11. November 2015In 2015/4

„Es macht mir ungeheuren Spaß zu gestalten“

Interview mit Thomas Geisel, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf


von Dr. Paul Breuer

Vor mehr als einem Jahr sind Sie als frisch gewählter Oberbürgermeister mit einem 10 Punkte-Wahlversprechen angetreten. Dieser Plan war eine Prioritätenliste vom städtischen Wohnungsbau, infrastrukturellen Verkehrsprojekten, Bäderkonzepte bis hin zu neuen Start-Ups-und Bildungs-Initiativen. Die meisten dieser Vorhaben wurden erfolgreich abgearbeitet. Sie wollten einen sozialgemischten, also auch bezahlbaren Wohnungsbau vorantreiben. Wie weit sind Sie damit gekommen?

Das ist nach wie vor eine der großen Herausforderungen  meiner Amtszeit. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ziel – 3000 neue Wohnungen pro Jahr – schaffen.  So haben wir die Städtische Gesellschaft SWD gestärkt und mit der NRW-Landesregierung eine Vereinbarung über ein Globalbudget für die Wohnungsbauförderung abgeschlossen.

Den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu stärken  ist ein Thema auf der Prioritätenliste. Wie können die Verkehrsverbindungen für die Bürgerinnen und Bürger attraktiver gestaltet werden, insbesondere in den Abendstunden und an Wochenenden?

Durch Ausbau und Optimierung von zusätzlichen Verkehrsverbindungen. Dazu gehört: 1. die Verlängerung der 701 Linie zum ISS Dom. Das sollte bis 2017 zu schaffen sein. 2. Die U81-Verbindung zwischen Flughafen und der Messe, perspektivisch dann zwischen  Messe und Lörick bzw. Meerbusch, 3. die Vorrangschaltung für Bahnen an zirka 30 Lichtsignalanlagen und 4. die Takterhöhung für die ÖPNV-Verbindungen in der Innenstadt. Um einen 5-Minuten-Takt zu sichern werden allerdings mehr Fahrzeuge angeschafft werden müssen.

Die chaotischen Verkehrsprobleme durch die vielen Baustellen sind für viele Düsseldorfer und Berufspendler ein Ärgernis. Sehen Sie Chancen, das Baustellenmanagement in der gesamten Stadt besser zu optimieren? Bis wann glauben Sie, wird dieser Zustand noch anhalten?

Die Stadt arbeitet intensiv an der Verbesserung der Baustellensituation. Allerdings: Solange die Stadt wächst, werden sich hier auch Kräne drehen. Es ist leider nicht zu vermeiden, dass zuerst die Absperrung erfolgt und mit einer gewissen Verzögerung dann die eigentlichen Arbeiten beginnen. Nach der Eröffnung der Wehrhahn-Linie erfolgt die Oberflächengestaltung. Auch der Köbogen II am Gründgens-Platz wird noch realisiert. Die Beeinträchtigungen werden, so schätze ich, noch bis 2018/19 andauern.

Zu den neuen Start-Up-Unternehmen mit Zentrum im Medienhafen: Diese Start Ups kreieren vor allem Software-Applications. Fördern Sie auch die Ansiedlung industriell-basierter Start-Ups? Wo liegt hier der Focus der Stadt? IT/Medien oder beides?

„Eigentlich beides. Wir bemühen uns auch Bio-Unternehmen und Life Sience Engineering Gesellschaften für den Standort Düsseldorf zu gewinnen. Für die Industrie sind wir in Düsseldorf optimal aufgestellt, wenn man die Verkehrsanbindungen regional und auch international berücksichtigt.“

Die ansässige Industrie in Düsseldorf ist ja nicht auf Wachstum programmiert. Wie akquirieren Sie den Industriestandort national und international?

Selbstverständlich rühren wir da permanent die Werbetrommel. Schließlich bietet unsere Stadt eine hohe Lebensqualität – auch durch strukturelle städtebauliche Maßnahmen. Wir haben neben Frankfurt und München den drittgrößten Flughafen in Deutschland mit den wichtigsten internationalen Anbindungen. Hinzu kommt unsere rheinische Mentalität, die es allen leicht macht, hier schnell Fuß zu fassen und sich zu integrieren.

Die Beitragsfreiheit für KITAs wird wieder thematisiert.

