18. November 2015In 2015/4

„Auf das Auftreten als Kabarettist könnte ich nicht verzichten. Das ist direkt, unmittelbar, euphorisierend“

Interview mit Christian Ehring, Kabarettist, Autor und Musiker


von Björn Merse

Sie sind gebürtiger Duisburger aber leben in Düsseldorf. Welches Herz schlägt in Ihrer Brust – MSV oder Fortuna?

Weder noch. Mir sind religiöse Gefühle vollkommen wesensfremd. Insofern kann ich auch mit der Verehrung eines Sportvereins nicht viel anfangen. Ich hab von Fußball gerade eben so viel Ahnung, dass es reicht für einen kurzen Smalltalk mit den Kumpels. Im tiefsten Innern ist mir das ziemlich egal.

Sie sind Komponist, Kabarettist, Autor. Wenn Sie sich für eine Disziplin entscheiden müssten, welche wäre das und warum?

Ich hoffe, dass ich mich nicht entscheiden muss, denn die Mehrfelderwirtschaft macht ja gerade so viel Spaß. Sollte ich mich partout entscheiden müssen, dann: Kabarettist. Auf alles andere könnte ich wohl schweren Herzens verzichten. Auf das Auftreten nicht. Das ist direkt, unmittelbar, euphorisierend. Sich im Stadtteilzentrum mit eigenen Texten vor 21 zahlenden Zuschauern auf die Bühne stellen – so hab ich mit der ganzen Sache angefangen. Und so werde ich auch wieder damit aufhören.

Wie kann man sich immer wieder motivieren, Couch, Sushi oder Freaks zu spielen, als wäre es das erste Mal?

Wir haben da für uns eine Mischung aus Disziplin und Spaß kultiviert. Es ist uns einfach nie egal, wie ein Abend läuft. Wir schämen uns sehr, wenn wir mal einen schlechten Tag haben, jeder von uns. In neun Jahren hat’s zwar häufiger mal den Satz gegeben: „Ich hab 40 Grad Fieber und versuch’s irgendwie.“ Aber noch nie: „Ich hab heute keine Lust.“ Wenn wir uns zur Vorstellung treffen, haben wir gute Laune. Wir haben offenbar alle das Gefühl, dass sich das so gehört. Und das Tolle ist: Dann hat man auch wirklich Spaß. Das menschliche Gehirn ist ja ein bisschen doof. Man kann dem sagen: Hab Spaß, und das Gehirn denkt: Jo, geht klar.

Sie spielen seit 1998 im Düsseldorfer Kom(m)ödchen, seit 2006 als Ensemblemitglied. Was ist das Besondere an diesem Haus?

Es ist ein guter Ort. Ich hab das schon gemerkt, als ich mit Anfang 20 dort das erste Mal als Zuschauer war. Es ist heiß, es ist nah, es ist eng. Wenn es gut läuft, brennt in dem Laden richtig die Luft. Dann spielt sicher auch die ganze Tradition des Hauses eine Rolle. 1947 in den Trümmern gegründet: die ganze Geschichte der Bundesrepublik ist da präsent. Und dann auch wieder nicht so erdrückend, dass sich nichts Neues mehr entfalten könnte. Das Kom(m)ödchen ist ja in Deutschland eine der ganz wenigen Bühnen mit einer noch lebendigen Ensemble-Kabarett-Tradition. Allein das ist schon etwas Besonderes.

Christian Ehring Lore Lorentz, , „Auf das Auftreten als Kabarettist könnte ich nicht verzichten. Das ist direkt, unmittelbar, euphorisierend“
Christian Ehring schaut zu Lore Lorentz auf

Als Autor haben Sie unter anderem für Dieter Hallervorden, die Kölner Stunksitzung und Käpt’n Blaubär gearbeitet. Für welche Person Ihrer Wahl, für die Sie noch nicht geschrieben haben, würden Sie gerne mal als Autor arbeiten?

Das Schreiben war für mich lange Zeit existenziell notwendig, weil ich vom Auftreten allein nicht leben konnte. Seit ich es mir leisten kann, behalte ich meine Ideen lieber für mich. Eine Ausnahme machen würde ich zum Beispiel für Anke Engelke. Die fand ich schon immer hinreißend.

