Seit 2017 betreiben Sabri und Konrad Päsch unter dem Namen „Stewardress” an der Lorettostraße 8 (Hinterhof) einen Laden für einzigartige Vintage-Mode renommierter Designer-Labels, in welchem auch häufig Fashionshows, Konzerte, Parties und andere Events stattfinden.
Thomas Majevszki sprach mit Sabri Päsch.
Sabri Päsch: Wir sind jetzt im achten Jahr. Ich habe meinen Traum realisiert. Ich war lange Flugbegleiterin, also Stewardess. Deshalb der Name – kam übrigens mein Mann drauf. Ich war selber immer Sammlerin und weltweit unterwegs. Und wenn die Kolleginnen auf der Fifth Avenue spazieren waren, bin ich halt in die Seitenstraßen gegangen und habe so über mehr als ein Jahrzehnt Kontakte gesammelt, die auch bis heute noch bestehen. Dadurch haben wir auch in New York Kunden und Lieferanten. Wir sind spezialisiert auf ganz seltene Sachen aus dem Vintagebereich, die sonst wirklich niemand hat. Wir haben zum Beispiel die Originaljacke von Grace Jones oder eine Hose von Madonna oder das Kleid von Halle Barry. Es macht einfach Freude, Kleidung anzubieten, die Geschichten erzählen. Ich bin ja keine Verkäuferin, das habe ich nie gelernt. Da ist auch ein ganz großes Stück weit Idealismus dabei. Es ist immer wieder wie eine große Schatzsuche. Und wir verkaufen natürlich auch das, was Frau/Mann so brauchen, z. B. Hermès, Chanel etc. Also die ganzen namhaften Designer, allerdings keinen Outlet-Ramsch. Wir bieten die echten und authentischen Dinge an, viele Sachen sind auch gänzlich unbenutzt. Wir haben viele Prominente, die zu uns kommen, die zum Beispiel mal ein Teil auf dem Red Carpet getragen haben. Das wird dann auch hier angeboten oder eben ganz neue Sachen vom Laufsteg. Daneben haben wir auch noch weltweit ausverkaufte Sachen im Angebot. Zum Beispiel die allererste Kollektion von Yves Saint Laurent oder Paco Rabanne Kleider aus den 60er Jahren. Aber wir fördern auch junge Designer, indem wir Ihnen eine Plattform bieten, sodass sie sich bei uns präsentieren können. Wir machen in regelmäßigen Abständen Events z. B. Fashion Shows unsd Ausstellungen gespickt mit DJs oder auch interessanten verrückten Live Acts. Das ist, glaube ich, im Großen und Ganzen das, was Stewardress ausmacht.
Wir versuchen auch, die oft sehr unerschwinglichen Sachen bezahlbarer zu machen. Das ist auch ein Aspekt. Und wir legen großen Wert auf Qualität, Wertigkeit, in dem Sinne, dass die Menschen auch sehr lange etwas von einem schönen Teil haben. Unser Motto war immer, lieber ein gutes Teil, als drei, die man in einem halben Jahr wieder vergessen hat.
Ich finde die Entwicklung etwas traurig. Ich komme ja gebürtig aus Jülich und ich bin Italienerin. Mein Papa kommt aus Florenz und meine Mama kam aus dem Ruhrgebiet. Aus Gelsenkirchen bin ich mit meiner Mutter immer durch Düsseldorf gefahren. Und ich habe gesagt, wenn ich mal groß bin, will ich hier wohnen. Das habe ich dann auch Anfang der 90er geschafft. Es war auch eine wunderbare Zeit. Da gab es zum Beispiel noch die tolle Mata Hari Passage, da gab es diesen einen Laden, der ist immer meinem Kopf geblieben – Mafalda. Das war so eine ganz große Inspiration. Oder eben, wie Du eben meintest, Ela, die ja auch damals mit Vintage angefangen hat und dann eben auch auf Avantgarde umgestiegen ist, oder dass BBC mit ganz frischen Sachen aus London. Also es gab viele spannende Sachen, viele individuelle Läden und mittlerweile muss ich sagen, hat sich das auf ganz, ganz, ganz wenige reduziert. Leider. Also ich finde, dass die Innenstädte mittlerweile weitgehend austauschbar sind. Ob ich jetzt durch München, Berlin oder Hamburg oder Düsseldorf laufe, ich sehe überall die gleichen Ketten und das finde ich weder spannend noch inspirierend. Wir haben hier das Glück, auf der Loretto Straße zu sein, wo man eben noch individuelle Lädchen findet.
