In Mexiko geboren … in Düsseldorf zu Hause
„Auf dem Papier bin ich bin eine Mexikanerin – im Herzen jedoch eine Weltbürgerin!“
von Teresa Schulte-Trux
Hinter mir blieb die Sonne, Wärme und Geborgenheit einer großen, kinderreichen Familie. Ich war 18 Jahre alt und bekam ein einmaliges Angebot – ein Stipendium für meine weiterführende Ausbildung in Boston/USA. Die Reaktionen meiner Eltern waren unterschiedlich: froh und stolz – jedoch mein Vater fand es für ein junges Mädchen nicht angebracht, in die Ferne zu ziehen. Meine Mutter dagegen sagte mit leiser, aber entschlossener Stimme: „Doch, sie darf gehen!“ Meine Mutter war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, hatte viel Gutes im Leben getan und erhielt – kurz bevor sie starb – von der Stadt eine Medaille für ihr humanitäres Engagement.
Ich verließ Merida. „In der Ferne lernt der Mensch die Heimat erst richtig zu schätzen.“ heißt es. Die Hauptstadt der Yucatan Peninsula ist eine Kolonialstadt und ein wichtiges archäologisches Zentrum, eine Region mit kostbaren Schätzen, farbenfroher Folklore und einmaliger Gastronomie. Mein neues Zuhause fand ich bei einem kinderlosen Ehepaar in Boston. Es war Liebe auf den ersten Blick und aus zwei Jahren wurden sieben. Diese Zeit hat mich sehr geprägt, aber die Verbindung zu meiner eigenen Familie blieb intakt und innig.
Boston empfand ich als wunderschöne Stadt. Der Sommer 1966 war warm und ich, die „tropische Pflanze“, fühlte mich wohl. Ich lernte täglich fleißig. Boston war meine zweite Heimat geworden. Die Winter waren streng, lang und dennoch wunderbar: Laufen auf Eis und im Schnee – nicht unbedingt mein Lieblingssport. So rutschte ich anfangs auf dem Schulweg lieber auf dem Po den Berg hinunter, als zu Fuß zu gehen.
Nach dem Wyndham Business College wechselte ich zum Boston College, um Psychologie zu studieren. Überraschend wurde mir ein attraktiver Arbeitsplatz in einem internationalen Handelskonzern für Lateinamerika angeboten, den ich nicht ablehnen konnte und ich fing dort an.
Das nächste Ereignis war privater Natur: Im Januar 1969 wurde ich zu einer Party eingeladen. Gefeiert wurde der Geburtstag eines jungen Mannes aus Deutschland, den ich nicht kannte. Jeder brachte etwas zum Essen mit. Ich bot an, den Geburtstagskuchen zu backen. Roland – heute mein Ehemann – war von dieser Geste sehr angetan. Wirklich – ganz ehrlich – ich hatte kein Aphrodisiakum in den Kuchen getan. Kurz danach beendete er seine Ausbildung bei einer Bank und ging nach Deutschland zurück. Unsere Freundschaft wurde per Tonband fortgesetzt. Es gab kein Internet, telefonieren war zu teuer. Abwechselnd besuchten wir uns in den Folgejahren in Europa und Mexiko. Auch ich war in die Heimat zurückgekehrt – allerdings nach Mexiko City und fand ich eine sehr gute Position bei der Amerikanischen Botschaft mit vielen Annehmlichkeiten beim Fliegen, in Hotels, Restaurants, beim Shoppen. Einige Jahre später haben Roland und ich in Boston unsere Hochzeit im Rahmen eines sehr schönen und internationalen Festes gefeiert mit Freunden und Familie aus verschiedenen Himmelsrichtungen. Unvergesslich, wie meine Mutter mit meiner Schwester Carolina vor dem Altar mit Gitarrenbegleitung gesungen haben. Tränen flossen in der Kirche. Was für ein Moment!
Nach diesem Schritt, folgte der große Sprung über den Ozean nach München, wo Roland bei einer Bank tätig war. Deutsch zu lernen war nun angesagt. Ich musste mich an Vieles gewöhnen: Die Sprache, neue Kultur, Menschen, Gewohnheiten, eine andere Familie, das Klima. Ich spürte die große Entfernung zur Heimat, zu allem, was mir vertraut war. Am Sprach- und Dolmetscher Institut in München war auch Königin Silvia von Schweden gewesen. Der Klang der deutschen Sprache war für mich am Anfang hart, aber ich wollte selbständig in meiner neuen Rolle sein und lernte fleißig Deutsch. Heute finde ich eure Sprache sehr schön, spreche und lese sie sehr gerne. Vieles lernte ich kennen und lieben, vor allem das leckere Brot. Der Kult mit den Blumen fasziniert mich noch heute. Ordnung und Sauberkeit habe ich sehr bewundert. Aber ich fand, dass die Leute wenig miteinander sprachen und lachten. Es herrschte eine ernste Atmosphäre, besonders in der Straßenbahn!
