„Die Form der Architektur muss auch eine Attraktion darstellen und die Menschen animieren, darauf zu schauen“
Interview mit Dr. Alexander Fils, Ratsherr CDU, Vorsitzender Planungsausschuss Stadt Düsseldorf, geschäftsführender Gesellschafter Art Edition-Fils
von Barbara Schmitz
Sie sind gerade erneut als Vorsitzender des Planungsausschusses, den Sie schon seit 22 Jahren leiten, gewählt worden. Es gibt viele Diskussionen über neue Hochhäuser und Bauten – wohin entwickelt sich unsere Stadt?
Die meisten Gebäude prägen die Stadt für Jahrzehnte und meist über hundert Jahre. Da sind die richtigen Entscheidungen gefragt. Generell gesprochen müssen die Wohlfühlfaktoren, so nannte das Joachim Erwin, erhalten bleiben und Problembereiche verbessert werden. Das bedeutet vor allem, dass in der flächenmäßig kleinen Stadt Düsseldorf nicht alle vorhandenen Grünflächen bebaut werden können, weder in Himmelgeist, noch in Hubbelrath oder gar die Fläche bis nach Knittkuhl. Auch im Norden der Stadt sollten wir uns auf die bereits ausgewiesenen Flächen beschränken. Die Grün- und insbesondere die Waldflächen sowie die Wasserbereiche sind der Schatz neben der guten Architektur. Zum Thema Hochhäuser kann es kein klares ja oder nein als Antwort geben. Ganz klar ist aber, dass wir alle, die in der politischen Verantwortung stehen, keine Kopie von Frankfurt wollen, also kein Mainhattan und auch kein Manhattan, also keine Hochhaus-Ballung in der Innenstadt und erst recht nicht in der Altstadt oder Carlstadt. Wir haben hier die schon nach dem Krieg entwickelte Tradition, dass wir besonders gestalte Hochhäuser als sogenannte Point de Vue, also alleinstehende Gebäude, die eine Markierung und Identifizierung ermöglichen, bevorzugen. Das fing mit dem Wilhelm-Marx Hochhaus an und ging mit dem Dreischeibenhochhaus, dem Mannesmannhochhaus, der Stadtsparkasse und dem Arag-Gebäude weiter, ebenso im Hafen oder mit dem Vodaphone-Campus. Kleinere Ballungen an Hochhäusern waren und sind am Kennedydamm und am Seestern vorhanden und könnten ergänzt werden, da diese beiden Standorte sowieso komplette Neuerfindungen sind.
Wie wichtig ist Ihnen das Thema „ökologisches Bauen“? Sie haben sich ja schon in den 80iger Jahren bei Ihrer Bewerbung für den Stadtrat für dieses Thema stark gemacht.
Ökologisches Bauen muss umgesetzt werden, sei es mit Begrünungen oder Fotovoltaik auf den Dächern, Ausbau von Dachgeschossen. In vielen Fällen sind auch Aufstockungen möglich und besser, als neue Flächen zu versiegeln. Holzgebäude sind schneller zu bauen und ökologisch sinnvoller, als für den Beton immer weitere Löcher in unsere Landschaft zu graben, um den notwendigen Kies dafür zu gewinnen. Flexible Grundrisse ohne zu großen technischen Aufwand würden helfen, in Zukunft andere Anforderungen an die Nutzung zu meistern.
Was ist für Sie gute Architektur?
Schöne Frage, aber schwierig, weil es eine eindeutige Antwort nicht geben und planungsrechtlich über Schönheit nicht entschieden werden kann. Dementsprechend kommt es auf Überzeugungsarbeit und einen Konsens an. Ein Beispiel: Ich mag keine dunklen Gebäude mit viel Schwarz oder brauner Soße. Ich bin davon überzeugt, dass sich Menschen in einer hellen Stadt, bzw. einer Stadt mit hellen Gebäuden wohler fühlen. Dazu kann ich oder die Verwaltung niemanden zwingen, es sei denn, es handelt sich zufällig um einen Bereich mit einer Gestaltungssatzung, wie die weiße Siedlung in Golzheim oder die Altstadt. Das alltägliche Spiel ist es, zu überzeugen, sei es bei der Farbe, dem Material oder auch fundamental der Gestaltung bzw. der Form. Die sollte sich in gewachsenen, traditionellen Stadtteilen dem Bestand anpassen, in Ausnahmefällen einen Kontrast setzen. In der Innenstadt oder dem Medienhafen und bei Neubaugebieten muss die Form der Architektur auch eine Attraktion darstellen und die Menschen animieren, darauf zu schauen.
Die Planung hat wie Ihr Beruf mit Gestaltung zu tun, was ist Ihnen wichtiger?