Genau, Mainstream – viele Läden bieten einfach dasselbe an und es gibt wenig zu entdecken.
In den Achtzigern bin ich ja auch aufgewachsen und auch in den 90ern. Ich meine, das waren zwei Jahrzehnte, in denen die ganze Welt bunter war, es gab diverse Musikgenres. Wir konnten auswählen, welche Musik wir abends hören wollten und dazu passte dann jeweils auch die Mode. Heute sehe ich da sehr wenig Kreativität. Wobei ich sagen muss, wir haben viele junge Leute, gerade von den Modeschulen, die sehr oft bei uns zu Besuch sind, die sich einfach informieren, nach Schnitten oder guten Stoffen schauen, die also durchaus ein großes Wissen und auch Interesse daran haben und auch sehr individuell gekleidet sind. Aber es sind leider auch nicht sehr viele. Wir versuchen das ein Stück weit wieder aufleben zu lassen, indem wir viele Events machen, auch private Events, eben mit den Fashion Shows, den DJs, den Live Acts, wechselnde Kunstausstellungen, weil es unser Konzept ist, die Mode, die Kunst und die Musik zusammenzubringen. Ich finde, diese drei Sachen gehören einfach absolut zusammen. Wie es Vivienne Westwood damals mit den Sex Pistols vorgemacht hat. Es gibt da so viele Beispiele, die man nennen könnte. Auf unseren Partys ist es so, dass es wie eine riesengroße, bunte Collage von ganz, ganz jung bis ganz, ganz alt ist – unser ältester Kunde, der auch gerne mal das Tanzbein schwingt, ist 92 – und das macht große Freude. Du findest bei uns extrem reiche Kunden aber auch sehr arme, Tätowierte, Freaks, androgyne Leute, Jungs und Mädchen, Kleidung von Transgendern, von Transvestiten alles zusammen. Diese bunte Collage kreiert eine ganz besondere Atmosphäre, so als wenn jemand Feenstaub in die Luft geschmissen hätte. Es entstehen neue Dinge, man lernt neue Bands kennen, neue DJs, die dann sagen, ich würde gerne mal auflegen und es entsteht eigentlich ständig etwas neues. Wir betrachten das Ganze auch als so eine Art Meetingpoint, an dem Künstler sich treffen und kennenlernen, Musiker sich treffen und kennenlernen. Es ist immer in Bewegung.
Wenn ich an die 90er zurückdenke, da denke ich an Hip Hop und an Techno.
Ja, das waren Inspirationen und sehr unterschiedliche. Heute sehe ich einfach nur noch einen Einheitsbrei, so ein Grau in Grau mit ein paar kleinen Lichtblicken, die ich ja eben schon benannt habe. Es war auch alles weniger politisiert.
Bei Boy George hat man sich z. B. nie gefragt, ob er nun schwul war oder nicht, das hat einfach nicht interessiert. Da ging es um die Musik, da hatte man Inspiration durch seinen Look, aber alles andere war egal. Heute wird vieles einfach zerredet und ausdiskutiert. Und das nimmt vielem den Charme, den Reiz wieder weg. Ich habe auch bemerkt, dass viele von den ganz jungen Leuten oft gar nicht mehr die Traute haben, sich individuell und auffällig anzuziehen. Damals war die Stimmung eher so „Wo ist die Party? Was machen wir heute hier? Je schriller, desto besser.“ Und heute? Die Kids sind heute teilweise älter als ihre Mütter.
