„Heart Work“
Gespräch mit der Fotografin und Künstlerin Anne-Marie von Sarosdy
von Andrea Kleiner
Anne-Marie von Sarosdy – ein schöner Name. Ist das ein Künstlername? (Lacht)
Nein, so steht es auf meiner Geburtsurkunde. Es ist ein ungarischer Name.
Sie kommen also aus Ungarn?
Ich bin ein Flüchtlingskind, geboren in Düsseldorf. Mein Vater, ursprünglich Diplomat und Bankier, flüchtete 1956 zusammen mit meiner Mutter aus Ungarn, wo kurz darauf die bürgerliche Revolution niedergeschlagen wurde und der Adel bereits seit Jahren politisch verfolgt und enteignet wurde. Ich habe als Kind kein Ungarisch gelernt, da meine Eltern ihr altes Leben bewusst zurückgelassen haben. Sie wollten, dass ich perfekt Deutsch lerne und wir uns in der neuen Welt zu Hause fühlen.
Ihr Vater war bereits ein bekannter Werbe- und Modefotograf der 60er und 70er-Jahre. Hat Sie das in Ihrer Berufsfindung beeinflusst?
Mit Sicherheit hat das meinen Lebensweg beeinflusst. Nach seiner Flucht hat mein Vater in den ersten Jahren auch in Deutschland erfolgreich als Bankier gearbeitet. Mitte der 60er-Jahre hatte er aber den Mut, sich seinen großen Traum zu erfüllen und Fotograf zu werden. Schnell wurde er zu einer Persönlichkeit in der Fotografie-Szene. So er lebte ich bereits in meiner Kindheit den täglichen Kontakt zur Ästhetik der Fotografie, die Welt der Fotografen, das intensive Leben meiner Eltern und deren Freunde aus der Düsseldorfer Mode-, Intellektuellen- und Künstlerszene.
Sie haben aber zuerst einen anderen Weg eingeschlagen und Grafik & Design an der FH Düsseldorf studiert. Wie sind Sie dann zur Fotografie gekommen?
Ja, zuerst wollte ich in die Werbung gehen und habe deshalb Grafik & Design studiert. Meilenstein für meine künftige Karriere als Fotograf war aber dann das Fulbright Stipendium und die Studienzeit an dem weltberühmten „Brooks Institute of Photography“ im kalifornischen Santa Barbara. Es war eine sehr gute aber sehr harte Schule. So wurde mein erstes Foto, das ich stolz abgeben habe, feierlich vor der ganzen Klasse verbrannt, weil es den Ansprüchen des Lehrers nicht genügte.
Das hört sich erstmal nicht wirklich inspirierend an. Was hat Sie dann letztlich motiviert, Fotografin zu werden?
Entscheidend motiviert haben mich in dieser Zeit die persönlichen Begegnungen mit Größen wie Richard Avedon, Irving Penn, Helmut Newton, Yusuf Karsh, Robert Mapplethorpe, Ansel Adams, Ernst Haas, Harry Benson, Arnold Newman bis hin zu Annie Leibowitz, die Workshops an der Schule gegeben haben und mit denen ich zum Teil auch zusammen arbeiten durfte. Sie haben mich angesteckt: Ich konnte ihre Lebenslust, überströmende Energie und Leidenschaft für ihre Arbeit hautnah spüren und miterleben. Aber auch ihre Selbstzweifel haben sie geteilt.
Sie arbeiten nun seit 1991 erfolgreich als Werbe-, Mode- und Portrait-/People- Fotografin. Welchen Reiz üben diese Bereiche auf Sie aus?
Ich liebe Menschen. Da liegt es nahe, dass ich sie in den Mittelpunkt meiner Arbeit stelle. Menschen sind so facettenreich, und die persönliche Auseinandersetzung mit ihnen bereitet mir viel Freude. Ich betrachte es als ein Geschenk, durch meinen Beruf immer wieder die Gelegenheit zu bekommen, so viele verschiedene Persönlichkeiten kennen zu lernen.
Spielt der Zufall bei Ihren Arbeiten eine Rolle oder ist alles geplant?
Auf jeden Fall beides! Man sagt mir einen Hang zum Perfektionismus nach. Aber bei aller akribischen Planung ist es immer wichtig, offen zu bleiben und spontane Ideen und unerwartete Momente mit aufzunehmen, wenn diese sinnvoll erscheinen. Jedoch darf man dabei das Ziel nie aus den Augen verlieren.
Wie würden Sie selbst Ihren Stil beschreiben?
Ich würde sagen, ich versuche in meiner Arbeit zeitlos zu sein, den Betrachter emotional zu berühren und letztlich mit einer überwältigenden Qualität und Ästhetik zu überzeugen.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen guten People-Fotografen aus?
Er muss vertrauenswürdig sein, da er bei einem Fotoshooting die Menschen oft in einer sehr sensiblen Situation antrifft. Viele Menschen – selbst erfahrene Fotomodelle – fühlen sich anfangs vor der Kamera ein wenig unbehaglich und seelisch nackt. Und sie haben Recht, denn nichts ist so schutzlos wie ein Gesicht. Es verrät gnadenlos jedes Gefühl aus deinen Innern. Sich zu öffnen und loszulassen, die Führung und Kontrolle für ein gutes Bildergebnis dem Fotografen zu überlassen erfordert Mut. Das erfordert großes Vertrauen. Dies kann wiederum nur aber passieren, wenn man ehrliches Interesse an seinem Gegenüber hat, sich auch selbst öffnet, und ihm zeigt, dass man ihn mag und respektiert. Dann entsteht eine Atmosphäre der Zusammenarbeit, des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Ist dieser Moment erreicht, kann die Arbeit gelingen.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein herausragendes Foto aus?
