12. November 2018In 2018/4

„Wir brauchen Mut, entschlossenes, konsequentes und vor allem ideologiefreies Handeln, dann stellt sich auch der Erfolg ein“

Interview mit Dr. Wulff Aengevelt, Geschäftsführender Gesellschafter der Aengevelt Immobilien


von Dr. Siegmar Rothstein

Sie sind geschäftsführender Gesellschafter eines der größten Immobilien Makler Unternehmens in Deutschland. Welche Aufgaben haben Sie im Zusammenhang mit der Vermittlung von Grundbesitz zu erledigen und welchen Anforderungen sehen Sie sich gegenüber? Im politischen Bereich wird gelegentlich gefordert, die Provisionen der Makler zu begrenzen. Wie wird hierauf reagiert?

Der Makler ist nicht der einseitige Wahrnehmer nur einer Marktpartei, sondern erläutert beiden Seiten offen, professionell und fair die Rahmenbedingungen des betreffenden Immobilienmarktes und die zum Auftrag passenden Möglichkeiten zum Kauf- beziehungsweise Mietvertragsabschluss. Dies kann nur gelingen, wenn die zunächst gegensätzlichen Interessen der potentiellen Vertragsparteien aufgezeigt und im Vermittlungs- und Transaktionsprozess fachbasiert moderiert werden. Der Makler führt im Mittel im mehrmonatigen Vermarktungsprozess etwa 30 – 40 qualitativ gleichwertige Beratungstätigkeiten durch. Markant ist, dass der Makler hier nicht für seine Tätigkeit, sondern ausschließlich für den Vertragsabschluss, also strikt erfolgsabhängig, honoriert wird. Die von den Grünen aktuell wiederbelebte Debatte, die Maklerprovision auf 1,6 Prozent netto zu reduzieren, ist nicht nur erkennbar dienstleistungsfeindlich – für zu geringes Honorar gibt es weltweit nur stark eingeschränkte Leistung – sondern zeugt auch von völliger Unkenntnis der betriebswirtschaftlichen berufstypischen Mischkalkulation der Makler. Wenn Makler angeblich zu schnell zu viel verdienen, müssten ja immer mehr statt tatsächlich weniger Personen den Maklerberuf ergreifen wollen und sich damit allen Chancen und Risiken der strikten Erfolgsabhängigkeit stellen. Tatsächlich scheuen aber immer mehr Menschen variable Einkommen und präferieren stattdessen sichere Bezüge.

Der Makler arbeitet also umfassender und verantwortungsvoller, als dass man sich dies gemeinhin vorstellt. Jeder kann aber Immobilien vermitteln, wenn er einen entsprechenden Gewerbeschein besitzt. Müsste man nicht für die Ausübung des Berufs als Makler eine professionelle Ausbildung verlangen und damit auch den Beruf des Maklers schützen?

Ja, es ist zutreffend, dass die vom Gesetzgeber zur Maklertätigkeit verlangten beruflichen Mindestvoraussetzungen völlig unzureichend sind. Die berufsständisch organisierte Maklerschaft fordert schon seit den 50iger Jahren den Nachweis der qualifizierten Sachkunde. Mein Vater, der in unserem Unternehmen als zweite Inhabergeneration 78 Jahre den Maklerberuf ausübte, ist beim damaligen Bundeswirtschaftsminister Erhard mit seinem energischen Verlangen, für Makler einen qualifizierten Sachkundenachweis bundesweit einzuführen, auf konsequente Ablehnung gestoßen. Erhard glaubte an die Selbstreinigungskräfte des Marktes und wollte – im Grundsatz zwar richtig, im Detail hier indessen unangemessen – so wenig wie möglich und bei Maklern gar nichts regulieren. Die organisierte Maklerschaft hat auf Verbandsebene Schritt für Schritt ein umfassendes Ausbildungs-Schulungs- und Qualifizierungsangebot geschaffen. Unsere Familie erstellte in Zusammenarbeit mit der Universität Köln die ersten wissenschaftlich ermittelten Immobilienindices in Deutschland und gehörte 1993 zu den Stiftungsgründern des ersten deutschen Immobilienlehrstuhls. Mittlerweile existieren auch hierzulande dutzende Immobilienlehrstühle. Mit der International Real Estate Business School der Universität Regensburg gibt es den größten und bedeutendsten akademischen Immobiliencampus des Kontinents. Die deutsche Maklerschaft ist daher leistungsstark und selbstbewusst im globalen Wettbewerb.

Die von Ihnen geschilderten Prozesse sind beeindruckend, doch wird das Verhalten von Immobilienmaklern nicht selten kritisch gesehen, was darf man fairerweise erwarten?

