11. Oktober 2015In 2015/4

„Als Schauspieler lebt man von der Energie, die vom Publikum kommt“

Interview mit dem Schauspieler Frank Büssing


von Dr. Susan Tuchel

Ihre Eltern, die beide in Berlin studiert haben, sind vor dem Mauerbau nach Westdeutschland gekommen und in Büderich gelandet. Ihre Mutter war Zahnärztin, ihr Vater Diplomphysiker und arbeitete in der Gerresheimer Glashütte. Wie kamen Sie da zur Schauspielerei?

Ich hatte mich nach dem Abitur eigentlich für Zahnmedizin eingeschrieben. Das kam vermutlich daher, dass ich schon als Kind zusammen mit meiner Schwester immer Zahnarzt gespielt habe. Wir hatten ja einige Instrumente zu Hause vorrätig. Da ich den erforderlichen Numerus clausus nicht erreicht hatte, stand ich auf der Warteliste für einen Studienplatz. Dann las ich eines Morgens in der Rheinischen Post, dass Statisten am Schauspielhaus gesucht würden. Ich ging hin und aus irgendeinem Grund wollte der Regisseur Roland Schäfer mich unbedingt haben. Vielleicht auch, weil ich so groß bin und er für diese Rolle einen großen Mann brauchte.

Nun werden aber aus den wenigsten Statisten richtige Schauspieler.

Ja, das stimmt. Ich hatte ja auch gar nicht vor, dabeizubleiben. Aber das Stück, in dem ich mitspielte, „Kabale und Liebe“, war damals ein Riesenerfolg und wurde 100 Mal statt der geplanten 30 Mal aufgeführt. Als „Edelstatist“ bin ich sogar mit zu einem Gastspiel nach Russland gefahren. Damals wurde ich geradezu süchtig nach Theaterluft. Ich ging dauernd zu den Proben und habe stundenlang zugesehen. Und als ich dann nach einem Jahr per Nachrückverfahren einen Studienplatz in Zahnmedizin bekam, hatte ich schon an einigen Schauspielschulen vorgesprochen und war an der Fachakademie in München aufgenommen worden. Ich habe diese Lebensentscheidung nicht bereut. Und ich war offensichtlich auch kein schlechtes Vorbild für meinen Sohn Max, der mit 24 Jahren gerade die Schauspielschule in Leipzig besucht.

Aus dem Fernsehen kennt man Sie auch, aber eher aus kleineren Rollen. War das nie eine Option, eine Karriere beim Fernsehen?

Doch, auch da gab es immer wieder Anfragen. Aber da ich über viele Jahre zum festen Ensemble in Kassel gehörte, war ich für die Filmbranche nicht flexibel genug. Und außerdem gefällt mir der direkte Kontakt zum Publikum noch besser. Als Schauspieler gibt man viel von seiner Energie ab, aber man lebt auch von der Energie, die beim Bühnenspiel von unten nach oben kommt.

Sie sind passionierter Schwimmer und von Sternzeichen Wassermann. Sie fotografieren und malen – mehr als ein Hobby?

Es ist schon eher eine Passion. Ich liebe das Schwimmen und genieße es, wenn das Wasser einen sanft streichelt, wenn man seine Bahnen zieht. Schwimmen hat für mich und mein Leben ganz viele Facetten. Ich habe in der Münster Therme in Düsseldorf schon vor einigen Jahren eine Unterwasserlesung gehalten mit dem Titel „Mit allen Wassern gewaschen“. Mit einer Quick-Snap-Kamera war ich in vielen Schwimmbädern unterwegs und habe die Geschichten eingefangen, die Menschen unter der Wasseroberfläche erzählen. Diese Polaroids habe ich auch mehrfach ausgestellt, unter anderem auch bei KIP, „Kunst im Pool“. Und wenn ich zum Pinsel greife und in Öl oder Aquarelle male, dann male ich am liebsten Bilder in Blau.

Würden Sie sich auch gerne in dieser Richtung sozial engagieren?

Ich denke schon seit Jahren darüber nach, eine Stiftung zu gründen, die sich dafür einsetzt, dass alle Menschen schwimmen können. Schön wäre es, wenn ich da auf Gleichgesinnte träfe. Vielleicht ruft mich ja jemand nach der Lektüre des Interviews an, wer weiß.

Sie gehören mittlerweile fast zum Stamm des Ensembles des Theaters an der Kö. Wie fanden Sie und René Heinersdorff zusammen?

Ich habe im Laufe der Jahre eine gewisse Vorliebe für das Boulevard-Theater entwickelt und bin immer wieder zu den Aufführungen hingegangen. Robby und ich haben geplaudert und dann kam irgendwann der Anruf und es passte.

In „Mutti“ spielten Sie Horst Seehofer auch sprachlich sehr überzeugend. Haben Sie das in Ihrer Münchner Zeit gelernt?

Für Dialekte habe ich so etwas wie ein brachliegendes Talent. Ich bin zwar immer noch öfter in München, wo meine Schwester lebt, aber genauso gut habe ich holländische, schweizerische und berlinerische Dialekte drauf.

Wie bekommen Sie den Kopf frei vom vielen Auswendiglernen?

Ich gehe mit meinem Hund spazieren, auch Segeln am Unterbacher See genieße ich im Sommer. Eine ganz besondere Auszeit ist es für mich, mit meiner Vespa zum Fußballgucken ins Café Gattopardo auf der Heyestraße zu knattern oder bei Mama Lisi in Düsseldorfs „Little Italy“ essen zu gehen.


Kurzvita

Frank BüssingNachdem Frank Büssing 1978 als Statist Theaterluft am Düsseldorfer Schauspielhaus geschnuppert hatte, wurde er bereits ein Jahr später an der Otto-Falckenberg-Schule in München angenommen. Zahlreiche Engagements folgten: Büssing (Jahrgang 1958) gehörte zum Ensemble am Staatstheater in Kassel. Er stand auf der Bühne in Bielefeld, bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, beim Schauspiel Bonn, im Theater Freiburg, im Schauspielhaus Zürich, im Theater Oberhausen sowie im Theater der Stadt Koblenz. Von 1986 bis 1988 spielte er im Düsseldorfer Schauspielhaus. An der Vlaasmen Opere in Antwerpen war Büssing in einer internationalen Produktion in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ zu sehen. Der gebürtige Düsseldorfer wirkte außerdem bei diversen Film- und Fernsehproduktionen mit (u.a. Tatort, Derrick, ZDF-Fernsehspiel „Das verletzte Lächeln“). Zuletzt verkörperte er Horst Seehofer in „Mutti“ im Theater an der Kö.


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