Sie haben mit Maike Kühl und Heiko Seidel zwei grandiose und talentierte Partner auf der Bühne an Ihrer Seite. Mit welchem weiteren Kollegen würden Sie gerne auch mal arbeiten?

Auch hier würde ich Anke Engelke nennen. Neben meinen persönlichen Hausgöttern John Cleese, Louis CK, Woody Allen und Ricky Gervais. An Maike Kühl und Heiko Seidel kämen natürlich alle nicht heran.

Die Basis aller Stücke ist die Autorenarbeit. In welchem Umfeld kommen Ihnen die besten Ideen?

Das ist sehr unspektakulär: Am Schreibtisch, beim Arbeiten an einem Text. Denn es braucht ja nie nur die eine große Idee, es braucht immer auch ganz viele kleine Ideen. Die kommen meist nicht, wenn man auf Inspiration wartet, sondern einfach dran bleibt. Was für mich auf jeden Fall wichtig ist: Ein gewisser Termindruck. Und ein ausgeschaltetes Handy.

Welche Konzerte besuchen Sie gerne?

Im weiteren Sinne klassische Konzerte. Jazz, Funk und Soul mag ich auch. Tendenziell eher die Konzerte, in die man geht als die, auf die man geht. Wenn ein Klavier auf dem Podium steht, bin ich sowieso glücklich. Ich will zum Beispiel endlich mal den Pianisten Michael Wollny live erleben.

An welchen neuen Projekten arbeiten Sie gerade?

Ich arbeite an einer noch recht diffusen Idee, aus der für mein Gefühl ein Buch werden sollte. Ich weiß aber nicht, ob mich ein Verlag damit überhaupt haben will. Falls nicht, wird es ein Soloabend. Die entsprechende Datei nenne ich aber einfach mal „Buchprojekt“.

Sie leben in Düsseldorf. Wie würden Sie einem Fremden Ihre Stadt in ein paar Sätzen beschreiben?

Düsseldorf ist ein bisschen langweilig. Großprojekte werden oft pünktlich fertig, bleiben im Kostenrahmen und sind manchmal sogar einigermaßen durchdacht. Düsseldorf ist hier und da richtig schön. Und zwei Straßen weiter von zermürbender Hässlichkeit. Düsseldorf ist eine der wenigen Städte der Welt, in denen Slipper und vor der Brust verknotete Pullover als modisch durchgehen. Das ist sehr eigenartig. Dafür kann man in der Kneipe mit dem Satz „Was seid ihr denn für Vögel?“ mit wildfremden Menschen ins Gespräch kommen. Das ist sehr erfrischend. Kurz gesagt: Eine Stadt zum Verlieben. Vielleicht nicht auf den ersten Blick. Vielleicht eher auf den zweiten oder dritten. Ein paar Dioptrien schaden auch nicht. Aber dann…


Kurzvita

Christian EhringChristian Ehring wurde geboren 1972 in Duisburg, aufgewachsen in Krefeld. 1990 gründete er mit Volker Diefes das Kabarett „Die Scheinheiligen“, das sich diverse Kleinkunstpreise erspielte. 1998 wechselte er zusammen mit Diefes zum Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchens. 1998 bis 2002 war Ehring in den Kom(m)ödchen-Produktionen „Die letzten Tage von Erkrath“, „Amok und Big News“ zu sehen, an denen er auch als Autor und Komponist beteiligt war. 2002 bis 2006 trat er überwiegend als Solokünstler auf. 2006 kehrte Ehring ans Kom(m)ödchen zurück, diesmal als Ensemblemitglied, Autor, Komponist und künstlerischer Leiter. Zusammen mit Maike Kühl und Heiko Seidel ist er dort in den Stücken „Couch. Ein Heimatabend“, „Sushi. Ein Requiem“ und „Freaks. Eine Abrechnung“ zu sehen. Seit Mai 2009 gehört er zum Team der ZDF-heute-show. Im Juli 2011 übernahm er die Moderation von Extra 3. Ehring lebt in Düsseldorf und hat zwei Töchter.

Fotos: Stefan Doemelt
Portraitfoto: Harald Hoffmann


Ähnliche Beiträge