Selbstverständlich gibt es auch berechtigte Kritik an dem einen oder anderen Immobilienmakler. Dass in unserem Berufszweig einige durch ihr Verhalten Anlass und gar willkommene Vorwände liefern, die die gesamte Maklerschaft infrage stellen, ist zutiefst bedauerlich. 1973 beschloss der SPD Bundesparteitag das Berufsverbot für Immobilienmakler. Das war verfassungswidrig und konnte daher nicht realisiert werden. Ich habe mich stets für einen objektivierten und damit fairen Umgang mit Maklern eingesetzt. Von den über 30.000 lizensierten Maklerbetrieben arbeiten nach Erkenntnis der für die Makler Zulassung zuständigen Gewerbeaufsichtsämter über 99 Prozent gesetzes- und regelkonform.

Ihr Unternehmen beschäftigt sich nicht nur mit der Vermittlung von Grundbesitz. Sie wirken auch aktiv an der Planung und Umgestaltung von Städten mit. In Düsseldorf haben Sie sich intensiv in die Neugestaltung des Stadtkerns eingeschaltet. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung?

Wir praktizieren die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand sehr intensiv und erfolgreich seit Anfang der 50iger Jahre. Damals ging es darum, Privatbesitz, der für öffentliche Bauvorhaben unerlässlich ist, der öffentlichen Hand zu Marktkonditionen zu sichern. Eigentümer wünschten und wünschen oft kein Geld für die ungewollte Abgabe ihres Grundbesitzes, sondern ein qualitativ vergleichbares Tauschobjekt. Das stand und steht aber in der Regel nicht im Eigentum der öffentlichen Hand. Also akquirieren wir das akzeptable Tauschobjekt und ermitteln eventuelle Ausgleichszahlungen. Damit werden komplizierte Enteignungsverfahren ausgeschlossen. Wir moderieren auf Vertrauensbasis und lösen komplexe Prozesse zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten. Ebenso arbeiten wir bei der Erstellung von Bebauungsplänen mit.

Nach dem Fall der Mauer wurden Sie als erstes Maklerunternehmen exklusiv von der Treuhand beauftragt, maßgeblich bei der Vermarktung von Liegenschaften im Eigentum von volkseigenen Betrieben mitzuwirken. Sicher Neuland. Gab es große Probleme bei der marktwirtschaftlichen Umgestaltung der Immobilienmärkte in Berlin-Ost und in den neuen Bundesländern?

Ja, wir bekamen von der Treuhandanstalt aufgrund unserer Erfolge im Flächenrecycling den Exklusivauftrag, zunächst den über 40 Jahre nicht mehr existenten Immobilienmarkt im Ostteil Berlins marktwirtschaftlich zu starten. Dazu entwickelten wir eine komplexe Vermarktungsmethode, die als „Berliner Modell“ zwingend beim Verkauf nicht mehr betriebsnotwendiger Liegenschaften anzuwenden war. Kernpunkte des Verfahrens waren die Identifizierung der vermarktungstauglichen Liegenschaften und deren wertschöpfende Ausschreibung, anstatt die in der Regel zu großen und zu werthaltigen Immobilien zum Minderpreis im Rahmen der Unternehmensprivatisierung dem Unternehmenskäufer ohne marktangemessene Bewertung mitzuliefern. Wir verlangten von den Bietern innerhalb sportlicher vier Wochen neben bankmäßigem Solvenznachweis vor allem ein plausibles Nutzungskonzept, das dann notarielle Vertragsgrundlage wurde und der Treuhand nach den gesetzlich definierten Parametern des Investionsvorranggesetzes ermöglichte, die Liegenschaft ungeachtet noch ungeklärter Restitutionsansprüche zu verkaufen. Es musste neben der Eigentumsproblematik auch die völlig unzureichende Dokumentationslage überwunden werden. Grundbücher waren von der DDR weitestgehend vernichtet, Grundstücke enteignet und willkürlich mit anderen Flurstücken vereinigt, Bodenkontaminierungen waren nicht systematisch erfasst, Erschließung und Infrastruktur selten anspruchsgerecht etc. etc. Gleichwohl haben wir mit unserem Expertenteam in Tag- und Nachtarbeit 82 bundesweite und internationale Ausschreibungen von insgesamt rund 1.000 Liegenschaften in Berlin-Ost, Leipzig, Dresden, Magdeburg, Halle und Chemnitz durchgeführt. Das damit von den Investoren notariell zugesagte Investitionsvolumen stellte sich auf 9,5 Milliarden Euro, und auf den Verkaufsgrundstücken wurde die Sicherung/Schaffung von mindestens 78.000 Arbeitsplätzen zugesichert. So initiierten wir beispielgebend den Start der wichtigsten Immobilienmärkte im Osten.

In der Öffentlichkeit wird lebhaft der Mangel an bezahlbarem Wohnraum kritisiert. Im Kanzleramt gab es kürzlich einen hochkarätig besetzten Gipfel zu diesem Thema. Je nach politischem Standpunkt werden staatliche Regulierung oder ökonomische Anreize vorgeschlagen, und es wird die Forderung nach kostengünstigerem Bauen erhoben. Eine Lösung des Problems zeichnet sich offenbar nicht ab. Sehen Sie realistische Chancen, die Unterversorgung mittelfristig zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden?

