„Ich fühlte mich immer zu Hause, wenn ich nach Deutschland kam“
Interview mit US-Generalkonsulin Pauline Kao, Düsseldorf
von Dr. Paul Breuer
NRW ist das zweite Bundesland nach Berlin, wo Sie Ihren diplomatischen Dienst ausüben. Mit mehr als 1.600 US-Unternehmen in NRW ist dies wohl das wirtschaftlich wichtigste Bundesland in Deutschland und auch wichtigstes “economic powerhouse“ in Europa. Fühlen Sie sich in Düsseldorf in dieser unwirklichen Corona-Zeit schon angekommen?
Es fällt mir leicht, nach Deutschland zu kommen und mich sofort wie zu Hause zu fühlen. Schließlich kam ich bereits 1992 zum ersten Mal nach Deutschland und bin seitdem immer wieder zurückgekehrt. Ich habe etwa acht Jahre meines Erwachsenenlebens in Deutschland verbracht, und ich bewege mich in den USA und in Deutschland mit der gleichen Leichtigkeit. Egal unter welchen Umständen, ich werde mich immer in Deutschland zu Hause fühlen.
Sie haben Ihren diplomatischen Dienst in Düsseldorf nach der Trump-Ära angetreten. Hat Sie die erfolgreiche Präsidentschaftswahl mit Joe Biden als Präsident überrascht?
Ich habe meine diplomatische Laufbahn während der Amtszeit von Präsident Bush jr. begonnen. Wir füllen dieses Amt im Auftrag des Präsidenten aus, also im Auftrag der Institution, nicht der jeweiligen Person, und wir sind der Verfassung der Vereinigten Staaten verpflichtet. Darauf haben wir als Diplomaten einen Eid abgelegt. Obwohl mich die politischen Entwicklungen als Wählerin und Bürgerin interessieren, diene ich dem Land und setze seine Außenpolitik um, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Das ist die Beziehung, die ich zum Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten habe.
Wie sehr werden sich die aktuellen Ereignisse – Corona-Krise, Ukraine/Russland-Krieg – auf die regionale Entwicklung unserer Wirtschaft in NRW in Bezug auf die transatlantische Wirtschaftsbeziehung auswirken? Was werden Sie Ihrer Botschafterin in Berlin darüber berichten?
NRW ist das größte und das wohlhabendste Bundesland in Deutschland. Seine Wirtschaft ist größer als die von Schweden oder Polen. Geographisch gesehen liegt es im Herzen Europas. Es versteht sich von selbst, dass NRW für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen von enormer Bedeutung und Tragweite ist. Genau diese Botschaft übermittle ich nach Berlin. Aber unsere neue Botschafterin muss davon nicht überzeugt werden. Sie ist sehr gut informiert und war in den ersten Monaten ihrer Amtszeit bereits zweimal in NRW. Ich denke die Botschaft ist klar: Wir haben es verstanden und wir handeln entsprechend.
Ab 1. Januar 2022 sind US-Strafzölle auf bestimmte Eisen-, Stahlund Aluminiumerzeugnisse abgeschafft. Ist es nach dem Scheitern des TTIP (Transtalantic Trade and Investment Partnership) nicht Zeit für ein transatlantisches Handelsabkommen 2.0 mit dem Ziel, Handelsbarrieren, Zölle und Quoten und Investitionsschranken weiter abzubauen?
In der Tat gehen die Entwicklungen in diese Richtung, da im Juni letzten Jahres von der US-Regierung und der EU das Transatlantic Technology Council (TTC) ins Leben gerufen wurde.
Als Schlüsselaufgabe des TTC soll die globale Wirtschaft, wirtschaftliche und technologische Projekte, wie Technologie Standards, Klima- Technologie, künstliche Intelligenz, Semiconductor-Industrien, Plattformen für Sicherheit und Missbrauch von Technologietransfers, Menschenrechte und Exportkontrollen u.a. geschaffen werden. Was erwarten Sie von dem 2022 stattfindenden neuen Forum, das von manchen als ein besseres und erfolgreicheres Konzept betrachtet wird?
