18. August 2018In 2018/3

„Politik und Wirtschaft sprechen nicht immer die gleiche Sprache“

Interview mit Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf, Vizepräsident der IHK NRW


von Dr. Siegmar Rothstein

Sie sind seit nahezu zwei Jahren Präsident der Industrie und Handelskammer zu Düsseldorf, einer der bedeutendsten Deutschlands mit ca. 85.000 Mitgliedsunternehmen. In Ihrem gesamten bisherigen Berufsleben waren Sie Banker – wie nah oder fern ist Ihnen als Banker die Industrie?

In meinem Leben als Banker, wie Sie es formulieren, war ich fast ausschließlich auf der Firmenkundenseite aktiv, also wahrlich kein „Schreibtischtäter“. Vielmehr habe ich die Besuche bei unseren industriellen und international agierenden Kunden gern für Werksführungen etc. genutzt, um mich über Produktion, Stand der Technik, über Verfahrens-Innovationen, Nachhaltigkeit und Lieferketten zu informieren. Das war und ist hochgradig spannend – und hat mich in der Philosophie meines Vorgängers im Amt des IHK-Präsidenten nur bestärkt: „Die Industrie ist nicht alles – aber ohne Industrie ist vieles nichts“.

Worin sehen Sie die Kernaufgaben der Industrie- und Handelskammern? Welche Interessen haben sie?

Die Aufgaben der IHKs sind im Kammergesetz klar geregelt: Die IHKs erledigen Aufgaben im Auftrag des Staates, das ist unser öffentlicher Auftrag. Wir vertreten die Interessen der uns angeschlossenen Mitgliedsunternehmen gegenüber Politik und Verwaltung, und wir sind ein kundenorientierter Dienstleister für unsere Mitgliedsunternehmen.

Sie sehen sich als konstruktiv-kritischer Partner der politischen Entscheidungsträger, besonders in der Stadt, aber auch im Land und im Bund. Sprechen Politik und Wirtschaft dieselbe Sprache? werden Ihre Argumente beachtet? Können sie als Präsident der IHK etwas bewegen?

Politik und Wirtschaft sprechen nicht immer die gleiche Sprache, aber sie führen einen kontinuierlichen Dialog, der häufig auch zu einem Konsens führt. Im Bund ist unser Sprachrohr der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), im Land ist es die IHK NRW, die für die 16 nordrhein-westfälischen IHKs spricht. Jede IHK wiederum vertritt die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Gebietskörperschaften in ihrem jeweiligen IHK-Bezirk. Und ja, wir werden gehört: Angesiedelt bei der IHK NRW ist seit einigen Jahren – übrigens auf Initiative der Landesregierung – zum Beispiel eine Clearingstelle, die bei neuen Gesetzesvorlagen prüft, inwieweit diese den unternehmerischen Mittelstand berühren. Vor Ort arbeiten wir sehr eng mit den Kommunen zusammen, in Düsseldorf etwa beim Russland- und China-Kompetenzzentrum sowie der Mobilitätspartnerschaft und im Kreis Mettmann zum Beispiel in gemeinsamen Initiativen rund um die berufliche Ausbildung und den Tourismus. Mit beiden Gebietskörperschaften gemeinsam haben wir das Expat Service Desk ME & DUS eingerichtet. Ein sehr erfolgreiches Beispiel der jüngeren Zeit ist auch die IHK-Vision von „Düsseldorf 2030 – Perspektiven für die Innenstadt“, die von der Stadtspitze mehr als wohlwollend aufgenommen worden ist.

Auf dem diesjährigen Neujahrsempfang der IHK haben Sie ein nachhaltiges Konsolidierungskonzept mit deutlichen Einsparungen für Düsseldorf angemahnt. Glauben Sie, dass es zeitnah dazu kommt? auch in früheren Jahren musste Düsseldorf erhebliches Eigenkapital aufbrauchen, um einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.

Obwohl die Stadt Düsseldorf nach wie vor kein Einnahmeproblem hat, gelingt es ihr dennoch regelmäßig nicht, strukturell ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Aus diesem Grund ist die Forderung der Wirtschaft nach einem nachhaltigen Konsolidierungskonzept für Düsseldorf auch nicht neu: Wiederholt hatte die IHK in ihren Haushaltsstellungnahmen der letzten Jahre entsprechende Sparbemühungen angeregt.

Strukturelle Lösungsansätze hatte sich die Wirtschaft von der im Dezember 2016 eingerichteten „Kommission Haushaltszukunftskonzept“ versprochen. Nach wie vor fehlt es jedoch an einem klaren Konzept, wie die Landeshauptstadt ihre Ausgaben in den Griff bekommen will. Künftig sollte es Konsens in der Düsseldorfer Politik werden, dass der nach dem Gesetz anzustrebende, strukturell ausgeglichene Ergebnishaushalt der Gradmesser für die Höhe des freiwilligen kommunalen Aufwands in der Landeshauptstadt wird. Bei dieser Aufgabe sehe ich alle Parteien im Rat in der Pflicht.

