„Ich möchte, dass die Komödie wieder festen Boden unter den Füßen bekommt“
Interview mit Verena Wüstkamp, Schauspielerin und Theaterleiterin, Komödie Düsseldorf
von Dr. Susan Tuchel
Das Schicksal der Komödie an der Steinstraße hat die Gemüter in Düsseldorf bewegt. 15 Monate lang war die Spielstätte geschlossen. Mit welchen Altlasten haben Sie die Komödie an der Steinstraße übernommen, die nächstes Jahr ihren 60. Geburtstag feiert?
Es gibt keine Altlasten. Das Theater wurde von einem Privattheater in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. Alleiniger Gesellschafter ist der Freundeskreis. Ich bin „nur“ Geschäftsführerin und Theaterleiterin. Das unterscheidet mich von meiner Vorgängerin, der das Theater gehörte und die somit auch persönlich von der Insolvenz betroffen war. Für mich war das Angebot, die Geschäftsführung zu übernehmen, ein Sprung ins kalte Wasser. Aber das habe ich eigentlich immer schon so gemacht. ich springe und komme irgendwo wieder an Land. Darauf vertraue ich. Und außerdem ist es spannend, neue Geschäftsfelder und Aufgabenbereiche kennenzulernen.
Am 31. Dezember läuft der Mietvertrag aus. Man hört und liest von Verhandlungen mit dem Künstlerverein Malkasten und dem Capitol Theater.
Die Zeichen stehen aktuell sehr gut, dass wir tageweise den Club im Capitol Theater mieten können. Da passen 350 bis 400 Leute hinein und es gibt eine schöne Bar. Aber natürlich ist unser Ziel, langfristig wieder ein eigenes Haus zu haben, in dem wir spielen können, sonst hat man nur die Rolle des Gastes.
Das Programm der aktuellen Spielzeit heißt „Wer Tränen lacht, braucht sie nicht zu weinen“, das soll heißen?
Natürlich spielt das Motto unterschwellig auf unsere prekäre Situation an, aber wir wollen damit auch ein Signal geben, dass wir lustig weitermachen. Wir möchten unserem Publikum ein buntes, unterhaltendes, aber auch berührendes Programm bieten. Und das für jede Altersklasse. Die nächste Komödie „Kein Auskommen mit dem Einkommen“ mit Peter Millowitsch und Andrea Spatzek gehört noch zum Repertoire, das ich übernommen habe und für das es viele Liebhaber gibt.
Was mir auch am Herzen liegt, neben unseren vielen Gastspielen und Sonderveranstaltungen, sind die Matinéen am Sonntag. Da steht neben den „Galgenliedern“ Christian Morgensterns auch Heinrich Heines „Ein Wintermärchen“ auf dem Programm. Und dann gibt es auch noch eine Erzählzeit nur für Kinder. Da ich selber ausgebildete Erzählerin bin, weiß ich, wie groß der Unterschied ist, ob man ein Märchen vorliest oder erzählt und spielt. Die zwei Sonntage im Oktober und November mit Märchen der Brüder Grimm mit Oliver Kai Müller sind echte Premieren in Düsseldorf.
In welche Richtung möchten Sie die Komödie weiterentwickeln?
Ich möchte in der nächsten Spielzeit noch mehr bieten: klassische Komödien und gute, anspruchsvolle Unterhaltung. Auch Kriminalkomödien gibt es sehr gute. Und warum nicht einmal eine Komödie von Shakespeare auf die Bühne bringen? Auch ein Weihnachtsmärchen möchte ich gerne ins Programm aufnehmen.
Erhalten Sie finanzielle Unterstützung?
Das ist immer ein heißes Eisen, weil wir keine öffentlichen Gelder bekommen. Aber einen Antrag beim Kulturamt für das nächste Jahr habe ich schon eingereicht, weil die Mieten höher sein werden als die, die wir derzeit auf der Steinstraße zahlen.
Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden?
Was mich sehr geprägt hat, war die Waldorfschule. Mein Vater, der Betriebswirt, Visionär und Anthroposoph ist, hat in Dreieich eine Waldorfschule gegründet, und ich war in der ersten Klasse. Der Vorläufer, ein Waldorf-Kindergarten, war sogar in meinem Elternhaus untergebracht. ich habe immer viel Kontakt zur Kunst gehabt. Gedichte und Theater gehören in den Waldorfschulen zum Konzept. ich habe als Schülerin im Sommertheater gespielt bis zum Abitur. Mit 14 Jahren wusste ich, dass ich Schauspielerin werden wollte und habe Gesangsund Klavierunterricht genommen. Was mich sehr geprägt hat, war die Schauspielschule von Dorothea Gmelin. Dorothea gab mir ein wichtiges Zitat von Erich Kästner mit auf den Weg: „Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.“
Stehen Sie lieber vor der Kamera oder auf der Bühne?
