„Die Klimaresilienz der Städte ist wichtig für alle“
Interview mit Thomas Schürmann, Regierungspräsident Düsseldorf
von Dr. Susan Tuchel
Sie sind mit 43 Jahren der jüngste Regierungspräsident in der Geschichte der Düsseldorfer Bezirksregierung. Was zog Sie nach dem Studium in die Bezirksregierung und in die Stadtverwaltung statt in die freie Wirtschaft?
Zu Beginn des Studiums hätte ich noch nicht sagen können, wo ich landen werde. Ich habe Praktika in unterschiedlichen Bereichen gemacht, auch im Burgenland in Österreich. Mir wurde dann ziemlich schnell klar, dass ich in einem Bereich arbeiten möchte, in dem ich etwas bewegen kann. Da ich nicht nur als Architekt Gebäude entwerfen, sondern Städte und Regionen gestalten wollte, habe ich zunächst Raumplanung studiert und bin Diplom-Ingenieur geworden; anschließend habe ich das Referendariat absolviert und wurde Bauassessor.
Heute leiten Sie mit der Bezirksregierung eine allgemeine Landesmittelbehörde, die es nur noch in vier Bundesländern gibt. Welche Düsseldorfer Themen kamen denn in Ihrer Zeit beim Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW und als Leiter der Gruppe „Wiederaufbau, Denkmalpflege, Baukultur“ sowie als Leiter des Referats „Wiederaufbau der Infrastruktur in Kommunen“ auf den Tisch?
Zum Beispiel der Unesco-Welterbe-Antrag für die Gaslaternen in Düsseldorf, aber auch mit dem kommunalen Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe im Jahr 2021 hatte ich zu tun.
Dann war der 1. September 2022 kein Sprung ins kalte Wasser?
Nein, weil mir die Bezirksregierung mit ihrer Fülle an Themen durch meine vorherigen Tätigkeiten schon vertraut war. Außerdem hatte ich schon seit Jahren Führungsaufgaben übernommen, für die wir übrigens in den Bezirksregierungen und im Ministerium permanent Fortbildungen absolvieren. Aber natürlich habe ich mich im Vorfeld sehr gründlich thematisch vorbereitet und die ersten Wochen sehr viele Gespräche mit den Dezernaten geführt und die Oberbürgermeister, Landräte sowie Kammern und Verbände im Regierungsbezirk besucht, um zu wissen, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen.
Die ersten 100 Tage im Amt sind mittlerweile vorbei. Was war bislang Ihre größte Herausforderung?
Es ist die Gleichzeitigkeit von Krisen. Wir haben hier ein Tagesgeschäft mit unfassbar vielen Themen, in früheren Zeiten hatte man auch immer mal wieder eine Krise. Aber aktuell ist Corona immer noch ein Thema, dann die Nachbereitung der Wiederaufbauhilfe für betroffene Personen und Kommunen nach der Flutkatastrophe 2021, die Gasmangellage und die Flüchtlingsunterbringung. Hinzu kommen noch Zukunftsthemen wie der Braunkohleausstieg und die Klimafolgenanpassung. Wir müssen uns auf weitere Starkregenereignisse einstellen, gleichzeitig müssen wir die Digitalisierung vorantreiben, schneller und in vielen Bereichen auch effizienter werden.
Das Thema Datensicherheit wird immer heikler.
Das Thema Datensicherheit ist ein zentrales Thema, wenn wir Genehmigungs- und Planungsverfahren, aber auch Förderverfahren weiter digitalisieren wollen.
Wie zukunftsfähig ein Unternehmen ist, macht man heute von dessen Diversität abhängig. Die wiederum entscheidet darüber, ob junge Arbeitnehmer kommen oder eben nicht. Wie sieht das in der Bezirksregierung aus?
Diversität ist uns wichtig. Von den rund 2.400 Beschäftigten der Bezirksregierung sind 55 Prozent weiblich. Wir haben eine sehr engagierte Gleichstellungsbeauftragte. Und wir sehen uns auch in einer Vorbildfunktion, was die Beschäftigung von allen Bevölkerungsgruppen angeht. Da wollen wir noch bunter werden. Vom Fachkräftemangel sind wir aktuell noch nicht so betroffen wie viele Unternehmen in der freien Wirtschaft. Gerade in der Corona-Krise haben viele junge Leute erkannt, wo der Mehrwert im öffentlichen Dienst liegt, und dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind.
Warum?
Weil wir sehr praxisorientiert unterwegs sind und sehr viele unterschiedliche berufliche Themenfelder anbieten. Die jungen Menschen kommen bei uns sehr schnell in Führungsverantwortung. Zudem bilden wir umfangreich aus. Aktuell betreuen wir 15 Ausbildungsgänge mit knapp 300 Nachwuchskräften. Neben den klassischen Verwaltungs-Ausbildungen sind dies u.a. Wasserbauer, Umweltreferendare, Fachinformatiker, Vermessungsoberinspektoren und Baureferendare.
Warum hat „Schule“ eine eigene Abteilung, während die Abteilung 2 das Ordnungsrecht, Gesundheit, Sozialwesen, Gefahrenabwehr und Verkehr umfasst?