2017 ist die Metropolregion Rheinland (MRR) gegründet worden, um die regionale Zusammenarbeit zu verstärken und das Rheinland weiter zu entwickeln. Die IHK Düsseldorf war Gründungsmitglied. Können Düsseldorf und Köln doch miteinander?

Zunächst einmal besteht das Rheinland aus mehr als nur den beiden Metropolen Düsseldorf und Köln. Immerhin erstreckt sich sein Gebiet auf 24 Städte und Kreise. Und natürlich können Düsseldorf und Köln – bei aller Konkurrenz und allen Sticheleien – letztlich auch miteinander. Denn genau das ist ja die Idee der MRR: In der Gemeinschaft lässt sich mehr bewegen. Vor allem in der internationalen Wahrnehmung sind die einzelnen Städte nicht groß genug, um global mitspielen zu können. In der Summe ist das Rheinland jedoch die stärkste Metropolregion in Deutschland.

Wächst hier zusammen, was zusammengehört?

Ja und nein. Die Zusammenarbeit wächst – aber die einzelnen Gebietskörperschaften sollen keineswegs ihre Eigenständigkeit, ihre Identität aufgeben. Sie wollen vielmehr das Rheinland im nationalen, europäischen und globalen Wettbewerb positionieren und die Region als Wohn- und Wirtschaftsstandort noch attraktiver gestalten. Als wesentliche Handlungsfelder wurden dabei zunächst Verkehr und Infrastruktur, Bildung und Forschung, Wirtschaft, sowie Kultur und Tourismus identifiziert.

Gibt es bereits gemeinsame Vorhaben?

In der Öffentlichkeit am Sichtbarsten sollte eigentlich der Rheinische Kultursommer sein (www.rheinischer-kultursommer.de). Er bündelt vom kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni bis zum Herbstbeginn am 23. September die vielfältigsten Veranstaltungen aus Kunst und Kultur im Rheinland. Damit erhöht er die Sichtbarkeit der Region nach innen und außen. In der Öffentlichkeit vielleicht zu wenig bekannt ist, dass die Metropolregion Rheinland e.V. seit diesem Jahr Träger des Projektes ist. Für die Zukunftsfähigkeit einer Region ist eine moderne und gut ausgebaute Infrastruktur unabdingbar. Deshalb hat der MRR eine Rheinland-übergreifende Stellungnahme zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 beim Bundesverkehrsministerium eingereicht. Die dort aufgelisteten Projekte haben in der finalen Fassung des BVWP starke Berücksichtigung gefunden. Der BVWP richtet Investitionen darauf aus, dass dringend notwendige Sanierungen durchgeführt, Engpässe beseitigt, weitere Kapazitäten geschaffen und mehr Mobilität ermöglicht werden.

Am 26. September veranstaltet die MRR erstmals einen Parlamentarischen Abend in der NRW-Landesvertretung in Berlin. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst will dort mit Ronald Pofalla, Vorstand der Deutschen Bahn AG, Oberbürgermeister Thomas Geisel (Vorstandsvorsitzender der MRR), Thomas Hendele, Landrat des Kreises Mettmann und stellvertretender Vorsitzender der MRR, und Birgit Heitzer, Leiterin Konzernlogistik der Rewe Group, Köln, über die Anforderungen an die Mobilität im Rheinland diskutieren. Unter anderem stehen auf der Agenda: Der Bahnknoten Köln, die Auswirkungen des internationalen Warenverkehrs aus den Nordseehäfen in Belgien und den Niederlanden auf das Rheinland sowie die bereits heute stellenweise erreichte Maximalauslastung im ÖPNV.

Ziel des MRR-Arbeitskreises „Forschungs- und Bildungsdialog Rheinland“ ist es, das Rheinland langfristig zum Bildungs- und Hochschul-/ Forschungsstandort Nr. 1 zu machen. Der MRR erarbeitet derzeit einen Antrag zur Teilnahme am NRW RegioCall 2018. Unter dem Arbeitstitel „Rheinland Digital“ soll darüber ein digitales Serviceangebot entwickelt werden mit dem Ziel, neue Netzwerke bekannt zu machen, Wissenstransfer anzuregen und Innovationskraft zu fördern, oder kurz: „Aufzeigen, was das Rheinland alles kann“. Diesen Ansatz gibt es bisher in keiner anderen Region.

Reichen diese gemeinsamen Vorhaben aus, um die Metropolregion nach außen hin sichtbarer zu machen?

Nein, keinesfalls, da hatte ich mir schon etwas mehr erwartet. Wir müssen deutlich schneller und effizienter werden, um die beachtlichen PS des Rheinlandes endlich auf die Straße zu bringen.

