17. November 2015In 2015/4

„Düsseldorf muss Anreize setzen, um junge Menschen zum Gründen zu bewegen“

Interview mit Dr. Alexander Steinforth, Strategy Manager bei Manchester United


von Christian Theisen

Früher Cambridge und Oxford, jetzt arbeiten Sie in Manchester: Zieht Sie etwa das schöne Wetter auf die Insel?

Das Wetter ist schon schöner in Düsseldorf. Und je weiter man in England nach Norden kommt, desto tiefer wird das Grau am Himmel und desto stärker wird der Regen. Wer also nur auf das Wetter schaut, sollte gerade Nordengland eher meiden. Aber für mich persönlich gab es jedes Mal einen guten Grund nach England zu kommen – erst das Studium und jetzt die Arbeit. Ich kann mich also nicht beklagen.

Was gibt es neben Fußball noch Sehenswertes in Manchester?

Manchester hat mich durchaus positiv überrascht. Von der Historie als alte Industriestadt ist sie wohl am ehesten mit dem Ruhrgebiet zu vergleichen. In Manchester begann die De-Industrialisierung jedoch noch früher. Mittlerweile hat sich hier die zweitwichtigste Metropole Englands entwickelt, die primär durch Medien, Kunst und Sport geprägt ist. Als Fahrradfahrer geniesse ich ausserdem die Nähe zu gleich zwei Nationalparks, dem Peak District sowie dem Lake District.

Mit Fußball haben Sie sich auch in Ihrer Promotion beschäftigt. Sie analysierten darin unter anderem das Financial Fairplay im internationalen Profifußball. Wie kann man bei den aktuellen Entwicklungen im englischen Fußball noch von international fairen Verhältnissen sprechen?

Die britische Premier League hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich einen enormen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber allen anderen Sportligen weltweit erarbeitet. Hauptgrund hierfür sind die Medienerlöse. Auf nationaler sowie internationaler Ebene liegen diese deutlich über den entsprechender Einkünfte anderer Ligen. Man kann darüber streiten, ob diese Entwicklung gerecht ist. Man muss der Premier League aber zugute halten, dass sie sich früh um eine Internationalisierung ihrer Liga bemüht hat. Die Früchte dieser Bemühungen erntet sie jetzt. Das an sich ist nicht verwerflich. Problematisch vor dem Hintergrund des Financial Fairplay ist es eher, wenn Clubs sich ausschließlich durch die Finanzkraft ihres Eigentümers sportliche Wettbewerbsfähigkeit erkaufen. Und das passiert leider in nahezu allen europäischen Ligen – auch der Bundesliga.

Was glauben Sie, steht uns in den kommenden Jahren in Deutschland bevor? Schon jetzt wird viel Geld aus England über Transfers auch nach Deutschland gespült.

Alle Fußballligen Europas werden die finanzielle Übermacht Englands in Zukunft noch stärker zu spüren bekommen. Die Premier League hat durch ihren Internationalisierungsgrad eine wirtschaftliche Stärke erreicht, die auf absehbare Zeit nicht aufgeholt werden kann. Dementsprechend können in England auch noch höhere Gehälter gezahlt werden. Für die Bundesliga bedeutet dies: Es wird immer schwerer werden, Top-Spieler nach Deutschland zu lotsen und hier zu halten. Mit Ausnahme von Bayern München wird dies selbst für Top-Teams schwierig werden.

Finanziell gut aufgestellte Vereine wie Wolfsburg, die international mithalten, können – wie man aktuell sieht – durch ihre Abhängigkeit auch arg in Bedrängnis kommen. Kann das die Lösung sein?

Ich persönlich bin der Meinung, dass der vermehrte Eintritt von „Werks-Clubs“ in den Profi-Fußball der falsche Weg ist. Abseits aller Fußballromantik verstoßen diese auch regelmäßig gegen die Statuten von DFB und DFL. Zu diesem Ergebnis komme ich in meiner Dissertation. Und was, wenn der Mutterkonzern eines solchen Clubs in finanzielle Schieflage gerät? Dann zeigen sich schnell die Schattenseiten eines wirtschaftlich nicht ausgewogenen Finanzierungskonzepts.

Alexander Steinforth Christian Theisen, , „Düsseldorf muss Anreize setzen, um junge Menschen zum Gründen zu bewegen“
Alexander Steinforth und Christian Theisen

Sie sind Düsseldorfer und auch der Fortuna eng verbunden. Wieso schafft Düsseldorf es mit seinem äußerst positiven Geschäftsumfeld nicht, sich als top Fußball-Standort zu etablieren? Was machen Schalke oder Dortmund besser?

Zum Profi-Fußball gehört ja mehr als ein positives Geschäftsumfeld. Sonst würden wohl jedes Jahr Frankfurt, München und Düsseldorf die Meisterschaft unter sich ausmachen. Als Freund der Fortuna ist es natürlich – gerade derzeit – nicht immer der pure Genuss, am Montag Morgen die Zeitung aufzuschlagen. Ich maße mir aber nicht an, die Arbeit der Verantwortlichen zu beurteilen. Dafür bin ich zu weit weg. Sicher ist jedoch, dass der Club in den Jahren des sportlichen Niedergangs eine recht dürftige Außendarstellung abgegeben hat. Da gilt es immer noch, verlorenes Vertrauen durch kontinuierliche gute Arbeit wiederherzustellen. Aber man sollte auch nicht vergessen: Aus der vierten Liga hat die Fortuna schon ein gutes Stück Boden wieder gut gemacht.

