13. Februar 2020In 2020/1

„Ich habe ein kleines Herz, das groß klopft“

Interview mit Herman van Veen, Komponist, Violinist, Sänger, Maler und Entertainer 


von Dr. Susan Tuchel

Sie haben eine alternative Schule besucht. Ihr Vater war Schriftsetzer, Ihre Mutter Hausfrau, woher kommt Ihre künstlerische Ader, woher Ihr großes Herz? 

Ich habe ein kleines Herz, sagte vor Kurzem mein Kardiologe, das groß klopft. Mein Vater wäre gerne Schauspieler geworden, doch da kam ein Krieg dazwischen.  Meine Mutter konnte wunderschön singen, sie war ein Fan von Edith Piaf. Meine Geige kriegte ich auf einer Montessori-Schule. Eines Tages sagte unser Klassenlehrer: „Hör‘ auf zu pfeifen, pfeife hierdrauf.“ 

Wie ging es bei Ihnen zu Hause in Utrecht zu, wie wurden Sie erzogen, was war Ihren Eltern wichtig? Haben Sie Geschwister? 

Für meine Eltern waren die Kinder das Wichtigste und an zweiter Stelle kamen auch die Kinder. Sie wollten, dass es uns besser gehen sollte als es ihnen gegangen war. Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater Typograph. Auf Holländisch schreibt man typograaf, also erzählte ich in der Schule, dass mein Vater ein Graf war. Es war gemütlich. Ich hatte, zwischen meinen Schwestern, eine vor allem freie Jugend. 

Sie haben zusammen mit Harald Siepermann und Hans Bacher die Zeichentrickserie Alfred Jodocus Kwak entwickelt. Wie sehen Sie Alfred J. Kwak heute, und erzählen Sie Ihren drei Enkeln noch von ihm? Und was ist aus Alfred Junior, der kleinen Cappuccino-Ente geworden? 

Alfred watschelt immer noch durch Groß-Wasserland und ab und zu spaziert er auch durch die Schlafzimmer meiner Enkel. Die kleine Cappuccino-Ente: das ist ein Problem. Wir wissen nicht, wo sie ist. Das liegt daran, dass als Mutter Winnie Wana auf den Eiern saß, ein Orkan vorbeitobte. Ihre Eier wurden weggeweht. So auch die Eier eines Krokodils. Ein großes Durcheinander. Das Krokodil brütete Entchen aus und Winnie Krokodilchen. Alfred Junior sucht jetzt seine Eltern und wir ihn. 

Sie setzen sich seit über 40 Jahren aktiv für die rechte der Kinder ein, waren Botschafter des guten Willens für UNICEF und haben einmal gesagt: „Wenn die Kinderrechte gelebtes Recht wären, gäbe es im Sinne von Weihnachten Frieden auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen.“ Wie schätzen Sie die Lage aktuell ein? 

Es geht ein bisschen besser, aber immer noch viel zu langsam. Kinder dürfen nicht sterben, sie haben ein Recht auf eine Zukunft. Das gibt uns die Verantwortung. Geht es den Kindern gut, geht es der Welt gut. 

Sie touren um die ganze Welt und singen Ihr Repertoire in fünf Sprachen. Zumindest in Deutschland fehlt selten bei Ihren Konzerten die holländische Version von Leonhard Cohens „Suzanne“. Es erinnert ein wenig an Heinrich Heines „Ein Fräulein stand am Meere“. Ist das für Sie die ironische Brechung der einen großen Liebe, als er am Ende dann doch den Bus nimmt? 

Stimmt. Ich singe es meistens auf freundliche Bitte und solche Bitten sind immer da. 

Ihre Konzerte bieten mehr als gute Musik. Mit Ihrer Band und vor allem mit der Gitarristin Edith Leerkes, die seit 30 Jahren Ihre musikalische Partnerin ist, zeigen Sie improvisiertes Kabarett, auch Clownerie auf roten Socken, auf denen Sie gerne in Düsseldorf über die Bühne der Tonhalle laufen. Sie treten fast 50 Jahre in Düsseldorf auf, was mögen Sie an der Stadt?

Die Tonhalle, ein exzellentes Haus, den Rhein mit seinen unvorhersehbaren Bewegungen. Düsseldorf ist vor allem eine Stadt der Kunst. Es gibt hier wunderschöne Galerien und Museen, die ich jedes Mal besuche. Und es gibt noch einen Grund, warum ich gerne in dieser Stadt bin: Sushi. 

Was lieben Sie noch? 

Das Meer. Die Berge. Wälder. Ich liebe es, im Garten zu arbeiten. Weine (ohne n am Ende). Lesen, vor allem Gedichte. Musik, Bach, Schubert, Mozart. Spazieren. Freunde. Schmusen. Apfelmus. Tanzen, meine Kinder, und ihre. Die Omas meiner Enkelkinder. 


Kurzvita

Herman-van-Veen

Hermannus Jantinus van Veen erblickte am 14. März 1945 in Utrecht das Licht der Welt. Er studierte Geige, Gesang und Musikpädagogik am Utrechter Konservatorium und trat als 20jähriger zum ersten Mal mit einem Soloprogramm auf. Es folgten Schallplattenaufnahmen und Fernsehauftritte in den Niederlanden. 1968 gründete er seine bis heute bestehende Produktionsfirma Harlekijn. 1972 wurde er dem deutschen Publikum bekannt gemacht durch Alfred Biolek und Karsten Jahnke. Sein erstes Album „Ich hab’ ein zärtliches Gefühlt“ erschien ein Jahr später. Anfang der 1980er Jahre brachte er das Kulturmagazin „Harlekijn“ heraus. Ende der 1980er Jahre erfand van Veen die Zeichentrickserie „Alfred J. Kwak“. 
Das Allroundtalent reist seit 55 Jahren um die Welt und hat 188 CDs, 26 DVDs und über siebzig Bücher herausgebracht. Der „holländische Clown mit Glatze“ setzt sich seit über 45 Jahren für die Rechte der Kinder ein. Er ist Träger des Verdienstkreuzes am Bande der Bunderepublik Deutschland und gründete 2003 mit Hans-Werner Neske die „Herman van Veen-Stiftung Deutschland“. 2019 tourte er durch ganz Deutschland (86 Konzerte) mit seinem Programm „Neue Saiten“ und stand auch an drei Abenden in der ausverkauften Tonhalle in Düsseldorf auf der Bühne. 

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