20. Februar 2018In 2018/1

„Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht“

Interview mit der Schauspielerin Tanja Schleiff


von Dr. Susan Tuchel

Sie stammen aus einer Schauspielerfamilie. Wann standen Sie das erste Mal auf der Bühne?

Da war ich gerade einmal vier Jahre alt und habe zusammen mit meinen Eltern und meinem älteren Bruder in einem Stück gespielt. Mein Bruder, der drei Jahre älter ist als ich, hat mich immer ganz schön mitgezogen. Wir haben selbst Pro-gramme mit Gesang und Klavier einstudiert, bei denen er Regie geführt hat, und die wir zu Hause oder im Freundeskreis meiner Eltern aufgeführt haben. Und wir waren im Kinder- und Jugendtheater.

Gab es für Sie je eine Alternative zum Schau-spielberuf?

Theater wollte ich auf jeden Fall spielen, aber ich hatte noch viele andere Ideen: Ich wollte auch Kunstturnerin, Tänzerin und Sängerin werden. Beim Kunstturnen war ich sehr erfolgreich, aber dann hat mir mein Rücken einen Strich durch die Rechnung gemacht, womit an eine Karriere als Tänzerin auch nicht mehr zu denken war. Auch Opernsängerin stand auf meiner Wunschliste, aber meine Stimme war hierfür zu klein. Ich habe mich dann gesanglich im Jazz und Pop weitergebildet und setze meine Stimme in musikalischen Stücken oft und gerne auf der Bühne ein.

Also wurden Sie dann ohne Umwege Schauspielerin?

Nicht direkt. Ich hatte mir nach der 10. Klasse in den Kopf gesetzt, zunächst einmal einen handfesten Beruf zu erlernen. Ich entschied mich für eine Ausbildung zur Krankenschwester und war zwei Jahre lang Schwestern-schülerin in Erfurt. Ein echter Knochenjob, für den ich konstitutionell dann doch nicht so geeignet war. Das war ohnehin eine schwierige Zeit. Ich war 16 Jahre alt, als die Mauer fiel und fühlte mich erst einmal sehr orientierungslos.

Und dann?

Dann habe ich mich in Leipzig beworben und hatte das Glück, direkt auf Anhieb auf der Schauspielschule in Leipzig angenommen zu werden. Anschließend spielte ich am Schauspiel Leipzig und beim Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Mit 22 Jahren bekam ich ein Engagement in München am Bayerischen Staatsschau-spiel und die Hauptrolle in „Weiße Ehe“ von Tadeusz Różewicz. So habe ich meine Leidenschaft doch zum Beruf gemacht. In meiner Münchener Zeit habe ich meine langjährige Freundin Anna Schudt kennengelernt, die heute mit dem Düsseldorfer Schauspieler Moritz Führ-mann verheiratet ist. Anna ist übrigens die Patentante unserer Tochter Carla.

Als Sie in München spielten, leitete René mit seiner Mutter Barbara die kleine Komödie im Max II und die Komödie im Bayerischen Hof. Sie kannten sich „aus der Szene“. Wann wurde mehr daraus?

Das war viele Jahre später, hier in Düsseldorf. Ich habe 2004 ein Gastengagement in Düsseldorf bekommen. Bis es dann funkte, dauerte es noch bis 2006. Ich bin dann noch bis 2010 zwischen Düsseldorf und München hin- und hergependelt, weil ich auch noch in München Theater spielte.

Und 2010 sind Sie dann Wahl-Düsseldorferin geworden?

Ich hatte anfangs schon etwas Sehnsucht nach München. Aber ich bin mit einem waschechten Rheinländer zusammen, der mir hier alles sehr schmackhaft gemacht hat. Außerdem haben wir hier einen großen Freundeskreis, auch durch die Kinder. Ich habe Düsseldorf mittlerweile richtig liebgewonnen und finde, dass die Stadt viel zu bieten hat und auch viel für Familien tut.

Haben Sie Lieblingsorte?

