„Ich weiß, wie man eine Großstadt führt – und ich will Düsseldorf in eine gute Zukunft führen!“
Interview mit Dr. Stephan Keller, Stadtdirektor in Köln
und Oberbürgermeisterkandidat der CDU in Düsseldorf
von Dr. Siegmar Rothstein
Schon vor dem Abitur sind Sie in die Junge Union, die Jugendorganisation der CDU eingetreten, haben sich also früh und fortgesetzt bis heute politisch engagiert. Was treibt Sie in die Politik?
Ich komme aus einer politisch und ehrenamtlich engagierten Familie: Mein Vater war Ratsherr der CDU, meine Mutter in der katholischen Kirche aktiv, meine älteren Brüder waren in Sportvereinen, meine Schwester bei den Pfadfindern. Ich habe mich zunächst in der Jugendarbeit in der Pfarrgemeinde engagiert. Als Oberstufenschüler wollte ich dann Politik machen, um die Gesellschaft zum Besseren hin zu verändern. Deshalb habe ich Jura studiert und danach den Weg über die kommunale Verbändelandschaft bis in die Stadtverwaltung gewählt. Das war für mich genau das richtige!
Sie sind einstimmig vom Vorstand der CDU Düsseldorfs als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert worden, 274 von 279 Delegierten haben Sie gewählt. Diese besonders hohe Zustimmung gibt ihnen sicher kräftigen Rückenwind. Warum wollen Sie Oberbürgermeister Düsseldorfs werden?
Düsseldorf ist seit über 15 Jahren meine Heimat, meine Kinder sind hier aufgewachsen. Hier bei uns wieder maßgeblich mitgestalten zu können, wäre für mich etwas ganz Besonderes. Düsseldorf ist eine großartige Stadt mit viel Potenzial. ich will unsere Stadt wieder ganz an die Spitze führen!
Wohnen wird geradezu für eine Gerechtigkeitsfrage und ein Grundrecht gehalten. Offenbar herrscht aber großer Mangel an bezahlbarem Wohnraum, eine Verbesserung der Situation scheint jedenfalls mittelfristig nicht zu erzielen, oder sehen Sie Lösungsansätze? in diesem Zusammenhang wird die Forderung nach größerer Bautätigkeit erhoben. Dafür geeignete freie Flächen sind aber in Düsseldorf wohl Mangelware. könnte verstärkte regionale Kooperation helfen?
Eins ist klar: Düsseldorf wird die Wohnungsfrage nur in enger Kooperation mit seinen Nachbarn lösen können. Eine Stadt kann nicht um jeden Preis wachsen, denn sie muss lebenswert bleiben. ich stehe hier für intelligente Konzepte, auch beim Wohnungsbau. natürlich muss in Düsseldorf weiter gebaut werden. Wichtig ist aber, dass behutsam verdichtet wird. Grün- und Freiflächen müssen erhalten bleiben, der dörfliche Charakter vieler Stadtteile muss bewahrt werden, denn auch das zeichnet Düsseldorf aus!
Sie waren sechs Jahre unter anderem Verkehrsdezernent in Düsseldorf. Die Verkehrspolitik interessiert und beschäftigt praktisch alle Bewohner unserer Stadt und spielt eine große Rolle in der öffentlichen Auseinandersetzung. Wird es mit ihnen eine Verkehrswende geben, von der so viel die Rede ist? Wie wird sie gegebenenfalls aussehen? Den umstrittenen Umweltspuren stehen Sie jedenfalls kritisch gegenüber.
Wir brauchen endlich wieder eine erstklassige Verkehrspolitik! Dabei setze ich auf intelligente Lösungen und einen ausgewogenen Verkehrsmix. Schlagworte sind hier: Innovation & Investition. Innovation bedeutet, dass zum Beispiel die Verkehrssteuerung digitalisiert werden muss. Investition heißt Ausbau des Schienennetzes und der Kapazität des ÖPNV. Ganz wichtig ist auch, dass unser radwegenetz in Düsseldorf endlich realisiert wird, das schon seit vielen Jahren geplant ist. Und ich bleibe dabei: Umweltspuren sind das falsche Instrument, denn die von ihnen verursachten Staus sind umweltschädlich, wirtschaftsfeindlich – und unnötig.
Immer wieder wird gefordert, die Sicherheit im öffentlichen Raum und den Ordnungs- und Servicedienst zu verbessern. Muss hier gehandelt werden?
