LITERATUR – neu entdeckt als guter Wegbegleiter durch das Corona-Tief
Leseprobe: TRUVADA
Ein Aufschrei ging durch die Schwulenszene rund um den Bahnhof von Dingens. Das heißt, die einen jubelten, andere waren empört.
Das klassische Medikament zur HIV- Prophylaxe, nämlich Truvada, wurde plötzlich von den Krankenkassen bezahlt, was natürlich die Schwarzhändler in große Aufregung versetzte. Immerhin waren ihre Millionengewinne jetzt gestrichen. Truvada ist nämlich nicht billig, sondern kostet pro Einnahmejahr sogar die Kassen mehr als 10.000 €. Die schwarzen Händler nahmen ein Vielfaches dafür und besorgten sich das Mittel über spezielle Kanäle. Der Hass auf den schwulen Gesundheitsminister war riesengroß, aber da waren eben die Fakten. Ab dem 1. September gab es das Mittel für Homosexuelle kostenlos über ein Arzt-Rezept.
Verordnete der Arzt das gerne? Ja, denn es wurde eigens ein neues Kapitel in die Gebührenordnung eingearbeitet, das für Beratung und Rezeptur erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellte. Der Patient musste HIV frei sein, und es gab da mehrere Formen der Einnahme, je nachdem, ob er das Medikament dauerhaft, also täglich, einnehmen wollte oder nur bei sexuellen Kontakten, die bevorstanden. In letzteren Fällen war die Pille bis zu 2 Stunden vor dem Kontakt – explizit sind in den Kommentaren auch Orgien genannt – einzunehmen und dann noch mindestens eine Woche danach. In der einschlägigen begleitenden Literatur werden dann noch Ratschläge gegeben, bei welchen sexuellen Praktiken ein hoher Wirkstoffspiegel an welchem Körperteil erreicht wird. Eine ärztliche Begleitung der Einnahme im beratenden Sinne ist auf jeden Fall erforderlich.
Ob in der Szene wirklich regelmäßig von dieser Möglichkeit, sich vor HIV zu schützen, Gebrauch gemacht wird, sei dahingestellt. Jedenfalls ist eins erreicht: der Schwarzhandel liegt darnieder, da ja jetzt die AOK für die schnelle Angelegenheit auf dem Bahnhofsklo in Dingens mitbezahlt. Und das ist gut so.
Michael Kirch (Unsere Autoren) ist Schriftsteller, Musiker und Arzt. Zu dem Buch sagt er:„Alle diese Kurzgeschichten enthalten ein Körnchen Wahrheit!“
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