In Düsseldorf wohnen nach London und Paris die meisten Japaner in der EU. Es gibt sehr gute wirtschaftliche Beziehungen. Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick auf das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan? Es wird ja nicht nur der 7,5% Zoll auf Düsseldorfer Senf innerhalb der nächsten 5 Jahre entfallen.

Der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Japan gehört zu den wenigen guten Nachrichten aus dem rauer gewordenen internationalen Geschehen der jüngsten Zeit. Aus Sicht der Wirtschaft begrüßen wir daher dieses Abkommen außerordentlich. Es macht den Unternehmen „mehr Appetit“ auf den jeweiligen Markt und erleichtert den Zugang. Die gegenseitige Marktöffnung vollzieht sich aber nicht in einem Schritt, sondern über einen längeren Zeitraum. Daher ist das Freihandelsabkommen auch kein „Big Bang“, der zu einem bestimmten Stichtag ein völlig neues Umfeld für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen schafft, aber es unterzieht die langjährige Partnerschaft zwischen Europa und Japan einer hilfreichen Frischzellenkur. Zudem erwarten wir, dass Düsseldorf als der Japan-Standort Nr. 1 in Deutschland eine (noch) größere Aufmerksamkeit bei japanischen Unternehmen finden wird. Zusammengefasst kann man daher sagen: Deutschland und Japan werden über den Freihandel noch enger zusammenwachsen.

Sie wollen mithelfen, die hervorragenden Kontakte Düsseldorfs zu Russland weiter zu entwickeln. Werden die Aktivitäten durch die gegenwärtig nicht gerade rosige politische Beziehung zu Russland gehemmt? 

Keine Frage: Das politische Umfeld ist für die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen schon seit längerem schwierig. Aber wenn es auf der „großen Bühne“ nicht vorangeht, ist eine gute Zusammenarbeit auf der regionalen Ebene wie zwischen Düsseldorf und Moskau umso wichtiger. Wir pflegen aktiv auch unsere Kontakte zu weiteren russischen Regionen. Auch unsere jährliche „Russland Konferenz“ ist weiterhin ein Zugpferd. Wir bereiten schon jetzt die nächste für den 10. Januar 2019 vor. Dabei haben wir allerdings dem gewandelten Beratungsbedarf der Unternehmen Rechnung zu tragen: Statt Informationen über Vertriebsstrategien für den russischen Markt stehen heutzutage eher Informationen über die geltenden außenwirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen und Strategieempfehlungen für den Umgang mit den russischen Lokalisierungsvorschriften, also den Versuchen, mehr Wertschöpfung nach Russland zu verlagern, auf unserem Programm.

Das Ehrenamt des Präsidenten der IHK Düsseldorf kostet sicher erhebliche Zeit. wie können Sie diese Aufgabe mit Ihren anderen Tätigkeiten vereinbaren? Bleibt ausreichend Zeit für Familie, Freunde, Muse und Hobbies?

Alles, was Spaß macht, geht einem bekanntlich leicht von der Hand. Meine Tätigkeit für die IHK und meine Mitwirkung in Aufsichts- und Beratungsgremien betrachte ich eher als Bereicherung, weil ich dabei immer noch etwas Neues erfahre und etwas hinzulernen kann. Dennoch kommt das Private nicht zu kurz. Es bleibt mir genug Zeit, um pro Woche durchschnittlich ein Buch zu lesen, regelmäßig in Urlaub zu fahren und verlängerte Wochenenden am Tegernsee, meiner zweiten Heimat, zu verbringen. Und ich habe weiterhin die Muße, chinesische Kunst zu sammeln und finde bei meinen Reisen oft Gelegenheit, in Galerien zu stöbern. Sie sehen: Arbeit und Ehrenämter nehmen mich nicht vollständig in Anspruch und daher kommen auch Familie, Freunde und Hobbies nicht zu kurz.


Kurzvita

0699855C 41E5 4F22 8868 E302D337D4F8, , „Politik und Wirtschaft sprechen nicht immer die gleiche Sprache“Andreas Schmitz wurde 1960 in Büderich geboren, nach Ausbildung zum Bankkaufmann Studium der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaft in Bonn, zweites juristisches Staatsexamen in Düsseldorf. Andreas Schmitz ist seit 1989 in der HSBC Trinkaus & Burkhardt AG tätig. Er begann als Assistent eines persönlich haftenden Gesellschafters, war von 2002-2006 persönlich haftender Gesellschafter, davon seit 2004 deren Sprecher, im Anschluss bis 2015 Sprecher des Vorstandes, seit 2015 Vorsitzender des Aufsichtsrates. Andreas Schmitz war von 2009-2013 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, viele Jahre bis 2017 Vorsitzender des Aufsichtsrates Börse Düsseldorf und Mitglied des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt, daneben war und ist er Vorsitzender oder Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten und Beiräten von Industrieunternehmen und Vereinen. Seit November 2016 ist er Präsident der IHK Düsseldorf und seit Januar 2018 Vizepräsident der IHK NRW. Andreas Schmitz ist verheiratet und hat drei Kinder.


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