„Ich möchte irgendwann einmal einen historischen Krimiroman schreiben“
Interview mit der Autorin Rebecca Gablé
von Evelin Theisen
Sie wurden in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren und machten nach dem Abitur zunächst eine Banklehre. War damals schon ein großes Interesse an historischen Themen vorhanden und war das der Anlass, später ein Literaturstudium in Düsseldorf zu beginnen?
Historische Stoffe als Romanthemen habe ich erst während des Studiums für mich entdeckt. Aber ich habe während meiner Schul- und Lehrzeit schon geschrieben, hauptsächlich in den Genres Kriminalroman und Thriller. Es hat dann allerdings noch einige Jahre gedauert, bis mir klar wurde, dass Schreiben für mich mehr als ein Hobby sein könnte. Also gab ich mit Mitte Zwanzig meinen Brotberuf bei der Bank auf und studierte englische und deutsche Literatur. Dabei gehörte die mittelalterliche Literatur zum Pflichtprogramm, und obwohl ich anfangs gar keine Lust dazu hatte, wurde gerade dieser Themenbereich dann meine große Leidenschaft.
Gab es einen Lieblingsautoren für Sie?
Als Schreibanfängerin in den frühen achtziger Jahren habe ich meterweise Sidney Sheldon gelesen, den heute vermutlich kaum noch jemand kennt, der aber ein versierter Spannungsautor war. Aber ich habe immer sehr viel und sehr unterschiedliche Autoren gelesen und halte es heute noch so.
Was war der erste große Erfolg, der den Durchbruch brachte?
’Das Lächeln der Fortuna’, mein erster historischer Roman, der 1997 erschien. Ich hatte zuvor bereits zwei Krimis veröffentlicht, die zwar ganz ordentlich besprochen wurden, sich aber eher übersichtlich verkauften. Mit dem „Lächeln der Fortuna“ änderte sich das: Der Roman erschien im November, und schon in der zweiten Dezemberwoche musste nachgedruckt werden. Mein Verlag und ich rätseln bis heute, wie dieses Buch einer unbekannten Autorin, das keinerlei Werbeetat hatte, im hartumkämpfen Weihnachtsgeschäft solche Aufmerksamkeit erregen konnte. Aber das gehört zur Faszination des Buchmarktes: Selbst Experten können ihn nicht wirklich verstehen, geschweige denn vorhersagen.
Sie haben später selber altenglische Literatur an der Heinrich-Heine-Universität gelehrt. Wie kam es dazu?
Ich hatte die mittelalterliche englische Literatur als meinen Studienschwerpunkt gewählt. Das ist eine eher exotische Wissenschaft, und es gab nur einige wenige Hauptfachstudenten. Die Atmosphäre am Lehrstuhl war sehr persönlich, und ich hatte das Glück, dort schon als Studentin einen Job als Hilfskraft zu bekommen. Als dann ein paar Jahre nach meinem Examen ein Lehrauftrag zu vergeben war, war die Schlange der möglichen Kandidaten vermutlich nicht sehr lang, und mein einstiger Professor hat sich an mich erinnert und ihn mir angeboten.
Leider wird ja heute auf den Geschichtsunterricht in den Schulen viel zu wenig Wert gelegt. Gleichzeitig haben historische Themen großes Interesse gefunden. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich höre sehr häufig von Leserinnen und Lesern, dass sie entweder gar keinen Geschichtsunterricht in der Schule hatten oder aber dass er grauenhaft langweilig war oder gefühlte zwanzig Mal die Zeit des Nationalsozialismus‘ behandelt hat, aber nicht viel anderes. Nach meiner Erfahrung haben diejenigen, die jetzt Vierzig oder jünger sind, in der Schule nicht einmal einen rudimentären überblick über die Menschheitsgeschichte vermittelt bekommen. Viele Betroffene empfinden das als Mangel und versuchen nachzuholen, was die Schule versäumt hat. Das kann man zum Beispiel auch mit zuverlässig recherchierten historischen Romanen tun, die eben nicht nur unterhalten, sondern auch Wissen über die Vergangenheit vermitteln. Ich glaube, das ist einer der Gründe für den anhaltenden Erfolg dieses Genres.
