffenheim ist kein Retortenverein! Die haben nur mit Herrn Hopp jemanden gefunden, der sich materiell und ideell dort engagiert. Leipzig ist auch nicht mein Fall. Mateschitz und seine Marketingkampagnen sind mir nicht sonderlich sympathisch. Aber insgesamt gilt es, mit dem Jammern aufzuhören. In der Tat, wir können solche Entwicklungen wahrscheinlich nicht aufhalten.
Deshalb müssen wir schauen, dass auch die Fortuna langfristige Partner findet, die uns bei der mittelfristigen Etablierung der Fortuna in der Bundesliga helfen. Da müssen die Verantwortlichen im Verein ergebnisoffen diskutieren! Allerdings kann jeder Fortune sicher sein, dass wir die Tradition im Verein wahren und langfristige Partner in die Philosophie der Fortuna passen müssen.
Wann sehen wir die Fortuna endlich international wieder spielen?
Erst einmal müssen wir in die Bundesliga aufsteigen, dann die Bundesliga halten, dann uns etablieren, und dann marschieren wir in Richtung Tuchfühlung zu den UEFA-Rängen! Und dann schreiben wir das Jahr 2024 und die Weltmeisterschaft findet in Katar statt.
Wo sehen Sie Fortuna in 10 Jahren? Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Fortuna wird in 10 Jahren ein etablierter Bundesligist sein und vielleicht auch einmal an die UEFA-Cup-Ränge klopfen können. Und ich helfe manchmal am Flinger Broich oder helfe in Wolf Werners Garten in Wilhelmshaven.
Zählt für Sie wie für manch andere hier im Verein auch: Einmal Fortuna immer Fortuna?
Bis dass der Tod uns scheidet und gerne auch darüber hinaus!
Kurzvita
Der 56-Jährige Paul Jäger arbeitet seit 1989 für die Fortuna. Bis Frühjahr 2010 war der in Düsseldorf geborene ehemalige Bundesliga-Hockeyspieler kaufmännischer Geschäftsführer des Vereins und erlebte dabei großartige, aber auch betrübliche Zeiten der Vereinsgeschichte. Der Diplom-Kaufmann begleitete wie Peter Frymuth und Thomas Allofs den Weg zurück in die Bundesliga und wurde im Mai 2010 in den Vorstand der Fortuna berufen. Paul Jäger verfügt über gute Beziehungen zum DFB und DFL und gilt als ausgewiesener Experte in Sachen Lizenzierung.
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