Das Trade and Technology Council (TTC) wird unsere wirtschaftliche Partnerschaft stärken und die Regeln der Weltwirtschaft aktualisieren. Das TTC soll der Welt zeigen, wie demokratische und marktorientierte Ansätze in den Bereichen Handel, Technologie und Innovation das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger verbessern und eine Kraft für mehr Wohlstand sein können.
Mit welchem Ziel?
Ein wichtiges Ziel ist es, mit gleichgesinnten Partnern weltweit einen offenen, interoperablen, sicheren und zuverlässigen digitalen Raum zu fördern und bei der Entwicklung und dem Schutz der Technologie von morgen führend zu bleiben. Durch das TTC können die USA und die EU gemeinsam auf eine sicherere und wohlhabendere Welt hinarbeiten, in der das Wachstum von den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung, des Umweltschutzes und dringender Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise geleitet wird. Die zu diesem Zweck eingesetzten TTC-Arbeitsgruppen werden ihre intensive Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Interessengruppen fortsetzen, darunter Vertreter der Industrie, von Arbeitnehmerorganisationen, Think Tanks, gemeinnützigen Organisationen, Umweltverbänden, Wissenschaftlern und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft.
Die globale Weltwirtschaft wird in den kommenden Jahren durch die Pandemie und den Ukraine/ Russland-Krieg erheblich beeinträchtigt sein. Wir werden unseren wirtschaftlichen Focus mehr auf die EU, Kanada und USA richten müssen, ohne aber unsere Beziehung zu China zu vernachlässigen. Präsident Biden scheint sein Augenmerk im Gegensatz zu seinen Vorgängern wieder mehr auf Europa gerichtet zu haben. Wie erklären Sie sich den Schwenk und wie lange wird das Interesse an Europa andauern?
Wir haben schon immer in Europa investiert. Die transatlantischen Beziehungen sind nicht nur in ihrer Geschichte verwurzelt. Die USA und Europa teilen auch gemeinsame Werte, Systeme und Visionen. Die Welt ist globalisiert und komplex, und wenn wir uns stärker auf eine Region konzentrieren, heißt das nicht, dass wir eine andere aus den Augen verlieren. Es war, ist und bleibt eine Tatsache, dass wir nicht ohneeinander auskommen. Nach allem, was ich bisher in meiner beruflichen Laufbahn erfahren habe, muss ich sagen, dass mir das wirklich sehr am Herzen liegt.
Friedrich Merz hatte, bevor er wieder in die aktive Politik zurückgekehrt und zum Parteivorsitzenden der CDU gewählt wurde, den Vorsitz der Atlantik-Brücke e.V. abgegeben. Der Verein mit Sitz in Berlin verfolgt laut Satzung „Bildungs-, wissenschaftliche, kulturelle und mildtätige Zwecke sowie die Förderung der Völkerverständigung“. Hatten Sie schon die Gelegenheit, ihn zu treffen, der – wie Ex-Umweltminister und außenpolitischer Sprecher Norbert Röttgen – aus NRW stammt?
Nein, bisher hatte ich noch nicht das Vergnügen. Aber ich habe das große Glück, in meiner Position viele Politiker:innen und Regierungsmitglieder kennenzulernen, die sich sehr um Lösungen bemühen und ihre Arbeit sehr ernst nehmen. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Qualität und dem Kaliber der deutschen Politiker:innen – und übrigens auch der Journalist:innen. Sie sind im Allgemeinen sehr gut informiert, sachkundig, wortgewandt, kritisch im Denken und bestrebt, Fairness und Gerechtigkeit in ihre Tätigkeit einzubringen. Es fällt mir leicht, mit einer so beeindruckenden Gruppe von Fachleuten zusammenzuarbeiten.
Es ist schwierig zu verstehen, dass es bisher nicht möglich war, eine geeignete Städtepartnerschaft für Düsseldorf in den USA zu finden. Anbieten würde sich zum Beispiel Seattle, die Stadt, in der Sie zur Schule gegangen sind, Standort von Boeing, Microsoft, Tesla, mit einer Einwohnerzahl ähnlich hoch wie die von Düsseldorf. Sie ist – so wie Düsseldorf – eine Hochburg der Kunst mit einer Kunstakademie. Könnten Sie sich vorstellen, dass es während Ihrer Zeit in Düsseldorf zu einer Städtepartnerschaft kommt?