In den sogenannten angespannten Wohnungsmärkten Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Düsseldorf brauchen wir insgesamt 60.000 neue Wohnungen jährlich, um den Bestand zu erhalten und den expansionsbedingten Zusatzbedarf der seit Jahren dort ausnahmslos anwachsenden Bevölkerung wohnraummäßig zu decken. Im Vorjahr schnellte angesichts kommunaler Anstrengungen der Wohnungsneubau in den genannten fünf Metropolen erstmals zwar auf die „Rekordhöhe“ von 30.000 Einheiten, das ist aber gerade mal die Hälfte des erforderlichen Mindestneubauvolumens. Zur Beseitigung des eklatanten Mangels an bezahlbaren Wohnungen müsste vor allem preiswertes Agrarland in Wohnbauland zügig ausgewiesen werden. Ich habe für Düsseldorf daher schon vor Jahren die Umnutzung der mit 46 Quadratkilometern viel zu großen Agrarflächen in preiswertes Wohnbauland gefordert. Das wurde von Politik und Verwaltung stark kritisiert, von der Bevölkerung indessen überwiegend (65 Prozent) befürwortet. Ferner müsste die öffentliche Hand in den Metropolen ihren Regelungs- und Regulierungseifer abbauen. Die Bearbeitungsfristen müssten sich speziell für preisgedämpften und öffentlich geförderten Wohnungsneubau deutlich verringern und die Einspruchsmöglichkeiten während der Genehmigungsprozesse abgekürzt werden, so dass die Bestandskraft der Genehmigungen schneller eintritt. Schädlich sind auch die erheblichen Erhöhungen der Grunderwerbsteuer. Wir brauchen Mut und entschlossenes, konsequentes und vor allem ideologiefreies Handeln, dann stellt sich auch der Erfolg ein. Erfreulich ist, dass auf dem Wohnungsgipfel vereinbart wurde, den Gesetzentwurf zur Einführung einer Sonder AfA für Mietwohnungsbau vorrangig zu beraten, die Wohnungsbauprämie weiter zu verbessern und erhebliche Baukindergelder für selbstgenutztes Eigentum zur Verfügung zu stellen. Diese Maßnahmen allein führen aber nicht dazu, dass bezahlbare Wohnungen im bedarfsgerechten Umfang gebaut werden.

Die Mieten steigen, in den Städten scheinen sie geradezu zu explodieren. Der Normalverdiener kann sich eine Wohnung in der Stadt nicht mehr leisten. Muss der Normalverdiener in das Umland ausweichen?

Die Mieten steigen in den Wachstumskernen, weil der Bedarf hier erheblich größer ist als das Angebot. Zur Dämpfung des Preisauftriebs muss also das diesbezügliche Angebot durch Neubauten gezielt verbessert werden. Die von der großen Koalition geschaffene Mietpreisbremse und die Einführung des Bestellerprinzips, wonach die Maklerprovision allein von dem zu zahlen ist, der den Makler beauftragt, sind wie von Experten prognostiziert nun für jedermann erkennbar völlig untaugliche Maßnahmen und daher erfolglos. Der Trend der Stadtflucht ist vorbei. Der Zustrom in die Metropolen und die Rückwanderung in die Städte sind bundesweit seit Jahren im Gang. Die Ein- und Auspendler sind den täglichen Staustress und den Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel satt. Das massenhafte stundenlange Pendeln ist umweltunverträglich und volkswirtschaftlich unproduktiv. Der Umzug in das Umland kann auf Dauer keine Lösung sein. Vielmehr müssen gezielt kostengünstige bedarfsgerechte Wohnungen in den Metropolen gebaut werden.


Kurzvita

Dr. Wulff Aengevelt

1947 in Düsseldorf geboren, Schulbesuch in London und Genf, Abitur in Frankfurt, Studium Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Promotion 1971 in Wien. 1969 trat Wulff Aengevelt als geschäftsführender Gesellschafter in das von seinem Großvater 1910 gegründete Maklerunternehmen ein. Dort verantwortet er unter anderem die Fachbereiche Privatimmobilien, Investment und Immobilienresearch. Er engagiert sich vielfältig als Dozent und Kurator in der Immobilien-Forschung und -Ausbildung, zahlreichen kulturellen/wissenschaftlichen Einrichtungen. Autor zahlreicher Fachpublikationen. Für sein kommunalpolitisches Engagement erhielt er die Ehrennadel der Landeshauptstadt Düsseldorf, ist Ehrensenator der Hochschule für Musik und Theater, Leipzig, Beiratsmitglied des Industrieclubs e. V. Düsseldorf und der Commerzbank AG. Wulff Aengevelt ist verheiratet und Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern, begeisterter Pilot und aktiver Sportler, Fußball- und Eishockey-Fan von Fortuna und DEG und schließlich Musik- und Kunstliebhaber.


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