Nach München kamen wir für eine kurze Zeit nach Düsseldorf, wo ich mich gleich sehr wohl gefühlt habe. Hier ist unsere erste Tochter Anina geboren. Eine echte Düsseldorferin, worauf sie mächtig stolz ist.
Das nächste beruflich bedingte Abenteuer war Kairo, Ägypten. Aus zunächst 18 Monaten wurden schließlich zweieinhalb Jahre. Dies war unsere erste Begegnung mit der arabischen Welt. Was für ein Kontrast! Eine komplett andere Sprache, Religion, Kultur, Menschenart, die Lebensumstände waren nicht leicht, der Verkehr chaotisch. Große Anpassung und Toleranz waren verlangt. Aber wir erlebten viel Schönes in dieser interessanten Kultur. Bei Ausflügen entlang des Nils und in die Wüste hatte man das Gefühl, zurück in biblische Zeiten versetzt worden zu sein. Marité, unsere zweite Tochter, ist hier direkt am Nil zur Welt gekommen.
Mexiko – Vereinigte Mexikanische Staaten |
Zwischen zwei arabischen Ländern hatten wir einen kurzen beruflichen Aufenthalt in Nassau auf den Bahamas: Arbeiten im Paradies, ständig herrschte Urlaubsstimmung. Nach diesem Job in einer Traumwelt konnte es kontrastreicher nicht werden.
Roland bekam eine verantwortungsvolle Tätigkeit in Saudi Arabien für vier lange Jahre. Für mich hieß es: Vom Bikini zu Kopftuch und Abaya. Ein goldener Käfig für eine Frau, ein Land mit den strengsten Sitten überhaupt. Wir wohnten in Jeddah, einer schönen, modernen Stadt direkt am Roten Meer, wo viel Exotisches und Luxuriöses aus der ganzen Welt zu finden ist. Aber keine Freiheit für eine Frau, sondern eine Welt, in der die Frau ein schönes Objekt ist. Eine reine Männer-Gesellschaft. Jeddah mit Wüstenklima, heiß, aber mit herrlichem täglichen Sonnenschein. Es regnete nur 2 bis 3 Tage im Jahr. Das Wochenende verbrachten wir am wunderschönen, menschenleeren Strand. Das Rote Meer mit seinem kristallklaren Wasser ist ein wahres Paradies für Taucher und Schnorchler. Der Strand, Treffpunkt für die Expats, war eine wunderschöne „Oase“, die wir Frauen auch mal im Badeanzug frei genießen konnten.
Es gab weder Kino noch Theater oder Konzerte. Wir lebten in einem geschlossenen Compound. Im Auto saß man als Frau neben dem Ehemann oder dem Chauffeur, dann aber bitte auf der Rückbank! Es war klüger, nicht seine christliche Zugehörigkeit offenzulegen. Das private Leben spielte sich im privaten Bereich ab. Hier sind sehr schöne Freundschaften entstanden, die bis heute erhalten geblieben sind.
Jeddah war Endstation der Arbeit im Ausland eines sehr bewegten, kontrastreichen und interessanten Lebens. Endlich waren wir zurück in meinem geliebten Düsseldorf – ein tolles Empfinden, frei zu sein, sich frei zu bewegen und wieder als normaler Mensch zu fühlen. Ich durfte endlich wieder am Steuer sitzen, fahren und genoss das Gefühl der Selbstständigkeit! Hier fand ich Freude daran, Spanisch zu unterrichten und bin für Hilfsprojekte in Mexiko tätig. Die Betreuung von Flüchtlingsfrauen und ihren Kindern liegt mir besonders am Herzen. Ich koche sehr gerne, mein Interesse an Kunst und Kultur ist groß. Ich bin das Resultat eines bewegten und erlebnisreichen Lebens und froh und dankbar, dass Düsseldorf mich adoptiert und mir ein Zuhause gegeben hat. Ich lebe sehr gerne hier.
Kurzvita
Teresa Schulte-Trux wurde 1946 in Tizimin, Yucatán, Mexiko, geboren. Akademische Ausbildung in Mexiko, anschließend Stipendiatin in Boston am Wyndham Junior College, dem Boston College, der Harvard University und dem Mexican-Northamerican Institute.
Von 1967-1974 im Internationalen Handel und der US-amerikanischen Botschaft in Mexiko City tätig. 1974 Heirat in Boston. Übersiedlung nach München, hier Dolmetscherausbildung. 1977 Geburt von Tochter Anina in Düsseldorf, 1980 Marité in Kairo. Nach Ägypten folgten die Bahamas und Saudi Arabien. Lebt seit 1987 in Düsseldorf Oberkassel.
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