8. August 2018In 2018/3

Düsseldorfs Entwicklung zur Großstadt


von Dr. Wilhelm Droste

Was kaum einer weiß: Von 1850 bis 1900 machte Düsseldorf eine erstaunliche Entwicklung durch, die den Charakter unserer Stadt bis heute prägt. In dieser Zeitspanne entwickelte sich Düsseldorf von einer mittelgroßen Verwaltungsstadt von circa 45.000 Einwohnern zu einer von Industrie bestimmten Großstadt mit 213.000 Einwohnern. Grund dafür war unter anderem die Kommunalverfassung von 1856, mit der das aufstrebende Bürgertum die Verwaltung der Stadt in ihre eigenen Hände nahm.

Düsseldorf lag damals schon strategisch günstig, und zwar zwischen dem Wirtschaftsraum Köln, den Textilgebieten Mönchengladbach und Krefeld, dem Montanindustriegebiet Ruhr und dem gewerbereichen bergisch-märkischen Land. Verkehrstechnisch war Düsseldorf von drei privaten Eisenbahngesellschaften systematisch mit den angrenzenden Industrie- und Gewerbegebieten verbunden worden. Darüber hinaus bestanden Verbindungen zu allen größeren Städten Europas – optimale Voraussetzungen. Mitte des 19. Jahrhunderts war Düsseldorf eine mittelgroße Residenz- und Verwaltungsstadt, Hauptstadt des Regierungsbezirks und Sitz des Rheinischen Provinziallandtages. Außerdem war sie Standort einer bedeutenden Garnison der Preußischen Armee. Wirtschaftlich stach lediglich die Textilherstellung heraus. Ansonsten war Düsseldorf eine Handelsstadt mit einem ausgefächerten Handwerk.

Neue Impulse erhielt die Düsseldorfer Wirtschaft durch zuwandernde Unternehmen. Den Anfang machten belgische Industrielle, die Düsseldorf wie das Rhein-Ruhrgebiet als Standort für ihre Eisen- und Stahlindustrie entdeckt hatten. In den 1860er-Jahren ließen sich zunehmend eisenproduzierende Unternehmer aus der Eifel und dem Bergischen Land in Düsseldorf nieder. Zu Beginn der 1870er-Jahre war der Wandel in der Wirtschaftsstruktur – von der Textil- zur Montanindustrie – vollzogen. In den 1880er-Jahren erreichte die städtische Industrie das hohe Niveau, auf dem sie sich bis zum Ersten Weltkrieg bewegte. Untrennbar verbunden war diese Entwicklung mit großen Unternehmerpersönlichkeiten wie William Mulvany, den Gebrüder Mannesmann, die 1884 die Herstellung von nahtlosen Röhren entwickelt hatten, deren zentrale Fertigung in den Folgejahren nach Düsseldorf verlegt wurde, Albert Poensgen, August Bagel jr., Heinrich Lueg, Franz Haniel, Ernst Schieß und vielen mehr. Die wirtschaftliche Bedeutung Düsseldorfs wurde dadurch gesteigert, dass wichtige Wirtschaftsverbände hier ihren Sitz nahmen und prominente Wirtschaftsführer, deren Produktionsstätten im Ruhrgebiet lagen, ihren Wohnsitz nach Düsseldorf verlegten, was der Stadt auch den Beinamen „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ einbrachte.

Der schnelle Aufstieg zur Großstand erforderte aber auch von der Kommunalverwaltung, den neuen Herausforderungen effektiv entgegenzutreten. Das neue städtische Bürgertum, das auf der Basis des damaligen „Dreiklassenwahlrechts“ enormen politischen Einfluss hatte, drängte darauf, Entscheidungen in der Kommune zukünftig mitzugestalten. Denn die Entwicklung der Stadt musste Schritt halten mit den Bedürfnissen der neu angesiedelten und immer größer werdenden Unternehmen. Neue Firmengelände und Wohnquartiere für viele tausend Menschen mussten angelegt und wichtige Infrastruktureinrichtungen erstellt werden. Die „Städteordnung für die Rheinprovinz von 1856“ als beständige Kommunalverfassung, mit der Düsseldorf die kommunale Selbstverwaltung erlangte, gab hierfür den rechtlichen Rahmen.

Mit Beginn der 1880er-Jahre gelang der Durchbruch zur modernen Gemeindewirtschaft mit der Errichtung kommunaler Versorgungsbetriebe, bei denen der Gemeinnützigkeitsgedanke im Vordergrund stand. Dazu gehörten vor allem Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerkwerke, die Straßenbahn aber auch die Kanalisation und die Schlachthöfe. Deutlich wird zu dieser Zeit auch die Professionalisierung der Stadtverwaltung: Genügten 1856 noch rund 50 städtische Beamte, Angestellte und Arbeiter, um die gesamte Verwaltung der Stadt auszuführen, erhöhte sich die deren Zahl bis 1900 auf circa 4.500. Veränderung erfuhr auch das Amt des Oberbürgermeisters als Chef der Verwaltung, der nunmehr die Qualifikation eines Volljuristen besitzen und eine hinreichende Verwaltungserfahrung nachweisen musste.

Damit ergab sich auch eine neue Generation von Kommunalpolitikern: von der Industrialisierung geprägt, überwiegend liberal gesinnt. Nicht selten waren es die Firmenchefs selbst, die der Stadtverordnetenversammlung angehörten und zukunftsweisende Entscheidungen getroffen haben. Ihrer weitsichtigen Planung und dem unternehmerischen Denken ist es zu verdanken, dass sich Düsseldorf bis in die heutige Zeit so entwickeln konnte.

Aus: „Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung der Stadt Düsseldorf in der Zeit von 1856 bis 1900“ von Dr. Wilhelm Droste

Kurzvita

Wilhelm DrosteWilhelm Droste wurde am 3. Dezember 1960 in Düsseldorf-Kaiserswerth geboren.
Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 1987 Erstes und 1990 Zweites Juristisches Staatsexamen.
1989 bis 1990 Studienaufenthalt in Los Angeles.
1990 bis 1992 Traineeprogramm bei einer deutschen Großbank in Halle an der Saale und Düsseldorf.
1992 bis 1993 Rechtsanwalt in Düssseldorf.
1993 Berufung zum Notarassessor.
Seit 1998 Notar in Düsseldorf. Mai 1999 Promotion zum Dr. jur.
1995 bis 2017 Mitglied des Landtags NRW, zuletzt Justitiar der CDU-Fraktion, Mitglied des Fraktionsvorstandes.


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