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich hoffe, dass das der Fall sein wird. Es war eines der ersten Dinge, die ich bei meiner Ankunft von so vielen Menschen hörte, dass die Hauptstadt von NRW keine Partnerstadt mit den Vereinigten Staaten hat. Der Wunsch ist da, das weiß ich. Ich kann Ihnen versichern, dass ich in meiner Funktion alles tun werde, um zum Gelingen einer Partnerschaft beizutragen.
Worin wird der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in den kommenden drei Jahren liegen?
Nun, Sie haben gerade eine erwähnt – die Städtepartnerschaft. Ich hoffe, dass sie zustande kommt. Ich hoffe auch, dass es wieder Direktflüge von Düsseldorf zu Zielen in den USA gibt. Ich hoffe auch, nicht nur sichtbare Dinge zu erreichen, sondern auch das Fundament der Freundschaft, des gegenseitigen Verständnisses, der Fähigkeit, sich miteinander zu verbinden, zu stärken und zu vertiefen, ja den Willen zu stärken, gemeinsam schwierige Probleme anzugehen. Das ist der Kern der Diplomatie, der für Fortschritt und Stabilität sorgt, die nicht leicht zu sehen sind, ohne die wir als Zivilisationen aber nicht leben können. Das ist der Kern meiner Arbeit.
Wie schätzen Sie generell die deutsch-amerikanischen Beziehungen ein?
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind sehr gut. Es ist eine reife Beziehung, eine, in der wir offen und transparent miteinander umgehen können. Es ist wie die beste aller Freundschaften: Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir wenden uns nie voneinander ab und sind immer da, wenn wir Hilfe brauchen. Das gilt für die zwischenmenschliche Ebene zwischen unseren Völkern sowie für die nationale Ebene. Es gibt so viel, was uns verbindet, und zwar nicht nur aus Pragmatismus, sondern aus der Überzeugung heraus, gemeinsame Werte und Visionen zu teilen. Ich bin optimistisch.
Was sind die größten aktuellen transatlantischen Herausforderungen?
Die transatlantischen Herausforderungen sind gleichzeitig auch unsere nationalen Herausforderungen in den USA. Die Pandemie, die noch nicht vorbei ist, Energie und Klimawandel und die Verteidigung der Demokratie sind meiner Meinung nach die drei kurz-, mittel- und langfristigen Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam stellen müssen. Das ist die Realität einer globalisierten und vernetzten Welt – meine Probleme sind Ihre, und Ihre sind meine. Deshalb ist es eine Realität, die man akzeptieren muss, auch wenn man nicht ideologisch daran glaubt. Wir brauchen einander und können nicht ohneeinander auskommen. Natürlich ist es viel besser, wenn uns darüber hinaus auch noch eine Freundschaft verbindet.
Kurzvita
An der Humboldt-Universität Berlin erwarb sie als Fulbright-Stipendiatin einen Master in Rechtswissenschaften. Zuvor erhielt sie an der University of Washington den Juris Doctor und ihren Bachelor-Abschluss. Bevor Pauline Kao 2001 in den diplomatischen Dienst eintrat, arbeitete sie in einer deutschen Anwaltskanzlei in Berlin.
Sie stammt aus Taiwan. Ihre Eltern waren in die USA nach Seattle ausgewandert. Dort besuchte sie die High School und wählte als zweite Fremdsprache Deutsch. Neben fließendem Englisch, Deutsch und Mandarin spricht sie auch etwas Japanisch. Pauline Kao übernahm im August 2021 das Amt der US-Generalkonsulin für NRW. Davor war sie Leiterin der Abteilung für öffentliche Angelegenheiten im US-Generalkonsulat in Shanghai, China. Weitere Außenstationen davor waren in Hawaii, Washington, Peking, Tokio, Brüssel und Berlin.
© Titelfoto: DJournal
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