5. Mai 2020In Düsseldorf Journal

Buchtipp: TSCHUDI

Mariam Kühsel-Hussaini: TSCHUDI  – Kunst ist systemrelevant – für die Seele.

von Dr. Susanne Altweger

Dies ist das Buch für die Corona Zeit schlechthin. Sprachverzauberung mit Bildersuche: Zum Beispiel Lovis Corinth, „der den irren Blick jener Zeit hatte. Von einem Jahrhundert in das nächste gepeitscht.“ Ist es uns nicht genauso gegangen, bevor wir brutal ausgebremst wurden und zum Nachdenken verdonnert? Tage es Rückzugs und der Stille mit sich selbst werden mit diesem Buch zu Festtagen.

Dieses Buch ist ahnungsvoll geschrieben für alle jene, die Kunst und Schönheit wie die Luft zum Atmen brauchen. Für alle, die den Tag nicht erwarten können, an dem die Museen wieder geöffnet sind, die staunend vor einem Meisterwerk verharren und wissen: Kunst kann die Welt nicht verbessern, aber das Leben erträglicher machen.

Im Mittelpunkt des Buches steht Hugo von Tschudi, großgewachsener und weltgewandter Sprössling aus altem schweizerischem Adelsgeschlecht, geboren 1851, seine Mutter war die Tochter des romantischen Malers Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld. Nach Studium und Promotion zum Dr. jur. in Wien und ausgedehnten Reisen wurde er 1896 Direktor der Nationalgalerie in Berlin. In dieser Eigenschaft kaufte er mit seinem Freund Max Liebermann über 30 Werke französischer Künstler wie Manet, Monet, Degas und Cezanne. 

Natürlich hatte er zu kämpfen, gegen Intrigen der Historienmaler wie etwa Anton von Werner und natürlich gegen Kaiser Wilhelm II und seinen althergebrachten Kunstgeschmack.

Aber er scheint eine enorm charismatische und durchsetzungsstarke Persönlichkeit gewesen zu sein. Das macht das Buch so einzigartig: Die Autorin kriecht förmlich in seine Seele, sie erzählt die Figur von innen heraus und wirft uns dabei Sprachperlen vor die Füße, die lange nicht mehr zu finden waren. „Es roch nach nassem Leben, nach Nachdenklichkeit“. Oder über Wagners Musik: „Das Glitzern ist einmalig in der Musik, es ist wie vertonter Lichtnebel, goldener Staub“.

Die Spannung bezieht das Buch aus der enormen Empathie, mit der sich die Autorin der widersprüchlichsten Menschen annimmt. In erster Linie natürlich Tschudi. Er ist ein Philanthrop und Humanist, eine schöne Seele. Doch sein Gesicht zersetzt sich immer mehr durch die damals so genannte Wolfskrankheit. (Lupus) Sie führt zu Angst und Depression, Todesahnungen, die er aber mit sich selbst ausmacht. Bei Virchow lässt er sich eine Maske anpassen, was die erotische Ausstrahlung vielleicht noch steigert.

Natürlich ist „Tschudi“ ein Buch für Bildungsmenschen, und vor allem eines für Liebhaber der Malerei. Es stellt Berlin in den Mittelpunkt. Meine persönliche Empfehlung: Parallel zum Lesen die erwähnten Bilder und Maler zu googeln, neben den berühmten Franzosen auch mal wieder auf die deutschen Impressionisten zu schauen, vor allem Liebermann und Slevogt.

319 Seiten, EUR 24,00, ISBN 9783498001377, erschienen im Rowohlt Verlag


Foto: Cover

Foto: Rowohlt

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