Es ist schade, dass die anderen Parteien unserer Stadt sich gegen eine Gebührenerhöhung der Kita-Beiträge bei bereinigten gemeinsamen Haushaltseinkommen von über 50.000 Euro sträuben. Natürlich sollen die Kita-Beiträge für niedrigere Einkommen, das wird auch zunehmend die Gruppe der zu erwartenden Flüchtlinge betreffen, die wir in nächster Zeit aufnehmen müssen, beitragsfrei bleiben – und sogar die Betreuung der Unter-Dreijährigen beitragsfrei werden. Bildung und Integration beginnen schließlich schon in den Kitas. Dass die Beitragsfreiheit für Kita-Plätze allerdings auch für die höheren Einkommen gelten soll, erschließt sich mir nicht. 

Ihre Forderungen an die Stadtsparkasse Düsseldorf, einen akzeptablen Betrag des zu erwirtschaftenden Gewinns an die Kommune abzuführen, wäre gerade jetzt ein mehr als solidarischer Beitrag. Wie sehen Sie die Chance, dass dieser Streitpunkt im Sinne der Stadt in Kürze beigelegt werden kann?

Im Interesse unserer Stadt bin ich zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen wird. Wir haben jedenfalls unsere Hände zu einem vernünftigen Kompromiss ausgestreckt. Ehrlich gesagt: Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass sich die Stadtsparkasse Düsseldorf, bisher zu keinem Entgegenkommen bereit erklärt hat. In der Vergangenheit war es nicht selbstverständlich und auch nicht üblich, dass der erwirtschaftete Gewinn der Stadtsparkasse thesauriert wurde.

Sinn und Zweck einer Städtepartnerschaft ist das freiwillige Zusammentreffen von Menschen über Grenzen hinweg. Vordergründig ist der Austausch von kulturellen aber auch wirtschaftlichen Interessen. Was erwarten Sie von der Städtepartnerschaft mit Palermo?

„Der Kontakt zum Oberbürgermeister von Palermo ist seit Jahren ausgezeichnet. Gegenseitige regelmäßige Besuche zeigen dies auch. Vor allem in der Kultur gibt es viele Parallelen.“

Sie waren kürzlich mit einer Wirtschaftsdelegation in den USA, um auch dort in Gesprächen auszuloten, welche Partnerstadt für Düsseldorf in Frage kommen könnte. Gibt es dabei schon konkrete Ergebnisse? Worin läge der Schwerpunkt einer Partnerschaft mit Boston? Wäre Seattle nicht auch eine Option?

Boston ist sicherlich vom wissenschaftlichen Austausch  sehr interessant für Düsseldorf. Außerdem ist hat es etwa so viele Einwohner wie Düsseldorf und steht – vor allem in den Bereichen Umwelt und Verkehr – vor ähnlichen Herausforderungen. Seattle ist aber sicherlich auch eine super attraktive Stadt.  

Für NRW mit der Landeshauptstadt Düsseldorf sind die USA ein wichtiger Handelspartner. Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?

In den nächsten Jahren könnte ich mir vorstellen, eine passende Partnerstadt zu finden.

Ihr Vater Alfred Geisel war langjähriger Vizepräsident des baden-württembergischen Landtags. In wieweit hat seine Tätigkeit Ihre politische Einstellung zur Politik beeinflusst?

Natürlich hat mich seine  politische Tätigkeit als Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg beeinflusst. Auch wenn wir vom Temperament schon unterschiedlich waren, habe ich seine politischen Aktivitäten aufmerksam verfolgt.

Sie gelten als Jurist mit Schwerpunkt Gesellschaftsrecht auch als kompetenter Wirtschaftsfachmann. Eine hervorragende Voraussetzung zu Ihrer jetzigen Tätigkeit. Haben Sie sich den Weg des Oberbürgermeisters vorstellen können?

Ja. Ich habe schon sehr früh gesagt, ich möchte Bundeskanzler werden. Oder auch Oberbürgermeister einer großen Stadt. Es macht mir ungeheuren Spaß, nicht nur zu verwalten sondern auch zu gestalten.

Kaum im Amt, wurde Düsseldorf von dem Orkan „Ela“ heimgesucht. In zweistelliger Millionenhöhe wurden die Schäden beziffert. Über 1.000 neue Bäume gepflanzt. Die Düsseldorfer Bürger haben über zwei Millionen Euro privat gespendet. Das war die erste unerwartete Herausforderung, die Sie professionell und mit großem persönlichem Einsatz gemeistert haben. Hat Sie das Bürgerengagement, wie das der Feuerwehr, Polizei, des Heimatvereins „Düsseldorfer Jonges“ nicht überrascht?