Der Kunstverlag und die Galerie waren immer Teil unserer Familie, genauer gesagt, ich bin die fünfte Generation, die sich mit Kunst beschäftigt. Meine Nichte ist auch schon dabei. Für unseren Sohn ist es kurz vor dem Abitur noch zu früh. So schön die Arbeit mit der Kunst ist – im Rathaus mache ich schon seit sehr langer Zeit den Sprecher der CDU im Kulturausschuss – in der Bedeutung für die Zukunft und für die nächsten Generationen ist der Stadtplanungsausschuss noch wichtiger.
Sie haben ja eigentlich allen Grund zu feiern, Ihr Kunstverlag ist 150 Jahre alt – was macht ein Kunstverlag?
Nun Verlag kommt von dem Wort vorlegen, und so wie ein Buchverlag den Schriftstellern die Produktion der Bücher vorfinanziert, so helfen wir den Künstlern, wenn sie Original Grafiken machen wollen, in dem wir die Werkstätten, in denen sie arbeiten, vorab bezahlen. Meist vermitteln wir auch den Kontakt, wenn klar ist, ob das Werk eines Künstlers eher für traditionelle Techniken geeignet ist, wie Radierung oder Lithographie, oder moderneren, wie Siebdruck, Pigmentdruck oder Digitaldruck. Mit den ältesten Techniken, dem Hochdruck mit Holzschnitt oder Linoldruck, arbeiten die Künstler in der Regel selber im Atelier, wo sie nicht nur den Druckstock herstellen, sondern auch die Abzüge machen. Immendorff rief uns nach seinen Andrucken immer ins Atelier und präsentierte uns vier Farbversionen, aus denen wir dann auswählen durften.
Welche Künstler verlegen Sie?
Die Zero Künstler waren schon bei meinen Eltern fest im Programm, also Uecker, Piene, Mack und damals auch Mavignier, dem Brasilianer, mit dem ich zu gerne weitere Editionen gemacht und mich auf portugiesisch unterhalten hätte. Aber er war schon zu krank, als ich ihn traf. Eine Freude dagegen ist es, spät aber inzwischen seit fast 10 Jahren, mit Christian Megert arbeiten zu können. Er hat in 2020, wenige Tage vor der ersten Corona Welle, in der wahrscheinlich hochkarätigsten Siebdruckerei Europas fast klassische Zero-Werke mit schwarz-weiß Flächen erstellt. Sie konnten erst vor wenigen Wochen fertig gestellt werden, da das Plexiglas, das er als Druckträger haben wollte, lange Zeit nicht lieferbar war. Als es dann fertig mit Spiegeln kombiniert in unserer Galerie gezeigt wurde, gab es sofort viele Kunden dafür. Natürlich kommt dann auch die nächste Generation Künstler zum Zuge, wie Christoph Pöggeler, hier mit seinen Säulenheiligen gut bekannt, Jan Kolata mit seinen abstrakten Schichten, der Brasilianer Bel Borba, Horst Gläsker mit Fotografie und Malerei, die Rückenbilder von Sabine Liebchen, Jörn Grothkopp mit seinen Kois, Thomas Huber mit erfundener Architektur, Melanie Richter und ihre Werkreihen Kandelaber, Flaschen und Gläser. Regelmäßig zeigen und verlegen wir gute Fotografie, zuletzt mit einer Eröffnung im März Horst Wackerbarth, der sein berühmtes rotes Sofa gleich mitbrachte.
Einer Ihrer wichtigsten Künstler ist doch sicher Christo?
Ja, natürlich, das war und ist unser größter Erfolg. 1985 lernte ich ihn und seine Frau Jeanne-Claude kennen und durfte über Jahrzehnte verlegerisch für Christo tätig sein. Außerdem begleitete ich die beiden oft bei den Reisen und Aufbauten der Projekte, wie den Verhüllten Bäumen oder den Gates in New York. Der Höhepunkt war der Verhüllte Reichstag in Berlin 1995. Heute ist das Teil der Geschichts- und Schulbücher. Ich war mit dabei und pendelte zwischen Berlin und Düsseldorf, wo wir dann die Drucke auf den Weg brachten, während in Berlin die Logistik und das Einhalten des Copyrights kontrolliert werden mussten. 10 Jahre später in New York waren auch meine Frau und der frisch geborene Sohn dabei.
Sie haben Ihre Frau in Brasilien kennengelernt, als sie in São Paulo als Architektin arbeitete. Ist sie heute auch mit im Kunstbereich tätig?
Oh ja, zeitweise wesentlich mehr als ich. Gebäude entwirft sie nur noch für Freunde und die Familie. Mit dem räumlichen Verständnis als Architektin kann sie hervorragend als Art Consulterin tätig sein. Sie entlastet mich insbesondere in unserer Galerie im Stilwerk, wenn ich zu viel Zeit, eigentlich die meiste Zeit für die Politik benötige. Kunst ist eine Vertrauenssache, weshalb es wichtig ist, dass die Inhaber ansprechbar sind und die Mitarbeiter fundierte Kenntnisse haben. Im Prinzip leitet sie auch den Kunstverlag, denn zeitlich kann ich neben der Rathausarbeit nicht Fulltime im Kunstverlag sein.
