„Meine Wäsche kennt jetzt jeder“
Interview mit Dorothee Achenbach, Kunsthistorikerin und Buchautorin
von Dr. Susanne Altweger
Frau Achenbach, Sie haben mit spitzer Feder und hintergründigem Humor ein Buch über das bisher schlimmste Jahr Ihres Lebens geschrieben. Haben Sie gedacht, dass es ein solcher Erfolg wird?
Nein, in dieser Form nicht. Zuerst war es ein Stück Therapie für mich, um das Ganze zu verarbeiten. Dann sagte meine Tochter, sie hätte beim Lesen der ersten Seiten so viel gelacht und da sollte man ein Buch draus machen. Das Schreiben fiel mir leicht, hat mich erfüllt und mich im meist überaus anstrengenden Alltag abgelenkt. Als Literaturwissenschaftlerin fiel es mir nicht schwer, dem Ganzen eine Form zu geben. Der Rahmen waren zwölf Monate von Juni 2014 bis Juni 2015. Jedem Monat habe ich eine Auswahl von authentischen Schlagzeilen vorangestellt. Die waren oft ungeheuerlich, und es wurde so viel aus der Außensicht geschrieben, dass ich es wichtig fand, die Innensicht darzustellen. Kaum einer hat sich Gedankengemacht, was diese Situation für uns als Familie bedeutet. Es war viel Vorverurteilung und Häme spürbar.
Ja, das kann ich bestätigen. Die Presse war oft mitleids- bis verantwortungslos. Der tiefe Fall Ihres Mannes, der sicherviele Neider hatte, hat auch Ihr Leben total aus den Angeln gehoben. Sie wurden gezwungen, über lange Zeit in einem permanenten Ausnahmezustand zu leben und haben richtige Surviver-Fähigkeit bewiesen. Kannten Sie diese Kraft in sich?
Nein, vorher brauchte ich sie nicht. Aber wenn Sie mich so fragen, ich glaube, das liegt in meiner Kindheit. Ich habe früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Außerdem bin ich Sternzeichen Stier, ich packe Dinge an den Hörnern. Und auch in privilegierten Zeiten bin ich bodenständig geblieben. Was mir aber am meisten geholfen hat, waren meine wirklich guten Freunde, in der Mehrzahl Freundinnen, die unerschütterlich zu mir gestanden haben. Auch als ich jetzt umgezogen bin, sagten selbst die Möbelpacker, sowas hätten sie noch nie erlebt. Zwölf Frauen teilten sich in Gruppen in die Zimmer auf und packten die Umzugskisten. Und als wir in der neuen Wohnung ankamen, waren die ersten schon wieder da und halfen mir, alles auszupacken. Diese aktive Hilfe und Zuwendung hat meinen Abschiedsschmerz vom langjährigen Zuhause gemildert. Das war eine wirklich gute Erfahrung. Wichtig ist für mich auch die Tatsache, dass ich mit meinem Buch anderen helfen konnte. Ich bekomme viele Zuschriften mit Zuspruch, und ich konnte erfahren, dass andere Menschen Vergleichbares und noch Schlimmeres durchlitten haben, da sie über kein Netzwerk von Freunden verfügten und sich – zu Unrecht – schämen. Viele gratulieren mir zu meinem Mut.
Zurück zu Ihrem Schreibstil: Was mir besonders gefallen hat, ist Ihre Art mit wenigen pointierten Worten Personen oder Situationen zu beschreiben. Konnten Sie diese Fähigkeit früher schon anwenden?
Ja, in meinen Kunstbesprechungen für Zeitungen habe ich versucht, prägnant zu charakterisieren. Ich verfüge über lange Schreiberfahrung und wohl eine gewisse Gabe, das Leben mit Humor und Ironie zu betrachten. Letztere brauchte ich auch, um unerträgliche Situationen, wie zum Beispiel die mit den Gerichtsvollziehern, zu überleben. Da gab es Szenen, die hätten in ein Komödiendrehbuch gepasst.
Wie sehen unter den derzeitigen Umständen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich habe mit einem neuen Buch angefangen, denn ich muss einfach schreiben. Leider hatten sich Auftraggeber, für die ich Beiträge geschrieben hatte, nach dem Skandal zurückgezogen, da der Name zu belastet sei. Aber ich bin in der Kunstszene gut vernetzt und würde gerne wieder einsteigen.
Meiner Ansicht nach ist es Ihnen mit diesem Buch gelungen, aus einer „beschädigten Marke“ für Ihre Person wieder einen guten Namen zu machen. Das ist eine große Leistung und sie müsste Früchte tragen.
Ja, ich hoffe schon.
Außerdem haben Sie sich ihre Rolle in der Gesellschaft nicht wegnehmen lassen. Sie treten selbstbewusst auf, verstecken sich nicht und haben Haltung gezeigt.
Das ist eine Frage der Disziplin. Außerdem habe ich nichts getan. Die meisten Menschen unterscheiden zwischen mir und meinem Mann. Durch das Buch konnte ich auch meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die Feder stärker ist als das Schwert, obwohl Vieles noch ungesagt geblieben ist. Weglaufen oder Wegducken ist für mich keine Option, auch wenn in meinen Augen versucht wurde und wird, mich psychisch mürbe zu machen. Doch zu etwas Positivem: Ich finde es schön, dass ich meine langjährigen Ehrenämter behalten konnte: Die bei der Stiftung Sterntaler und der Stiftung für Kultur und Bildung, oder die Rolle als Schirmherrin bei der Kunstauktion der Aidshilfe und bei „Kunstgegen Sucht“. Diese Tätigkeiten geben zusätzlichen Halt und Sinn in meinem Leben. Ich möchte für meine Kinder ein gutes Vorbild sein. Sie haben es in dieser Situation wirklich sehr schwer. Dennoch darf man jene nie vergessen, die noch viel mehr zutragen haben.
Als erfolgreiche Buchautorin wurden Sie zu etlichen Talkshows eingeladen. Unter anderem zur „Fuck up night“, wo es um das Thema „Scheitern“ geht. Was raten Sie als unfreiwillige Expertin, wie mit Scheitern umzugehen ist?
Das Wichtigste zur Bewältigung von Krisen sind eine intakte Familie und gute Freunde – also sollte man ein Leben lang Freundschaften pflegen. Zweitens muss man lernen, nichtjedem zu vertrauen und keine voreiligen Entscheidungen zu treffen – lieber erst ruhig nachdenken. Da habe ich große Fehler gemacht. Last but not least: Niemals aufgeben. Irgendwann geht es wieder aufwärts.
Kurzvita
Dorothee Achenbach wurde in Trier geboren, studierte Kunstgeschichte, Politik- und Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt, München und Paris. Seit 1996 ist sie mit Helge Achenbach verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hat. Tätigkeiten bei verschiedenen TV Sendern, seit 20 Jahren in der Kunstberatung tätig. Moderatorin und freie Journalistin.
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