Diese Einteilung gibt es bei allen Bezirksregierungen. Das wurde vom Innenministerium so entschieden und hat einen historischen Hintergrund. Aber auch eine ganz praktische Begründung: denn mit 54.000 Lehrerinnen und Lehrern, 1.500 Schulen und über 700.000 Schülerinnen und Schülern sind wir die größte Personalverwaltungsstelle in ganz Deutschland.
Wofür ist die Bezirksregierung zuständig?
Wir sind ein Teil der Landesverwaltung und sind für die Umsetzung der Landespolitik zuständig. Das ist keine Einbahnstraße. Wir halten Augen und Ohren offen in der Region, sind im Kontakt mit den Oberbürgermeistern und Landräten und bringen deren Themen in die Ministerien. Wir als Landesmittelbehörde fungieren als Bündelungsbehörde, um ein möglichst widerspruchsfreies Verwaltungshandeln zu ermöglichen, will heißen, wenn an die Städte und Kommunen Ansprüche herangetragen werden, die im Widerspruch zueinanderstehen, dann fällt das hier auf, weil wir mit allen Ministerien im Kontakt stehen.
Sie sind nicht nur der jüngste Regierungspräsident in der Geschichte der Düsseldorfer Bezirksregierung, sondern auch noch ein Grüner. Und das, obwohl Sie wie Friedrich Merz aus dem Sauerland kommen.
Offiziell bin ich erst seit 2022 bei den Grünen, aber die Nähe zur Partei hatte ich schon als Jugendlicher und Student, wobei ich Friedrich Merz nie persönlich getroffen habe, so klein ist das Sauerland nun auch wieder nicht.
Ihre Vorgängerin Birgitta Radermacher war eine gute Netzwerkerin und rief z. B. das Format „aufgeSCHLOSSen“ ins Leben. Werden Sie diese Veranstaltung weiterführen?
Ja, aber in anderer Form. Für den Sommer konzipieren wir gerade die erste Veranstaltung. Das Thema wird voraussichtlich die Klimaresilienz unserer Region sein. Diese ist wichtig für uns alle. Wir werden dazu aber nicht nur Experten und Akteure aus der Stadt Düsseldorf einladen. Mir ist es wichtig Vertreter aus der ganzen Region zusammenzubringen.
Wie sehen Sie Düsseldorf aus städtebaulicher Sicht?
Düsseldorf ist eine sehr schöne Stadt, die von der Rheinnähe profitiert und viele Blickachsen bietet. Ich finde auch die Architektur spannend, habe aber da auch immer im Hinterkopf, dass sich Düsseldorf der Klimaresilienz stellen muss. Wir müssen uns fragen, wie wir es hinbekommen, dass Bereiche im Sommer nicht überhitzen und gleichzeitig gegen Starkregen gewappnet sind.
Wie stehen Sie als gebürtiger Sauerländer zum rheinischen Brauchtum?
Wenn Sie es am Getränk festmachen wollen, ich trinke gerne Pils und lieber ein Alt als ein Kölsch. Und die Weiberfastnacht habe ich in Düsseldorf kennengelernt und freue mich jedes Jahr darauf.
Haben Sie Lieblingsorte in Düsseldorf?
Ich arbeite an einem der schönsten Orte der Stadt. Das Regierungsschlösschen hat einen sehr repräsentativen Plenarsaal und am Tag des offenen Denkmals zeigen wir auch gerne die vielen versteckten Winkel und architektonischen Details. Was mich als architekturinteressierten Raumplaner fasziniert, ist, dass unsere Flure alle Tageslicht haben. Das ist bei einem Bau aus dem Jahr 1907 etwas Besonderes. Wir sind eine moderne Verwaltung in altem Gemäuer mit großem Potenzial.
Kurzvita
Im Mendener Stadtteil Schwitten, dem Tor zum Sauerland, erblickte Thomas Schürmann 1979 das Licht der Welt. Seine Mutter ist Buchhändlerin, sein Vater war Elektrotechniker. Schürmann spielte wie die meisten Jungen im Ort Fußball, engagierte sich mit 16 Jahren in der Jugendarbeit, machte sein Abitur und leistete seinen Zivildienst in einer Fördereinrichtung der Lebenshilfe. Sein Studium der Raumplanung an der Technischen Universität Dortmund schloss er als Diplom-Ingenieur ab. Von 2009 bis 2015 war er bei der Bezirksregierung Düsseldorf in leitender Position für das Dezernat Städtebau, Bauaufsicht, Bau-, Wohnungs- und Denkmalangelegenheiten sowie -förderung zuständig. Anschließend arbeitete er als persönlicher Referent der Regierungspräsidentin Anne Lütkes. Von 2019 bis 2022 war er im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Seit dem 1. September 2022 ist er Regierungspräsident des Regierungsbezirks Düsseldorf und trat damit die Nachfolge von Birgitta Radermacher an. Schürmann ist seit 2016 mit seinem Partner verheiratet. Das Ehepaar lebt mit Hund in Essen.
© Fotos: Alexander Vejnovic
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