Viel seltener. Das ist so, ja, leider. Aber ich weiß nicht, ob es sozialer Druck ist. Durch das Internet werden auch Vorgaben gemacht, gerade in der jüngeren Generation… Für mich zählt Authentizität. Ich brauche nach wie vor diesen Kontakt zu den Leuten, die Gespräche. Selbst wenn ich einkaufe, möchte ich an dem Teil riechen, möchte es anfassen, anprobieren, mit einer Freundin sagen „Hey, ich komme gleich wieder“, einen Kaffee trinken und drüber nachdenken. Heute wird einfach ein Klick gemacht und dann habe ich das Gucci Shirt. Das finde ich sehr schade, weil dadurch auch die Wertigkeit verloren geht, die Wertschätzung für das Teil. Auch deshalb sind wir froh, dass wir durch unsere Events die Möglichkeit haben, auch wieder Menschen zusammenzubringen. Das ist ein Hauptaspekt.
Ich bin natürlich happy, wenn ich etwas verkaufen kann, natürlich, das sind wir alle. Wir müssen ja leben. Und ich habe mich nun mal entschieden, davon zu leben, was in der heutigen Zeit auch nicht einfach ist durch die ganzen Internetportale wie Vinted, Ebay und wie sie alle heißen. Aber was mir am allerwichtigsten ist, wirklich, ist auch dieses Zusammenkommen von spannenden Menschen und das immer wieder neue Sachen und Projekte entstehen.
Das liegt natürlich primär an den absolut bescheuerten und ultra überteuerten Mieten. Wir sind damals immer nach Düsseldorf gefahren, da war ich vielleicht 14 oder 15 und man hat sich wirklich schick angezogen. Das war ein Highlight. Die Kö zu besuchen, da lang zu flanieren, da hat man andere Menschen gesehen, die sich mit ihrem Äußeren Mühe gegeben haben. Die Atmosphäre hat heute sehr nachgelassen und es gibt so viel Leerstand wie es auf so einem Zugpferd, wie es die Kö einmal war, nicht sein darf. Dazu kommt: Wir sind Messestadt, es kommen Menschen aus Tokio, aus London, aus New York und die Messe geht bis 18:00. Die wollen dann anschließend noch mal die berühmte Königsallee sehen und alle Läden sind zu. Das ist ein Aspekt, den kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Will man Metropole sein oder nicht? Also wenn ja, dann agiert bitte auch so und nicht „dörflich“. Eine Stunde entfernt, in Maastricht, bin auf einem anderen Planeten. Da sitzen selbst im Winter alte und junge Leute zusammen, schick angezogen, es passiert was. Auch dort gibt es Leerstand, wie überall in Europa, aber nicht so massiv wie hier. Denk mal an die Friedrichstraße. Eine Katastrophe. Da ist gar nichts mehr. Die Ackerstraße ist eigentlich auch ganz spannend, aber die Loretto Straße ist für mich mittlerweile die Straße, in der ich dankbar bin, mein Geschäft haben zu dürfen.
Wie kommst Du an die Sachen, die Ihr hier im Laden verkauft?
Ich habe mir im Laufe der Jahre hat viele Kontakte aufgebaut, zu Musikern, Künstlern, Stylisten. Und dadurch komme ich an meine Sachen. Mittlerweile ist es auch so, dass viele Leute auf mich zukommen, um mir die Sachen anzubieten. Es kommen auch Stylisten zu uns, um sich auch mal Kleidung auszuleihen. Es ist also ein steter Austausch. Ich kaufe weltweit ein, denn auch in anderen Ländern schaue ich immer nach jungen Designern, die noch keiner kennt. Diese kaufen wir dann ein und schon sind wir wieder konkurrenzlos.