Wenn das Bild mich auf eine gewisse Art emotional fesselt und mir das Gefühl gibt, in eine andere Welt eintauchen zu können. Vor allem sollte ein herausragendes Foto die Inspiration beflügeln. Dann wird es spannend.
Gerade waren Ihre Fotografien der inszenierten alpinen Heimat „Home Sweet Home“ bei der PhotoPopUpFair ausgestellt. Welchen Stellenwert haben Ihre freie Arbeiten beziehungsweise künstlerischen Projekte für Sie?
Freie Arbeiten haben bei mir einen hohen Stellenwert. Neben meiner Arbeit investiere ich so stets viel Zeit und Energie in meine eigenen künstlerischen Projekte und bin dadurch seit 1993 immer wieder auf Ausstellungen und in Publikationen in ganz Europa vertreten. Seit Jahren kann ich auch eine verstärkte Nachfrage meiner freien Arbeiten bei Sammlern verzeichnen, was mich sehr glücklich macht.
Was inspiriert Sie?
Mich inspirieren außergewöhnliche Fotografien, aber auch oft die kleinen Dinge des Alltags, aus denen sich neue Ideen entwickeln, die ich in mein kleines schwarzes Buch notiere, bis es Zeit wird, diese in eine neue Arbeit einfließen zu lassen. Die Kunst ist für mich aber die größte Quelle der Inspiration.
Wie hat sich für Sie die Fotografie im Übergang von der analogen zur digitalen Technik verändert?
Ich komme aus der guten alten analogen Zeit, wo wir noch in aller Ruhe und voller Konzentration an einem Bild gearbeitet haben. Man musste auf sein Können vertrauen, denn das Ergebnis konnte man erst sehen, wenn die Filme aus dem Labor kamen. Meist aber war dieses Bild nicht nur hundert Prozent korrekt belichtet, sondern auch inhaltlich und in seiner Aussage perfekt. Es musste nichts im Nachhinein retuschiert oder verändert werden. Heute sichtet man bei einer Produktion gerne mal an die 2.000 Bilder. Alles soll schnell, schnell gehen. Es heißt dann, das machen wir nachher in der Retusche. Am Ende dauert es aber dann oft wieder länger und kostet.
Laien machen auf ihren Smartphones auch wunderschöne Aufnahmen, die sehr professionell aussehen! Wozu braucht man dann heutzutage noch einen Profifotografen?
Natürlich kann jedem mit seinem Smartphone ein wunderbarer Glücksschuss gelingen. Auch ich fotografiere gerne mit meinem iPhone. Die Ergebnisse sind wirklich erstaunlich gut. Jedoch muss ich als konzeptionelle Fotografin die Bildaussage umsetzen, die der Kunde von mir wünscht und nicht das, was mir die Automatik der Kamera gerade anbietet. Das ist schon eine ganz andere Sache. Dies fordert ein technisches Know-how, ein Auge für die Inszenierung, die Fähigkeit, Licht zu sehen und lenken zu können, ein Gespür für die richtige Bildkomposition und den richtigen Moment zu haben und letztlich die Gabe, dass sich Menschen, Team und Modelle der Führung des Fotografen anvertrauen.
Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit? Was macht für Sie die Arbeit als Fotograf aus?
Ich schätze es sehr, dass man in diesen Beruf kreativ arbeiten kann, man oft viel reist, vielen unterschiedlichen Menschen begegnet und so Einblicke in bestimmte Bereiche erhält, die man vorher kaum kannte. Das ist natürlich spannend. Es passiert immer wieder etwas Neues und ist jedes Mal eine andere Herausforderung. Deshalb bin ich ein sehr glücklich und dankbar in diesem Bereich arbeiten zu können.
Kurzvita
Anne-Marie von Sarosdy wurde geboren in Düsseldorf, studierte dort Visuelle Kommunikation und erwarb 1982 ihr Diplom in Grafik & Design. Studierte drei Jahre am renommierten „Brooks Institute of Photography“ in Santa Barbara (Kalifornien) aufgrund eines „Fulbright Stipendiums“. Abschluss als „Master of Science in Photography“. 1986 Rückkehr nach Deutschland. Nachdem sie ihre Meisterprüfung als Fotografin abgelegt hatte, wurde sie für außergewöhnliche Leistungen in der Fotografie im gleichen Jahr mit dem „Heinrich Huss Preis“ ausgezeichnet. Seit 1991 ist sie erfolgreich als Werbe-, Mode- und Portrait- Fotografin in ihrem Düsseldorfer Fotostudio tätig und ist dabei auch weltweit für ihre Kunden unterwegs. Neben ihrer Arbeit widmet sie sich leidenschaftlich ihren künstlerischen Projekten: der klassischen schwarz-weiß Aktfotografie „Body Sculptures“ und den farbenfrohen sowie provozierenden Fotografien der inszenierten alpinen „Heimat“. Ihr Interesse an Kunst inspiriert ihre Fotografie, die mehrfach in Magazinen, Galerien, Kunstbüchern und Museen europaweit ausgestellt und publiziert wurden.
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