Ja, hier besteht dringender Handlungsbedarf! Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass wir Düsseldorf als moderne und weltoffene Metropole gestalten können, ohne darauf zu verzichten, für Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen. Wir brauchen für Düsseldorf endlich einen umfassenden Aktionsplan, der darauf abzielt, den öffentlichen Raum komplett zurückzugewinnen und allen Bürgerinnen und Bürgern das teilweise bereits verlorengegangene Vertrauen in die Sicherheit wiederzugeben. Dazu werde ich das Personal beim Ordnungsdienst verdoppeln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestens ausstatten. Ich werde die Ordnungspartnerschaften mit der Polizei stärken und mich für intelligente Videobeobachtung einsetzen. Wir müssen uns im Bereich der Prävention noch stärker engagieren, damit wir immer einen Schritt voraus sind, denn dann können Probleme erst gar nicht entstehen!
Wie stehen Sie zu der Überlegung, Frauen mehr politische Führungsaufgaben und Spitzenämter in der Verwaltung anzuvertrauen? Gerade in ihrer Partei wird in diesen Wochen über die Einführung einer verbindlichen Frauenquote gesprochen.
Wir brauchen dringend mehr Frauen in Führungspositionen, denn gemischte Teams arbeiten einfach besser. Wir sind im öffentlichen Dienst schon weit, aber noch lange nicht am Ziel. In der Wirtschaft sieht es leider nicht besser aus. man muss hier also an verschiedenen Stellen ansetzen. Hier ist auch die Politik gefragt, Quoten können eine Lösung sein. Als Oberbürgermeister werde ich mich dafür einsetzen, Spitzenämter in der Verwaltung verstärkt mit Frauen zu besetzen. Außerdem werde ich für einen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung sorgen, so dass alle Familien, die ihr Kind in eine Betreuung geben wollen, dies auch guten Gewissens tun können. Darüber hinaus ist Karriere oft eine Frage des richtigen Netzwerkens. Ich werde daher auch Netzwerke für Frauen fördern – und, genauso wichtig: gemischte Netzwerke.
Sie wollen unsere Stadt wieder an die Spitze bringen. Sie spielt, wie Sie formuliert haben, zur Zeit nicht in der Champions League. Wie soll das gelingen? Sollen die Bürger mehr am politischen Dialog beteiligt werden? Wollen Sie anders führen, als es gegenwärtig geschieht.
Ich weiß, wie man eine Großstadt führt – und ich will Düsseldorf in eine gute Zukunft führen! als Team Player, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung und gemeinsam mit den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern. Ich werde ein Oberbürgermeister sein, der zuhören kann, der den wertschätzenden Dialog sucht, der meinungs- und durchsetzungsstark ist – und der sich für das Wohl aller einsetzen wird!
Obwohl die CDU in den Umfragen hohe Zustimmung erfährt, wird sie bei der Kommunalwahl wohl kaum die absolute Mehrheit erzielen. Mit welchem politischen Mitbewerber können Sie sich eine erfolgreiche Zusammenarbeit vorstellen?
Zunächst ist das Ziel natürlich, möglichst viele Stimmen zu erhalten. Das gilt für mich bei der Oberbürgermeisterwahl und genauso natürlich auch für die CDU-Ratsfraktion, damit wir das Rathaus wieder für die CDU zu- rückerobern! Dafür setzen wir uns gemeinsam mit viel Engagement ein. Generell kann ich mir mit allen demokratischen Parteien eine Zusammenarbeit vorstellen. Wenn es nötig sein sollte, schauen wir nach der Wahl, mit welcher demokratischen Partei es die größte Schnittmenge gibt.
Seit einigen Monaten wird nahezu das gesamte politische Handeln von der Coronapandemie überlagert. Sie belastet insbesondere die Kommunen und wird in der Zukunft auch Düsseldorf viel abverlangen. Stimmen Sie den erfolgten und beabsichtigten Maßnahmen zur Eindämmung zu, die Düsseldorf ergriffen hat? Halten Sie andere oder zusätzliche Aktivitäten für erforderlich? Sie leiten als Stadtdirektor in Köln den Krisenstab, kann Düsseldorf von Köln etwas lernen?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Düsseldorf geben in der Corona-Krise ihr Bestes, und davor habe ich großen Respekt! Es ist auch hier wieder eine Frage der Führung. so haben wir in der Nachbarstadt von Beginn an schneller agiert, als die Düsseldorfer Stadtspitze. Düsseldorf hat oft mit Zeitverzögerung gehandelt: Zunächst bei den Lockdownmaßnahmen für Veranstaltungen und Gastronomie, später bei der Ausweitung der Test-Strategie und aktuell bei der Reaktion auf die schwierige Lage in der Altstadt. Mir ist stringentes und widerspruchsfreies Handeln wichtig, das gilt gerade in einer Krise. Corona ist noch nicht vorbei und wird uns auch in Zukunft noch beschäftigen.