Die Galerie im Stilwerk betreiben Sie schon seit 20 Jahren. Wie geht das zu Corona-Zeiten?
Wie der gesamte Einzelhandel, mussten wir in der ersten Welle schließen und das bedeutete, außer im Internet, wofür wir mit www.fils-fine-arts.de eine gute Plattform haben, lief wenig. Aber sobald die Geschäfte wieder offen waren, kam das Publikum nicht nur, um sich eine Ausstellung anzusehen, sondern, um Kunst zu kaufen. Das Homeworking hat viele Menschen sensibler gemacht für ihr eigenes Umfeld. Im Stilwerk geht es ja vorrangig um Einrichtung, und wir hören von den meisten dort Ansässigen, dass verstärkt gute Qualität gefragt ist. Dies bezieht sich nicht nur auf Möbel, Vorhänge und Fußböden, sondern auch die Galerien im Haus.
Was macht Sie stolz auf 150 Jahre Art Edition-Fils und Fils Fine Arts?
Da nehme ich jetzt ein Zitat aus dem Glückwunschbrief vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunstverleger. Diese Wertschätzung hat uns und unserem Team in der Galerie so wie im Verlag in den mauen Zeiten den Rücken gestärkt:
„… mit Ihrem umfassenden Programm an hochwertigen Editionen, darunter Grafiken, Fotografien und Skulpturen, die in Europa ihresgleichen suchen, bereichern Sie mit Fils Fine Arts seit Jahrzehnten den Kunstmarkt in seiner gesamten Breite. Mit Ihren Präsentationen und Publikationen machen Sie kulturelles Erbe für jedermann erfahrbar und sind gleichzeitig auf hoher Vertrauensbasis Berater von Kunstkäufern. Persönlich haben Sie sich dabei zugleich auch immer kulturpolitisch, sowie wirtschafts- und standort-politisch mit großer Hingabe für den Standort eingesetzt. Damit erfüllen Sie eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe.“
In der Stadtratssitzung im Mai haben Sie sich deutlich für den Erhalt der gaslaternen ausgesprochen. Wie soll die Stadt diesen Schatz nun in die Zukunft bringen?
Ich habe mich klar entschieden, für das Gaslicht einzutreten. Auch gutes und vor allem gesundes und umweltverträgliches Licht „Stichwort: Lichtverschmutzung“ gehört zur Stadtplanung. Das Gaslicht in den Wohnstraßen ist ein wichtiger Wohlfühlfaktor für die Düsseldorfer und ist ebenso wichtig für die Stadtidentität. Die Einführung des Gaslichts 1841 hat die industrielle Entwicklung in Düsseldorf schließlich mit ermöglicht. Heute haben wir durch unser umfangreiches Gaslaternennetz ein weltweites Alleinstellungsmerkmal, das von hohem kulturellem Wert ist und das wir zum Nutzen der Stadt touristisch vermarkten sollten. Anfang September wurden die Gaslaternen unter Denkmalschutz gestellt und unser Antrag zum UNESCO Kulturerbe ist eingereicht. Damit eröffnen sich zukünftig viele neu Möglichkeiten.
Kurzvita
Der Name Fils kommt aus dem Französischen und bedeutet Sohn. Wahrscheinlich waren die Vorfahren Hugenotten, die nach Berlin flüchteten. Hugenotten waren gute Drucker für Bücher und Bilder. 1870 gründete Albert Fils in Berlin den Kunstverlag, heute „Art Edition Fils“. Hermut Fils eröffnete 1929 eine Filiale in der Künstlerstadt Düsseldorf. Alexander Fils, 1955 in Düsseldorf geboren, interessiert sich seit der Kindheit, wie die Stadt besser gestaltet sein könnte, später auch für Stadtplanung. Er nimmt an Wettbewerben teil und gewinnt bei „Jugend forscht“ für seine Arbeit „New Towns in Großbritannien“ einen Preis. In Dortmund studiert er Raumplanung, in Bochum Kunstgeschichte, dann Promotion über Hauptstadtneugründungen im 20. Jahrhundert. Durch Stipendien ein Jahr Studium in Brasilia, Besuch der neuen Hauptstädte von Nigeria, Mauretanien, Elfenbeinküste, Tansania, Malawi. Fasziniert von guter Architektur schreibt er mehrere Bücher, u.a. wie sich Düsseldorf über Jahrzehnte veränderte. In den achtziger Jahren übernimmt er das Familienunternehmen, engagiert sich in der Stadtpolitik vor allem bei der Stadtgestaltung. 2003 heiratet er die Architektin Heidrun Wagner, Sohn Arian kommt zur Welt. Seit 1996 besucht er alle Olympischen Spiele und träumt davon, dass Düsseldorf 2032 der Welt zeigen wird, dass man die Spiele auch ökologisch und ökonomisch korrekt ausrichten kann.
© Fotos: Heidrun Wagner-Fils, Barbara Schmitz, Ralph Sondermann
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