27. Oktober 2015In 2015/4

„Die parallel gespielten Ensembleprogramme haben sich gegenseitig befruchtet“

Interview mit Kay Lorentz, Geschäftsführer Theater „Kom(m)ödchen“


von Björn Merse

Herr Lorentz, Sie sind erblich vorbelastet. Wann war Ihnen klar, dass Sie lieber hinter der Bühne als auf der Bühne arbeiten wollen?

Seit Stunde Null. Mir wurde das Gen, sich auf Bühnen wohl zu fühlen, nicht in die Wiege gelegt. Bis heute versuche ich alles Mögliche, persönliche Bühnenauftritte zu vermeiden. Erst wenn nichts anderes mehr geht, steige ich drauf – in der Regel völlig übermüdet, weil ich drei Nächte vorher nicht ruhig schlafen konnte.

Von welchem Elternteil sind sie am meisten beeinflusst worden?

Vom Vater, ganz klar. Er war der Strippenzieher im Hintergrund. Für ihn war es das Größte, andere Menschen im Rampenlicht gut aussehen zu lassen. Und er hatte – neben vielen anderen Fähigkeiten – eine gute Nase beim Aufspüren der richtigen Leute für die Bühne. Ich versuche, ihm nachzueifern.

Seit vielen Jahren sind die Programme des Kom(m)ödchen-Ensembles in aller Munde und auch wirtschaftlich erfolgreich. Wäre es aktuell überhaupt möglich, Ihr Haus ohne die eigenen Programme finanziell erfolgreich zu führen?

Nein. Die wirtschaftliche Ausgangslage von Ensemblebetrieb und Gastspiel ist komplett unterschiedlich. Von den Einnahmen einer Ensemblevorstellung zahle ich die Gagen für die Kollegen, den Techniker und die Putzfrau. Der Rest bleibt im Haus. Die Einnahmen eines Gastspiels werden bei uns üblicherweise prozentual geteilt. Der Löwenanteil wird dem Künstler ausgezahlt. Wäre ich auf den kleineren Teil angewiesen, könnte ich das Haus nicht erhalten.

Will man heutzutage ein Stück wie „Couch“, „Sushi“, „Freaks“ oder „Deutschland gucken“ besuchen, muss man monatelang im voraus Karten bestellen. Hätten Sie mit dieser Entwicklung gerechnet?

Gerechnet? Nein. Gehofft? Ja. Wir hatten 60 Jahre ein Ensembleprogramm pro Jahr im Spielplan. Die Entscheidung, ein neues Programm herauszubringen ohne auf das vorhandene zu verzichten, war in meinem Haus sehr umstritten. Heute stellen wir fest, dass die parallel gespielten Ensembleprogramme sich nicht kannibalisieren. Im Gegenteil, sie haben sich sogar gegenseitig befruchtet.

Weshalb gibt es in der breiten Öffentlichkeit und im Fernsehen so wenig Formate für Ehring, Pispers, Rether & Co. und so viel Raum für Mario Barth, Cindy, Bülent Ceylan & Atze Schröder? Und: Bedauern Sie das überhaupt?

Das liegt wohl daran, dass viele Programmdirektoren glauben, Ehring, Pispers, Rether & Co. würden die breite Öffentlichkeit nicht erreichen. Unterm Strich wollen wahrscheinlich zu wenig Menschen diese Jungs sehen. Heute sitzen in Sendern zu viele Menschen ohne Rückgrat, ohne Neugier, uninspirierte, stromlinienförmige Hasenfüße. Es zählt die Quote. Was am meisten Menschen versammelt, ist Trumpf. Ich habe mich dieser Gleichung noch nie anschließen können.

Wenn Sie sich einen Künstler aussuchen dürften, der noch nie im Kom(m)ödchen aufgetreten ist – welcher wäre das?

Tom Waits. Und zwar nachts um 12, ohne Werbung, keine Ankündigung, tuschel-tuschel unter Fans, nur kleines Besteck auf der Bühne. Das wär’s!

Das Kom(m)ödchen steht für Düsseldorf, wie der Schloßturm oder Jan Wellem. Gab es schon Angebote aus anderen Städten, auch dort als Wahrzeichen tätig zu werden?

Nein, keiner traut sich doch, uns abzuwerben. Außerdem bin ich nicht käuflich. Obwohl, wir gastieren – immer schon – mit unseren Programmen landauf / landab in vergleichbaren Häusern. Insofern findet Kom(m)ödchen längst auch in anderen Städten der Republik statt.

Wenn Sie einem Fremden Ihre Stadt Düsseldorf mit ein paar Sätzen erklären wollten – welche wären das?  

Vorausgesetzt man ist nicht mittellos, kann man in Düsseldorf ganz gut leben. Es gibt den Rhein mit seinen schönen Auen, einige reizvolle Stadtviertel zum Wohnen, eine wunderbar vielfältige Gastroszene, ein ordentliches Kulturangebot – aufgeteilt auf entsprechende Häuser mit klarem programmatischem Profil – und es gibt das Kom(m)ödchen. Ok, es gibt auch eine zu lahme Stadtverwaltung, seit Jahren Verkehrschaos und zu viele Wichtigtuer mit aufgeblasenem Ego. Aber das verspielt sich.

Auf welche neuen Projekte dürfen wir Zuschauer uns in Zukunft freuen?

Im November geht die neue Kom(m)ödchen-DokusoapInfotainmentMixedandReality-Show an den Start. Sie heißt „Machtin machts“. Gastgeber Martin Maier-Bode und als sidekick Daniel Graf präsentieren diese Show in der Deko unseres Hammerprogramms „Deutschland gucken“. Ich glaube, das wird ein großer Spaß.


Kurzvita

Kay Lorentz wurde geboren 1951 in Düsseldorf. Nach dem Abitur 1974 Studium der Germanistik, Soziologie, Geographie, Arabistik und Ethnologie an der Freien Universität Berlin. Lorentz war von 1980 bis 1982 zunächst Technischer Leiter des „Kom(m)ödchen“. Dann wechselte er 1982 bis 1986 als Aufnahmeleiter zum Sender Freies Berlin. 1985 bis 1987 war er wieder Technischer Leiter des „Kom(m)ödchen“. 1987 bis 1988 arbeitete er für eine Konzert- und Gastspieldirektion in Essen. 1988 bis 1989 war er Aufnahmeleiter für RTLplus Frühstücksfernsehen in Luxemburg. Im Mai 1989 gründete er zusammen mit Axel Link die Filmproduktionsfirma TV-Link GmbH. Im Januar 1994 gründete er zusammen mit seiner Mutter Lore Lorentz die Kom(m)ödchen GmbH in Düsseldorf. Seit Januar 1995 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der Kom(m)ödchen GmbH und damit verantwortlich für alle Kom(m)ödchen Produktionen, Gastspiele und Aktivitäten.

Lorentz ist verheiratet, hat zwei Kinder (Lukas 20 Jahre und Luzie 19 Jahre) und lebt in Düsseldorf.


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