20. August 2019In 2019/3

„Konichiwa“

Reisebericht Japan


von Caroline Merz

Um dieses Land und seine Menschen wirklich zu verstehen, muss man mehrfach hingereist sein. Ein Land voller Gegensätze: Einsamkeit und Menschenmengen, moderne Technologie bis zum Abwinken und der Glaube an Jahrhunderte alte Traditionen gepaart mit menschlichen Nöten und Kälte; und doch findet man sie, die offen und schon fast kindlich netten Japaner. Trotzdem, die Japaner bleiben am liebsten unter sich. Für uns Rheinländer oft total verschlossen. 

Zum Beispiel Ausgehen in Japan: Geisha oder Hostessen Bars kann man als Ausländer nie besuchen, höchstens, wenn man von einer Gruppe männlicher Japaner mitgenommen wird. Diese Bars gibt‘s übrigens auch für Frauen – dort bekommt man keinen Sex, aber viele Komplimente. Die bekommt eine japanische Frau sozusagen nie von ihrem Mann, daher sind sie sehr beliebt und unfassbar teuer – eine Komplimentestunde kostet circa 350 €, aber nie für Ausländer. Da ich fast kein Wort verstehe, wäre es bei mir eh egal … Und dann gibt‘s noch die Katzencafes, dort darf man gegen Geld eine halbe Stunde lang mit Katzen kuscheln … und außerdem sogenannte Grapschbars! Da in der UBahn das Angegrapscht werden zum unangenehmen Alltag der Japanerin gehört, darf man das dort gegen Bezahlung legal machen. Aber alles nur für Japaner. Niemals für Ausländer. In den größeren Städten findet man Menschen mit guten Englischkenntnissen. Auf dem Land und in Kleinstädten geht allerdings fast nichts in Sachen Verständigung. Wenn man Glück hat, sind die Speisekarten zweisprachig. Sonst hat man ein Problem und muss sich mit Übersetzungen im Internet behelfen. Doch kommen wir zum Reisen durch ein Land der großen Gegensätze zu deutschen Umgangsformen. Um nur ein Beispiel zu benennen: wenn man in Deutschland ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, dann ist es selbstverständlich, den Platz für ältere oder gebrechliche Menschen frei zu machen. In Japan beleidigt man mit einer solchen Aktion den älteren Menschen, indem man ihm signalisiert, dass man ihn für alt und schwach hält. 

Aber nun zur Reise: In Tokio angekommen, ging es dieses Mal ins Hyatt Centric, ein Hotel in Superlage zu Restaurants und Shopping. Der Japaner shoppt gerne, allerdings Frauen und Männer getrennt. Es ist rührend, die Männer in unseren westlichen Luxusläden für ihre Frauen einkaufen zu sehen. Mit den Verkäuferinnen wird dabei garantiert mehr geredet, als mit der eigenen Ehefrau im ganzen Monat. Status ist extrem wichtig. Bei meinen 3 Japanbesuchen habe ich nur 2 Händchen haltende und sich küssende Paare gesehen. Eigentlich traurig. In den Großstädten ist immer etwas los, aber Städte in der Größe zum Beispiel von Wuppertal sind den ganzen Tag über wie ausgestorben – und davon gibt es viele. Wenn man wie ich mit dem Shinkhansen mehrfach quer durch‘s Land fährt, sieht man am meisten. Unendliche Reisfelder, in denen ganz nette Häuser liegen. Der Baustil ist ziemlich einfach und funktional. Leider sieht man die traditionellen schönen geschwungenen Hausdächer nur noch selten. In den dazu gehörigen Kleinstädten sind überall leergefegte Straßen. Nur am Bahnhof ist immer etwas los. Gegen Abend und Morgen sieht man in ganz Japan immer das gleiche Bild: Männer in Anzughose mit weißem Hemd, Kinder in Schuluniform und Frauen ziemlich langweilig, fast spießig gekleidet. Oft werden viel zu große Schuhe getragen, das soll das Erscheinungsbild besonders beim Mann vergrößern. Folglich wird darin geschlurft, sieht oft lustig aus. Eine Frau ist besonders sexy, wenn sie O-Beine hat, ganz schlimm „über den großen Onkel“ latscht und leicht verstört auf den Boden schaut, etwa wie ein 3jähriges Kind, das bei irgend etwas erwischt wird: Kindchenschema und Schulmädchensex. Fast grotesk. Passt aber wiederum perfekt zum Mangastyle. Wenn wir uns an Heidi erinnern, haben wir wirklich ein optisches Vorbild. Die Mangas sind Phantasiehelden von kids, hier können sie ihre Gefühle ausleben – Wut, Liebe, Zorn und Mitgefühl. Uns emotional ziemlich fremd ist auch das Halten und Mitführen von elektronischen Hunden in Japan. 