Noch mal zu den jungen Leuten. Wächst bei ihnen auch langsam wieder ein Bedürfnis nach einem individuellen Stil, nach etwas, was nicht der Mainstream ist, den die ganzen Ketten repräsentieren und den man überall bekommt, oder braucht es das noch Zeit?
Nein, es gibt eine Gruppe, die sehr bewandert ist. Mein Freund Till zum Beispiel. Er hat, muss ich ganz ehrlich sagen, was Avantgarde-Mode angeht, viel mehr Know-how als ich selbst. Von ihm kann ich noch was lernen und dieser Austausch mit jungen Menschen ist sehr fruchtbar. Daraus entstehen wieder neue Dinge. Also diese Gruppe gibt es durchaus, aber es sind wenige. Dann gibt es eben die andere Gruppe, die älter aussehen als ihre Mütter, und bei denen gar nichts mehr passiert. Es fehlt so ein bisschen die Traute, wie sie in den 80ern und 90ern noch üblich war.
Hat das vielleicht auch etwas mit Geld zu tun, mit den Möglichkeiten, sich Dinge leisten zu können?
Das Thema Geld gab es ja immer schon. Wir kommen den jungen Leuten mit den Preisen auch oft entgegen. Es sind ja auch unsere späteren Kunden. Manche legen Musik bei unseren Events auf und kriegen dafür ein gutes Outfit. So kann man das auch regeln.
Wie sich Düsseldorf im Bereich Fashion Deiner Meinung nach in den nächsten Jahren entwickelt?
Das ist schwer zu sagen. Wir machen eine Dependance in Italien auf. Ich glaube, das spricht dann für sich. Aber die Basis auf der Lorettostraße bleibt bestehen. Aber was das Gros der Mode angeht wird es schwierig. Die großen Messen wie die CPD oder die Igedo sind alle abgewandert. Ich habe oft als Model dort gearbeitet und als Übersetzerin, das war wirklich die große weite Welt. Man hat schrille Sachen aus New York entdeckt oder aus London und man war aufgeregt. Aber heute ist das alles eher ein Einheitsbrei.
Noch mal zu Dir, was hast Du vor, abgesehen von der Filiale in Italien?
Ich hoffe, dass ich das noch lange machen kann, denn es ist genau das, was mir Freude bereitet. Der Kontakt zu Menschen, Menschen zu fördern, Menschen zusammenzubringen, tolle Mode selber zu finden und anbieten zu können, mich selber so anziehen zu können.
Was hat es mit den Kinky Dessous auf sich, die in dem abgetrennten Bereich zu finden sind?
Meine Freundin Nadja betreibt quasi als Shop-in-Shop „Rock your Body Dessous“ mit Kinky Wäsche. Bei unseren Modenschauen bauen wir die Kinky Sachen dann mit in unsere Show ein. Die Leute erwarten das einfach nicht und finden es klasse. Wir nehmen auch Models jeder Altersklasse, jeder Körpergröße, jeder Hautfarbe, ob tätowiert oder gepierct… Ich finde diesen bunten Mix einfach sehr spannend.
Hast Du auch internationale Kunden und wer ist überhaupt Dein typischer Kunde?
Ja, eigentlich haben wir sogar viele internationale Kunden. Wenn ich dann mal was auf Instagram poste, kommen direkt Anfragen. Komischerweise fast immer aus New York oder San Francisco. Wir sind bunt und schimmern und eigentlich sind wir gar nicht greifbar. Wenn Du mich jetzt nach unseren Kunden fragst, ist es echt schwer zu sagen. Wir haben, wie gesagt, ganz junge Kunden, aber eben auch uralte Kunden und das auf der ganzen Welt. Im Prinzip wird eigentlich jeder fündig bei uns.
Liebe Sabri, vielen Dank für das tolle Gespräch!
Fotos: Sabri Päsch & Thomas Majevszki