Ich bin sehr gerne in Unterbilk, da habe ich auch einmal gewohnt, und in Flingern. Mit den Kindern halte ich mich natürlich aktuell viel in Oberkassel auf. Und ganz praktisch ist, dass das Schauspielhaus eine Probebühne in Oberkassel hat. Ich liebe den Rhein, bin oft an den Rheinwiesen, gehe gerne ins Café de France, ins Brixx, zu Hülsmann und ins Emilios Deli am Belsenplatz. Das ist ein perfektes Café, wenn man mit Kindern unterwegs ist.

Für Ihre darstellerischen Leistungen am Staatsschau-spiel wurden Sie im Jahr 2000 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis im Bereich Darstellende Kunst und in den beiden folgenden Jahren mit dem Kurt-Meisel-Preis ausgezeichnet. Suchen Sie sich gerne anspruchsvolle Rollen aus und tendieren Sie eher zum Theater oder zum Film?

Früher lag mein Schwerpunkt eindeutig auf der Bühnenarbeit, heute mache ich beides gleich gerne, vertone aber auch sehr gerne Hörbücher und arbeite als Synchronsprecherin. Ich möchte einfach so vielseitig wie möglich arbeiten. In letzter Zeit habe ich in vielen Krimis und Komödien im Fernsehen mitgespielt und freue mich darüber, dass mich so viele Regisseure anfragen. Anspruchsvoll ist natürlich auch die Theaterarbeit. Auf der Bühne verausgabe ich mich, auch körperlich. Für das Stück „Istanbul“, das noch bis Juli in Bochum gespielt wird, musste ich türkische Lieder lernen. Seitdem habe ich einen Riesenrespekt vor der Sprache und finde sie auch sehr schön.

Was würden Sie gerne machen, wenn der Tag mehr als 24 Stunden hätte?

Ich würde gerne Gesangsunterricht nehmen und mehr Yoga machen.

Ihre Eltern haben in der Komödie „Blütenträume“ vor einigen Jahren zusammen auf der Bühne im Theater an der Kö gestanden. Möchten Sie auch einmal mit René zusammenarbeiten?

Ich kenne das ja aus meiner Kindheit, kann aber rückblickend auch sehr gut verstehen, dass meine Eltern sich bei der Arbeit mit ihren Nachnamen ansprachen. Ich habe eine Zusammenarbeit mit René noch nicht getestet, aber ich kann mir das sehr gut vorstellen.


Kurzvita

Tanja SchleiffTanja Schleiff wurde 1973 in Erfurt geboren. Ihre Eltern sind die Schauspieler Renate Hundertmark und Klaus Schleiff. Ihr Bruder Urs Schleiff ist ebenfalls Schauspieler und Regisseur. Sie wuchs in Erfurt auf und studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. 1997 bekam sie ein Engagement beim Bayerischen Staatsschau-spiel München und spielte unter der Regie von Roberto Ciulli, Dieter Dorn, Klaus Emmerich und Andreas Kriegenburg. Ihre erste Fernsehrolle bekam sie in „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“. Es folgten Filme mit dem Regisseur Dominik Graf und Doris Dörrie sowie Rollen in verschiedenen Tatortfolgen und Krimis. 2017 spielte sie die Wärterin Edith in dem Mehrteiler „Charité“ von Sönke Wortmann. Bis Juli steht Tanja Schleiff in den Bochumer Kammerspielen noch in einer Hauptrolle in „Istanbul“ auf der Bühne. In Düsseldorf spielt sie derzeit in „Der Kaufmann von Venedig“ die Dienerin Nerissa. Tanja Schleiff ist die Lebensgefährtin von René Heinersdorff, Schauspieler, Regisseur, Autor und Theaterdirektor (Theater an der Kö, Düsseldorf, Theater am Dom, Köln, und Theater im Rathaus, Essen). Sie haben drei gemeinsame Kinder (7, 4 und 2 Jahre) und leben in Oberkassel.


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