Aber bleiben wir zunächst in Tokio. Natürlich muss man mal die berühmte sternförmige Shibuya Kreuzung besucht haben. Selfie klappt kaum, die Menschen hetzen von einer Seite auf die andere. Neben Hunderten von europäischen Läden – Finger weg wegen zu teuer – empfehle ich auch mal in ein typisches japanisches Kaufhaus zu gehen. Gibt‘s in jeder größeren Stadt. So etwas an schrecklichen Schuhen sieht man nie wieder. Man muss es sich anschauen. Was man allerdings gut kaufen kann, sind Regenschuhe. Da es dauernd schüttet, ist das Angebot riesig – auch von Hunter. Mein Lieblingsthema im Kaufhaus: Schirme und japanischer Kleinkram. Wenn bei uns ein Schirm vor allem regensicher sein soll, so ist er dort auf 90 Prozent sonneneinstrahlungsresistent getestet. Es gibt gefühlt und gesehen Hunderte von Modellen. So ist es auch mit Hüten und langen Ärmelstulpen gegen die Sonne. Wenn man in Japan aus dem Hotelfenster schaut und Massen an Schirmen sieht, dann ist schönes Wetter. Und nun zu meinen Lieblingsmitbringseln. In der oberen Etage befinden sich die Schul- und Küchenutensilien. Meine Kids lieben alles von da. Vor allem die Megalunchboxen. Und die Sushiradiergummis sind der Geschenkehit in Deutschland. Alles „sauteuer“ aber sowas von schön und nützlich. Ebenfalls unbedingt muss man gut essen gehen. Teppan ist sehr beliebt, genauso wie Tempurarestaurants, besonders lecker im „Tenichi“, die coolste Bar ist die „New York“ Bar im 52.Stockwerk des Hyatt. Tempurarestaurants liebe ich, weil nur in Japan und auch klasse für Vegetarier. Jedes Ding wird frisch nur für den Gast zubereitet. Und dann gibt es die traditionellen Restaurants. Das muss man mögen. Leicht fischig schmeckender Tofu, viel undefinierbares Essen mit teils wenig Geschmack – das ist meine Meinung. Ich persönlich kann in Ryokanhäusern – traditionellen japanischen Hotels – auf das Frühstück sehr gerne verzichten. Ein Fischauge liegt zum Beispiel um 6h morgens im-mer noch im Magen meines Mannes. Denn aus Höflichkeit muss alles gegessen werden. Da kann man zum „Blitzvegetarier“ werden. Trotzdem muss man mal in einem Ryokan übernachtet haben. Super. Und natürlich traditionell auf dem Boden schlafen. Einfach Klasse: nachts in der zimmereigenen heißen Quelle unter dem Dach zu sitzen: „über dir schüttet‘s und unter dir braust die See“. Dann weiß man aber auch: heiße Quellen heißt Erdbeben. Und von denen gibt‘s in Japan täglich mehrere 100! Ein Warner im Handy zeigt immer die aktuellen schwereren Beben an. In Nagoya hatte ich im 33. Stockwerk meines Hotelszimmers im Mariott ein Glas Wasser auf dem Tisch abgestellt. Plötzlich kam ein dumpfes Grummeln, dann rutsche das Glas einen Meter weit zur Tischkante und fiel herunter. Ich war geschockt, in Japan interessiert so etwas Läppisches aber niemanden. Überhaupt Nagoya: Hier gibt‘s eine tolle ziemlich neue japanische Burg. Fotomotiv! Eine Stunde weiter weg am Meer liegt besagtes Ryokanhotel mit heißer Quelle. Moderne Großstadt, „Toyota“ kommt daher. Unfassbar moderne Uni. Sogar die Atemluft der Studenten wird in Energie zur Warmwasserversorgung der Uni umgewandelt. Riesige Schaltzentralen zeigen an, wieviel Wasser wo verbraucht und hergestellt wird. Toyota hat diese Stadt technologisch voll im Griff und als Sponsor überall seine „Finger drin“. Das bringt der Stadt großen Wohlstand.

