5. November 2018In 2018/4

„Man muss das singen, was zu einem passt“

Interview mit dem Opernsänger Prof. Albert Pesendorfer


von Caroline Merz

Es ist ein warmer Sommermorgen in Berlin, Samstag. Wir sind zum Frühstück verabredet. Ich fahre mit dem Taxi in einen nicht angesagter Stadtteil – das passt zu Albert. Er ist privat kein Star, sondern ein echter österreichischer Naturbursch‘: groß und stark und total sympathisch – schon damals in sich selbst ruhend. Sein Lachen – einfach unnachahmlich herzlich. 

​​Wir haben uns vor 25 Jahren in Wels kennengelernt, spielten ein Liebespaar in einer total schrägen Oper, hatten unendlich viel Spaß. Es war alles urkomisch – eigentlich eine komplette Katastrophe. Danach ging jeder üblicherweise seiner Wege. Aber wir haben uns nach Jahren im „Netz“ wiedergetroffen! Und eigentlich war‘s wieder wie damals. Jetzt haben wir Töchter im selben Alter. Seine Johanna spricht 5 Sprachen und ist wie meine Anastasia richtig klassisch unterwegs – und dazu jeweils einen Sohn. Albert ist trotz des stressigen Berufes ein liebevoller Vater und Ehemann.

Damals hatten wir nie Zeit, über unsere Anfänge in der Musik zu reden. Er überrascht mich zwischen zwei Bissen Croissant: „Weißt‘, eigentlich hab ich Querflöte studiert.“ Ich kann mir das Lachen kaum verkneifen. „Albert, das schaut bei Dir ja so aus, als wenn ich einen Zahnstocher in der Hand halte.“ Die Vorstellung, dass dieser Hüne von Mann Querflöte studiert hat, überrascht mich wirklich. „Und nicht nur das, ich hab‘s auch von 1987 bis 2002 in Oberösterreich an der Landesmusikschule unterrichtet. Nebenbei hab ich noch Gesang in Wien studiert, das hab ich dann auch noch unterrichtet. Ans Solosingen hab ich gar nicht gedacht, ich war so beschäftigt mit der Querflöte. Sogar im Ensemble vom Franz Welser-Möst hab ich gespielt. Und dann einfach in Wien an der Staatsoper für Chor vorgesungen. Und unglaublicherweise bin ich 1997 sofort in den für uns Österreicher heiligen Staatsopernchor gekommen. Das war schon was, der Albert in Wien. Alle waren mächtig stolz auf mich. Jetzt hatte mich der Ehrgeiz gepackt. 2002 kam ich als Solist nach Erfurt. 2005 ging‘s dann wieder in meine Heimat, nach Innsbruck. Brigitte Fassbaender holte mich als Hans Sachs und Zaccaria ans Tiroler Landestheater. Mein Gott, solche Rollen – mein Idol war Kurt Moll. Und es war zu schön um wahr zu sein, tolle Kritiken – und dann ging‘s 2 Jahre später nach Hannover. Ich blieb 6 Jahre im Ensemble. Eine spannende Zeit. Dort lernte ich alle wichtigen Bassrollen. Baron Ochs – bis heute meine Lieblingsrolle -, Landgraf Herrmann, Rocco, Fasolt, Hunding, Hagen, Osmin und noch vieles mehr.“ 

„Man sieht, du hast dich wirklich auf das deutsche Fach konzentriert. Das passt perfekt zu dir.“ „Ja weißt‘,“ murmelt er mit einem nächsten großen Bissen ins Schinkenbrötchen, „man muss das singen, was zu einem passt. So mach ich es auch als Gesangslehrer an der Musikhochschule. Viele kommen mit Vorstellungen, da passt nix zusammen. Und die Stimme schon gar nicht. Da muss man einiges sanft woanders hinlenken. Ich habe eine tolle Klasse. Und eine meiner Schülerinnen ist Mezzo und singt jetzt in Düsseldorf: Karina Repova.“ 

Albert ist immer bescheiden, lächelt versonnen über den leckeren Kaffee. Ja, Professor ist er jetzt, an der Universität der Künste in Berlin. Überhaupt, er scheint sich hier sehr wohl zu fühlen, Berlin ist sein Pflaster. „In der Stadt ist kulturell immer was los, das ist für die ganze Familie spannend, sie sind ja oft allein. Ich habe einfach ein lerchenauisch Glück mit meiner Frau. Sie versteht meinen Beruf durch und durch, ist künstlerische Produktionsleiterin an der Deutschen Oper in Berlin. Ich hab sie kennengelernt, gesehen und geheiratet. Das ist ein Riesengeschenk in meinem Job. Man braucht eine verlässliche Größe im Privatleben. Stress kann dir alle Energie rauben, macht die Stimme stumpf.“ „Ja, in der Tat, es schnürt einem die Kehle zu. Das kommt nicht von ungefähr,“ pflichte ich ihm bei. 

Die Eier kommen. Gibt Kraft. Ich muss lachen, wozu braucht er das noch? „Na ja, jetzt kommt bald der Boris Gudonow, da braucht man Power. Und überhaupt, singen, unterrichten, Familie, Reisen und noch lernen, das zehrt.“ Er ist ja auch noch seit 2012 im festen Engagement in der Deutschen Oper Berlin. Zu den oben genannten Rollen gesellen sich unter vielen noch Gurnemanz, Titurel, König Marke, König Heinrich, Sparafucile, Sarastro, König Treff und Hobson dazu.

„Es ist einfach mein Lieblingshaus, die Deutsche Oper. Hamburg, Bregenz, die Staatsoper Wien und natürlich Bayreuth sind klasse, aber Berlin, das ist es eben. Zürich, die USA und Japan sind toll, ja, und Lied und Oratorium ist sowieso mein Ding.“

Die zwei Eier sind keine Minute kalt geblieben. Kraft braucht er eben, ich muss lachen. Auch ich habe meinen Teller leergeräumt. Haben vom Zwetschgenkuchen seiner Mama geschwärmt, über Kollegen geredet, Dirigenten, das Unterrichten, Familie, Freunde und das Leben. Es war wie vor 25 Jahren in Wels – er ist patent und herzlich, nix Aufgesetztes. Noch ein paar Fotos, dann trennen sich unsere Wege wieder. Schade, er ist ein Freund, er ist in seinem Leben angekommen. Ich freue mich für ihn, gehe mit einem Lachen im Gesicht. Bussi hier, Bussi da, er lächelt und ab geht’s mit dem Sohnemann auf den Fußballplatz, eben ganz Albert!


Kurzvita

Albert PesendorferAlbert Pesendorfer, geb. 21. Juni 1967 in Regau, ist ein österreichischer Opernsänger (Bass) und Professor für Gesang an der Universität der Künste Berlin. 


Ähnliche Beiträge