Die öffentliche Hand nimmt außerordentlich viel Geld in die Hand, um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Wird dieses Geld richtig eingesetzt? Besteht die Gefahr, dass wir uns übernehmen?
Natürlich war es richtig, der Wirtschaft zu helfen. Denn viele Unternehmen sind ja völlig ohne eigenes Verschulden in einer Notlage. Volkswirtschaftlich ist es übrigens besser, die Unternehmen jetzt mit Hilfen durch die Krise zu bringen, als die Folgen einer Welle von Insolvenzen abzufedern. Deutschland ist ein wohlhabendes Land, wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet. Daher werden wir auch gemeinsam durch diese Krise kommen.
Glauben Sie, dass Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der Coronapandemie gezogen werden? Welche könnten es sein?
Um zunächst das Positive zu nennen: Corona hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst und hat dafür gesorgt, dass wir Alltägliches hinterfragt und neues gewagt haben. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass Homeoffice in vielen Fällen so reibungslos funktioniert und dass Videokonferenzen Präsenzsitzungen in Teilen sehr gut ersetzen können? Corona hat allerdings auch einige Schwächen in unserem System aufgezeigt, zum Beispiel bei unseren Schulen und auch in der Verwaltung. Außerdem wird Corona durch die negativen Folgen für die Wirtschaft auch den städtischen Haushalt belasten. Wichtig ist: Wir werden als Stadtgesellschaft nur gemeinsam gut durch die Krise kommen!
Trotz der Coronakrise hat die Landesregierung beschlossen, den Termin für die Kommunalwahl und die Wahl der Bürgermeister im September beizubehalten. Hätte man besser die Wahl verschoben oder vorgesehen, per Brief zu wählen?
Es ist gut, dass die Wahl stattfindet. Denn sie ist ein Beweis, dass unsere Demokratie auch in einer Krise funktioniert. Wer wegen Corona Bedenken hat, im September in ein Wahllokal zu gehen, kann ab Mitte August ganz einfach per Briefwahl wählen. ich bin froh, dass wir in den vergangenen Wochen wieder Wahlkampf auf der Straße machen konnten. Denn die Begegnung mit den Wählerinnen und Wählern ist durch nichts zu ersetzen! Im persönlichen Austausch mit den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern habe ich erfahren, welche Themen ihnen besonders am Herzen liegen – und das war mir sehr wichtig!
Einer Kandidatur standen Sie zunächst wegen des befürchteten Stresses und den Herausforderungen bezüglich des Schutzes der Privatsphäre ablehnend gegenüber. Diese Bedenken haben Sie offenbar zurückgestellt. Was bewegt Sie nun, wenn Sie an die anspruchsvolle Aufgabe denken, die Landeshauptstadt Düsseldorf mit über 10.000 Beschäftigten zu führen?
Als ich Anfang 2019 gefragt wurde, war ich gerade zwei Jahre im neuen Job. ich hatte viele Projekte angestoßen. Es war eine sehr anspruchsvolle Zeit, die von Umbrüchen geprägt war. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben darauf vertraut, dass ich bei der Umsetzung an ihrer Seite stehe. Ein Jahr später, Anfang 2020, war die Situation eine andere: Die Projekte sind entweder bereits abgeschlossen oder alle auf einem guten Weg. Ich konnte in einem tollen und engagierten Team sehr viel bewegen, darauf bin ich stolz. Ich bin jetzt bereit für eine neue Aufgabe.
Kurzvita
Dr. Stephan Keller wurde 1970 in Aachen geboren. Nach Abitur Jurastudium in Bayreuth und Birmingham, 1996 Master of laws (ll.m.), im Anschluss an das zweite juristische Staatsexamen 1999 bis 2005 Referent beim deutschen Städtetag, 2006 bis 2010 Beigeordneter für Städtebau, Umwelt und Kommunalwirtschaft beim Städte- und Gemeindebund NRW, 2010 Promotion, ab 1.1.2011 bis 2016 war Dr. Keller Beigeordneter für Recht, Ordnung und Verkehr in Düsseldorf, seit 2017 ist er Stadtdirektor in Köln. Die Delegierten der Düsseldorfer CDU wählten ihn mit 98,2 % Zustimmung zum CDU Spitzenkandidaten für die kommende Kommunalwahl. Dr. Keller ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in Düsseldorf.
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