Nicht unbedingt. Es hat mich natürlich sehr gefreut, wie toll wir alle zusammengestanden haben, die Stadt von den Verwüstungen zu befreien und wieder befahrbar zu machen. Die vielen ehrenamtlichen Bürger, die mitgeholfen haben, das Chaos zu beseitigen, das war schon beeindruckend, ebenso wie die große Spendenbereitschaft für Neue Bäume für Düsseldorf

Sie sind Vater von fünf Kindern. Wie vereinbaren Sie Ihr anstrengendes Amt des Oberbürgermeisters mit den Anforderungen Ihrer Familie und Ihren Hobbys?

Es ist sicherlich nicht einfach. Aber der Tag hat 24 Stunden, der Rest ist eine Frage  der Prioritäten. Selbstverständlich gehe ich zum Beispiel zum Elternsprechtag meiner Kinder.

Ihre Frau Vera ist neben den Mutterpflichten und Partnerin auch noch in einigen gemeinnützigen und sozialen Aktivitäten/Organisationen eingebunden. Finden Sie noch Zeit, ein normales Familienleben zu führen?

Für mich ist ein intensives, harmonisches Familienleben äußerst wichtig, für mich vielleicht das wichtigste im Leben. Ich versuche, die Familie vor allem bei Wochenendterminen mit einzubeziehen – wenn sie wollen.

Wo sehen Sie Düsseldorf in fünf Jahren?

Städtebaulich wird Düsseldorf – mit allem was zur Lebensqualität einer Stadt dazu gehört und auch ausmacht – ein Magnet für viele Firmen und Touristen aus aller Welt sein. Es wird einen StartUp-Hub mit dem Schwerpunkt Hafen geben. Düsseldorf wird eine lebendige Kulturmetropole bleiben und diesen Ruf sogar noch ausbauen. Sie wird nach der Austragung der Tour de France weltweit ein begehrter Austragungsort für sportliche Großereignisse sein. Und Düsseldorf wird eine gastfreundliche, tolerante und weltoffene Großstadt sein, die so selbstbewusst ist, dass sie auch über sich selbst lachen kann.

Zum Schluss möchte ich Ihnen für Ihren Einsatz, den Start der „Tour de France“ 2017 nach Düsseldorf zu holen, gratulieren. Ein sportliches Event mit hohem wirtschaftlichen Ertrag und einem immensen, weltweit werbeträchtigen Imagegewinn für unsere Stadt Düsseldorf. Wie beurteilen Sie hier die Sicherheitsproblematik einer solchen Mamutveranstaltung?

Sie können sich darauf verlassen, dass wir alle relevanten sicherheitstechnischen Aspekte berücksichtigen werden. Diese Veranstaltung wird erfolgreich und ein großes Erlebnis für unsere Zuschauer und unsere Stadt sein. Ich hoffe sehr, dass wir den Zuschlag erhalten. Zusagen von Sponsoren lassen hoffen, dass bis dahin auch die finanziellen Bedenken zur Zufriedenheit aller ausgeräumt sind.

Ach, ja, gibt es dieses Jahr zu Weihnachten wieder eine CD mit Chor und Kammermusik und Thomas Geisel mit Querflöte in der Kreuzkirche?

Ja, das es wird etwas geben – lassen Sie sich überraschen!


Kurzvita

Thomas GeiselThomas Geisel (52) ist ein Optimist, (hat von Beginn an seine Wahl geglaubt), gebildet (Jurist), musikalisch (spielt Querflöte), nicht nur redegewandt, auch sprachbegabt (spricht neben Englisch, Französisch noch andere Sprachen), sportlich (Marathonläufer, Radfahrer, Radschläger), humorvoll, sozial, volksnah und SPD Mitglied. So gibt er sich auch, wirkt authentisch, reflektiert und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Jemand, der zuhören kann. Mit dem man gerne zusammen ist und über viele Themen reden, aber auch streiten kann. Ein Übermensch? Nein. Er weiß durchaus was politisch umsetzbar ist. Da ist er Realist zugleich. Sein Credo: Ohne für seine Ideen zu kämpfen, lohnt es sich gar nicht erst anzufangen.


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