Was ist für Sie das Wichtigste an einem historischen Roman? Der Leser geht ja von einem gewissen geschichtlichen Wahrheitsgehalt aus, anders als in den bekannten fiktiven Serien, wie „Game of Thrones“, die sich irgendwie historischer Vorlagen bedienen aber frei erfunden sind.
Ein historischer Roman muss eine fesselnde Story erzählen, aber die historischen Personen, Ereignisse, Lebensgewohnheiten etc., die darin geschildert werden, müssen korrekt und zuverlässig sein. Ich habe kein Problem mit „Game of Thrones“, denn das ist Fantasy im historischen Kostüm und gibt nicht vor, etwas anderes zu sein. Aber ich ärgere mich manchmal schon ein wenig über Romane oder Fernsehproduktionen wie „Die Tudors“, die angeblich von Heinrich VIII. und seinen sechs Frauen erzählt, aber ständig die historisch belegten Fakten verdreht, weil es den Autoren vielleicht besser ins Drehbuch passte. Das finde ich unseriös.
Interessieren Sie sich auch für andere Stoffe, zum Beispiel Kriminalfälle?
Ich lese nach wie gerne Krimis und möchte irgendwann einmal einen historischen Kriminalroman schreiben. Es gibt in der englischen und auch in der deutschen Geschichte jede Menge ungelöster Kriminalfälle, die es wert wären, sie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wieviel Zeit brauchen Sie inklusive Recherche bis zur Fertigstellung eines Buches?
Meistens etwa zwei Jahre. Die ersten drei, vier Monate verbringe ich nur mit Recherche. Dann plane ich meine Handlung und die Hauptfiguren und beginne zu schreiben, recherchiere aber eigentlich bis zum letzten Tag parallel weiter, weil ich oft erst während des Schreibprozesse erkenne, wo ich noch ein bisschen tiefer einsteigen muss.
Wie muss man sich den Alltag eines Schriftstellers vorstellen?
Die Tage sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob Recherche oder Schreiben im Vordergrund steht. Mal verbringe ich einen ganzen Tag in der Bibliothek. Das Sahnehäubchen jeder Recherche ist immer die Reise zu den Schauplätzen des Romans, soweit noch vorhanden. Aber die meiste Zeit sitze ich natürlich am heimischen Schreibtisch. Die Kunst besteht darin, ihn morgens möglichst zeitig aufzusuchen, statt tausend Ausflüchte zu erfinden, um nicht mit dem Schreiben beginnen zu müssen. Das ist die wohl häufigste Schriftstellerkrankheit.
Sehen Sie das Internet als gefährliche Konkurrenz zum gedruckten Buch? Könnten Sie sich vorstellen, Bücher zum „Herunterladen“ zu produzieren?
Nein, ich bin da ganz unbesorgt. Das Radio, das Kino, das Fernsehen, die CD-ROM – sie alle wurden in der Vergangenheit bezichtigt, dem gedruckten Buch den Todesstoß zu versetzen. Jetzt eben das Internet. Aber das Buch erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Natürlich ist die Konkurrenz durch andere Medien größer geworden. Das heißt, wir Schriftsteller müssen uns vielleicht mehr anstrengen als in den Zeiten, da wir das Unterhaltungs- und Informationsmonopol hatten. Aber wir profitieren andererseits ja auch vom Internet, indem wir dort unsere Bücher als E-Books oder als Hörbücher zum Herunterladen vermarkten. Das Internet verändert den Buchmarkt, keine Frage. Manche Buchhändler, Verlage und Autoren sind schon auf der Strecke geblieben. Und dieser Veränderungsprozess wird anhalten, weil das eben die Natur des Internet ist. Aber das Buch bleibt.
Wann kann der interessierte Leser mit einer Neuerscheinung aus Ihrer Feder rechnen?
Wenn alles planmäßig klappt wird im Sommer 2017 mein nächster Roman erscheinen, der wieder einmal ins deutsche Mittelalter führt – zu Otto dem Großen und seiner streitlustigen Familie.
Kurzvita
Rebecca Gablé wurde geboren 1964. Studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin. Ihre historischen Romane und ihr Buch zur Geschichte des englischen Mittelalters wurden allesamt Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrem Mann am Niederrhein und auf Mallorca.
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