Sie arbeiten nun bei Manchester United. Was könnte Fortuna Düsseldorf von ManU lernen – abgesehen von teuren Spielereinkäufen?

Am beeindruckendsten ist wohl die Professionalität, die hier auf jeder Ebene herrscht und gelebt wird. Ich bin ein großer Freund des eingetragenen Vereins und des Ehrenamts. Selbst bei einem deutschen Zweitligisten kann es aber an gewissen Stellen notwendig sein, Leute mit externer Erfahrung an Bord zu holen. Dass sich jemand unbezahlt mit Herz und Seele für den Verein einsetzt, verdient großen Respekt. Es ist aber nicht immer hinreichendes Kriterium zur Führung eines Clubs mit mehreren Millionen Euro Umsatz.

Manchester United ist ein alter, britischer Traditionsverein. Davor waren Sie bei Rocket Internet beschäftigt, der Erfolgs-Schmiede der deutschen Samwer-Brüder. Gegensätzlicher geht es kaum. Wo liegen die Unterschiede in der Unternehmenskultur? Oder sehen Sie auch Gemeinsamkeiten?

Auch im Fußball werden die digitalen Themen immer wichtiger. Wir haben hier zum Beispiel knapp 100 Mitarbeiter allein in der Medienabteilung. Insofern gibt es inhaltlich schon einige Überschneidungen. Der größte Unterschied ist wohl in der Historie begründet: Manchester United ist ein Club mit weit über 100-jähriger Geschichte. Hier ist man sich sehr der Kraft der Marke bewusst – und handelt dementsprechend. Bei einem Online Start-Up hingegen geht es vornehmlich um Geschwindigkeit und das Gewinnen von Marktanteilen. Dort wird mehr ausprobiert – auch auf die Gefahr des Scheiterns hin.

Sie haben in Münster und an den beiden britischen Elite-Universtäten Cambridge und Oxford studiert. Seit 2005 versucht Deutschland, mit der Exzellenzinitiative an die internationalen Elite-Unis aufzuschließen. Was könnte Deutschland von England lernen? Wo hat es Ihnen besser gefallen?

Das größte Problem ist wohl, dass sich so genannte „Elite-Universitäten“ nicht am Reissbrett planen lassen. Deutschland hat unheimlich viele tolle Universitäten – gerade in der Breite. Aber nur, weil die Politik einer Universität nach einem bürokratischen Auswahlverfahren einen solchen Titel verleiht, spielt sie nicht automatisch in derselben Liga, wie etwa die Top-Unis in den USA. Oxford und Cambridge sind tolle Hochschulen – an beiden Orten hat es mir sehr gut gefallen. Doch auch die deutschen Unis haben viel zu bieten. Insbesondere die Gebührenfreiheit ist dabei im internationalen Vergleich ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Alle jungen Gründer zieht es nach Berlin, weil dort die Voraussetzungen angeblich am günstigsten sind. Düsseldorf hat es leider im letzten Jahrzehnt verpasst, sich als Standort für deutsche Start-ups zu positionieren. Ist der Zug abgefahren oder wie könnte Düsseldorf wieder Anschluss gewinnen?

In Berlin hat sich über die letzten Jahre eine für Deutschland einzigartige Gründungskultur etabliert. Die Stadt profitiert dabei enorm von ihren günstigen Mieten und der internationalen Strahlkraft. Beides hat Düsseldorf in diesem Ausmaß nicht zu bieten. Deshalb müsste Düsseldorf – oder das Rheinland als Verbund – andere Anreize setzen, um junge Menschen zum Gründen zu bewegen. Das ist ein Punkt, an dem die Lokalpolitik einiges bewegen könnte. Man muss sich nur mal den langwierigen Prozess zur Gründung eines eigenen Unternehmens und die damit verbundene Bürokratie anschauen. Das ist schon ein enormes Hemmniss, könnte aber durch bessere Begleitung und Unterstützung durch IHK & Co. stark vereinfacht werden. Thomas Geisel hat sich das Thema ja auf seine OB-Fahne geschrieben. Mal schauen, was da noch kommt.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder nach Deutschland oder Düsseldorf zurückzukehren? Vielleicht weiterhin im Bereich Fußball?

Deutschland ist meine Heimat – und in Düsseldorf habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Ich habe auch noch viele Verbindungen hierhin. Eine Rückkehr kann ich mir deshalb sehr gut vorstellen. Ob dies dann im Fussball oder in anderer Branche sein würde, kann ich derzeit nicht sagen.

Zum Schluss noch einmal Fortuna: Wo spielt Düsseldorf in der übernächsten Saison?

Am liebsten natürlich in der Champions League. Aber das dürfte dann doch recht schwierig werden. Mit etwas Glück reicht es bis dahin aber nochmal für den Aufstieg in die Bundesliga.


Kurzvita

Alexander SteinforthAlexander Steinforth wurde 1985 in Düsseldorf geboren. Abitur 2004 am Görres-Gymnasium. Danach Studium der Rechtswissenschaften in Münster, Oxford und Cambridge. Promotion zum Beteiligungsrecht an Sportvereinen. Berufliche Stationen als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group in Berlin sowie bei Rocket Internet. Arbeitet heute als Strategy Manager beim Premier League Club Manchester United.


Ähnliche Beiträge