Von Nagoya geht es im Shinkhansen weiter nach Kyoto. Die neben Tokio wohl meist besuchte Stadt war jahrhundertelang die Hauptstadt Japans und ist meine japanische Lieblingsstadt. In Kyoto wurde auch die Teezeremonie erfunden. Und Matcha wird gemahlen. Ein Bombengeschäft! Alles mit und aus Matcha wird verkauft. Seife, Cremes, Kuchen, Tee, Brot, Eistees. Matcha ist allgegenwärtig und oft auch sehr lecker. Aber auch hier: geschenkt gibt es gar nichts. Natürlich ist die goldene Pagode ein Muss, aber die anderen Tempel sind oft nicht so überlaufen und nicht minder schön. Mir hat der FushimiInari Schrein mit den 1000 Toren am besten gefallen. Und abends ging‘s in das Vergnügungsviertel. Tolle Restaurants und Japan einmal offenherziger. Dafür mindestens 4 Tage einplanen. Auf Grund der feuchten Wärme und des vielen Grüns entwickeln sich die Grillen dort besonders gut. Megabrummer von circa 8 bis 10 cm. Unglaublich. Sie sind am Tag überall so laut, dass man sich oft anschreien muss.

Anschließend ging’s weiter nach Toyama. Liegt quasi gegenüber auf der anderen Landesseite von Tokio. Mit dem Zug fährt man durch endlose grüne Bergketten und an wunderschönen Seen vorbei. Und dann kommt die Stadt des rohen Fisches. Dafür ist Toyama bekannt. Allerdings nach 3 Tagen morgens, mittags und abends hatte ich mal wieder Lust auf etwas Warmes. Sonst hat diese Stadt nicht viel zu bie ten. Ein altes Schiff im Hafen und ein Felsen mit einem japanischen Baum drauf. Naja. 

Was aber seit Neuestem interessant ist: ganz Japan hat einen unfassbaren Appetit auf Milch. Und da fast ausschließlich Fleisch gezüchtet wird, ist Milch wahnsinnig teuer. Natürlich auch alle Milchprodukte. An manchen Tischen standen morgens in den Hotels mehr als 10 (!) leer getrunkene Milchgläser bei 2 Gästen. 

Fazit: Alles in allem ist das hier nur ein kleiner Querschnitt eines sehr interessanten und dringend besuchenswerten Landes. Ich glaube, Japan empfindet jeder anders. Das macht es sehr individuell und außergewöhnlich. Schon mein eigener Mann hat unterschiedliche Auffassungen. Was ich nie verstanden habe, sind sehr viele Blumen fotografierende Männer in den Parks. Und beim Hundegassiführen, meist in einer Art Kinderwagen, wird eine Minigießkanne für das kleine Geschäft mitgeführt! Also selbst hinfahren und sich ein Urteil bilden. 

Für uns geht‘s nächstes Jahr nach Osaka, Nagasaki und Sapporo, wieder komplett anders. 

„Sayonara“


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