Beides hat seinen Reiz. Ich liebe beides. Aber was mir beim Theater besser gefällt, ist der Kontakt zum Publikum. Die Bühne ist mein Zuhause.
Aber nun stehen Sie nur noch in einem Stück von Anton Tschechow selbst auf der Bühne.
Das ging jetzt einfach nicht anders, sonst müsste ich mich teilen. Ich habe ja auch hin und wieder noch Drehtage. Meinem Beruf möchte ich schon noch treu bleiben. Aber aktuell geht es mir vor allem um die Theaterfamilie, die ich hier in Düsseldorf habe. Im Laufe meiner zwanzigjährigen Schauspielkarriere habe ich immer länger an Bühnen gespielt. Da stellt sich bei mir ein familiäres Gefühl ein. Und für diese achtköpfige Team-Familie hier in Düsseldorf werde ich alles tun, damit es wieder aufwärts geht mit der Komödie. Ich möchte, dass die Komödie wieder festen Boden unter den Füßen bekommt. Da kommt mir das Jubiläumsjahr 2022 eigentlich wie gerufen.
Mit dem neuen Job sind Sie auch Neu-Düsseldorferin geworden. Haben Sie schon Lieblingsorte?
Ich bin mit meiner Frau von Köln nach Wittlaer gezogen. Eigentlich wollten wir ein Haus auf dem Land kaufen. Jetzt ist es ein Häuschen zur Miete im letzten Zipfel von Wittlaer geworden. Lieblingsorte erkunde ich noch, aber ich mag Kaiserswerth sehr gerne, die Felder bei uns und den Rhein und bin dort oft mit unserem Hund unterwegs.
In Ihrem Schauspielerinnenprofil steht aber noch viel mehr: Fechten, Reiten, Ski alpin, Fremdsprachen usw.
Fechten und Tai-Chi habe ich in der Schauspielschule gelernt. Vor zwei Jahren habe ich eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerein absolviert. Das war eigentlich nur so für mich, aber während des Lockdowns war ich ganz froh, dass ich ein bisschen online unterrichten konnte, sonst wäre es doch sehr einsam gewesen. Geritten bin ich früher auch, jetzt galoppiere ich nur noch durch die Wüste in Namibia, wenn wir die Verwandten meiner Frau Tanya Davidow besuchen, die gerade dabei ist, als Fotografin in Düsseldorf Fuß zu fassen. Der enge Kontakt mit dem anderen Kontinent hat natürlich auch etwas mit mir gemacht. Die Not vieler Menschen dort ist groß. Bei meinem letzten runden Geburtstag habe ich Geld gesammelt, Winterkleidung gekauft und verschenkt.
Noch einmal zurück zur Komödie: Wie gehen Sie mit den Corona-Verordnungen um?
Wie alle halten wir uns an die Vorgaben. Bis zum 20. September hätte ich theoretisch den Saal vollmachen können. Aber ich habe trotzdem nach Schachbrettmuster die Tickets verkauft und trotz 3 G unseren Gästen empfohlen, die Maske auch während der Vorstellung zu tragen. Die Premiere von Loriots „Szenen einer Ehe“ war sehr gut besucht, aber bei 180 Gästen haben wir von uns aus den Riegel vorgeschoben. Es gibt genügend Vorstellungen nach der Premiere und jede Menge zu entdecken in unserem Programm.
Am liebsten würde ich allen Düsseldorferinnen und Düsseldorfern zurufen: Wir haben Lust, wir haben Mut, kommt doch mal vorbei!
Kurzvita
Verena Wüstkamp wurde 1978 in Frankfurt geboren. Sie besuchte das staatlich anerkannte Schauspielstudio Gmelin in München, nahm Gesangstunden bei Matthias Heiling von der Otto-Falckenberg-Schule, absolvierte eine Ausbildung zur Theaterpädagogin an der Theaterwerkstatt Heidelberg, ließ sich im Theaterhaus Frankfurt zur Erzählerin ausbilden und besuchte die Masterclass „Creating Characters“ in Berlin. 2000 wurde sie für den Lore-Bronner-Preis nominiert. Von 2002 bis 2009 war sie in unterschiedlichen Rollen bei den Brüder-Grimm-Festspielen in Hanau zu sehen, wo sie 2004 mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde. Sie spielte im Fernsehen in der „Lindenstraße“, war bei „SOKO Köln“ im Einsatz und bekam Hauptrollen in verschiedenen Kurzfilmen. Bekannt wurde sie 2014 in der Hauptrolle des Kinofilms „Happy End“. Seit 2016 steht sie immer wieder in der Komödie Düsseldorf auf der Bühne. im April dieses Jahres übernahm sie die Geschäftsführung der Komödie Düsseldorf.
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