„Corona Krise als Katalysator für die Digitalisierung in der Medizin“
Erste Bilanz von Prof. Dr. med. Dietrich Baumgart vom Facharztzentrum PREVENTICUM
Jede Krise birgt auch Ihre Chancen. Getreu diesem Motto sind wir aufgefordert einige Lektionen aus dieser Krise zu lernen. Sicherlich hat die Corona Krise viele Einschränkungen und teils großes Leid über die Menschen gebracht. In Deutschland haben wir dank eines flächendeckenden Medizinsystems mit weltweit einem der höchstens Standards gezeigt, dass wir diese Krise besser als viele andere Länder meistern konnten. Dieser relative Erfolg ist aus meiner Sicht kein Grund, uns gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und uns zufrieden zurückzulehnen. Denn auf der anderen Seite hat die Krise die Defizite des Systems hervorgebracht und uns klar vor Augen geführt. Der Gang zum Arzt wurde aufgrund der Infektionsgefahr zum Problem vor allem für diejenigen, die dringend Hilfe benötigten. Für die besonders gefährdeten alten Menschen war es nicht oder nur kaum möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren oder sich in ein Wartezimmer zu setzen. Dadurch wurden notwendige Kontrollbesuche beim Arzt nicht wahrgenommen und Blutdruckkrisen oder Blutzuckerentgleisungen provoziert, Infektionen zu spät erkannt und Wundversorgungen vernachlässigt.
Diese Probleme bei der Versorgung sollten ein Weckruf für die Weiterentwicklung der Digitalisierung in der Medizin sein. Die Auswertung von Umfragen ergab, dass nun auch die Bevölkerung inzwischen immerhin zu 50% positiv gegenüber einer weiteren Digitalisierung eingestellt ist. Auch die Zahl der Videosprechstunden schnellte in der Corona Krise deutlich nach oben.
Auch wenn der Gesundheitsminister die Digitalisierung deutlich vorantreibt, gehen die Entwicklungen nach der Meinung vieler Experten nicht weit genug. Die schnelle Entwicklung wird immer wieder durch Bedenken von Seiten des Datenschutzes ausgebremst . Neuere Entwicklungen vom Gesundheitsministerium zielen daher auf die Übertragung von Word-Dokumenten oder PDF-Dateien, die der Patient auf seiner Krankenkarte an verschiedene Ärzte weiterreichen kann. Leider werden viele Ärzte und Helfer des Gesundheitssystems vielfach keine Zeit haben, PDF-Dateien elektronisch durchzublättern. Hilfreicher wären dagegen zentrale Datenbanken, in denen die patientenbezogenen Daten sicher gespeichert sind und von vielen Orten abgerufen werden könnten.
Da eine solche Globallösung und der Aufbau eines komplexen Systems aufwändig und langwierig erscheint, wäre eine schrittweise und in Teilen behelfsmäßige Digitalisierung richtungweisend.
Wir brauchen daher eine datensichere Direktübertragung vom Patienten direkt zum niedergelassenen Arzt oder auch in das Krankenhausinformationssystem. Solche Lösungen stehen bereits heute ohne Investition in eine große IT Infrastruktur zur Verfügung. Zum Beispiel können Blutdruckdaten vom Smartphone des Patienten von jedem Ort der Welt direkt in ein Patientenverwaltungsprogramm sicher unter dem jeweiligen Patientennamen gespeichert werden. Damit können wichtige Funktionalitäten einer Digitalisierung immerhin zum Teil realisiert werden. Für eine flächendeckende Anwendung fehlen allerdings noch die entsprechenden Abrechnungsziffern der Krankenkassen. Diese bürokratischen Hürden sollten von politischer Seite abgebaut werden, damit es grünes Licht für einen fortschrittlichen Arzt-Patientenkontakt gibt.
Nicht nur die nächste Corona Pandemiewelle sondern auch der zunehmende und absehbare Fachkräftemangel in der Medizin zwingen uns alle zu raschem Handeln in der Digitalisierungsthematik.
Die Corona Krise hat definitiv einen Katalysator Effekt auf die Digitalisierung ausgeübt und die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich erhöht. Wir sollten diese positiven Impulse nutzen und erfolgreich weiterverfolgen, um zu einer noch besseren gesundheitlichen Versorgung aller Bevölkerungsgruppen zu gelangen.
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